LESERANWALT
Ein schlechter Witz
Auch Leserbriefe verärgern zuweilen Leser. Das gilt gleichermaßen für Internet-Nutzer. Verantwortlich ist dann die Redaktion des Mediums, das sie verbreitet hat, weil sie über die Veröffentlichung entscheidet.
So teilte kürzlich ein Leser per Leserbrief mit, er habe herzhaft über eine Überschrift in der Zeitung gelacht, so „ernst und schlimm“ der Vorfall auch sei. Sie lautete: „Camperin vergewaltigt: Polizei findet Tatwaffe“ („kurz & bündig“/Ausgabe 7.4.17).
Die kurze Leserstimme erinnert ob ihrer Pointe auch mich an einen schlechten, im vorliegenden Zusammenhang deplatzierten Witz. Besonders aus Respekt vor dem Leid derer, die schon Vergewaltigungsopfer waren, hätte ich es für besser gehalten, das herzhafte Lachen des Lesers nicht zu veröffentlichen. Eine solche ablehnende Entscheidung gehört zur Medien-Ethik oder dokumentiert einfach nur Mitgefühl.
So ein bisschen Nutzwert findet sich meist auch in kurzen Meldungen, die sonst ganz ohne Tragweite sind.
Die abgebildeten Leserbriefe sind in der Zeitung natürlich mit dem Namen der Absender erschienen. Ich habe sie für diese Veröffentlichung gelöscht.
Anton Sahlender, Leseranwalt
So teilte kürzlich ein Leser per Leserbrief mit, er habe herzhaft über eine Überschrift in der Zeitung gelacht, so „ernst und schlimm“ der Vorfall auch sei. Sie lautete: „Camperin vergewaltigt: Polizei findet Tatwaffe“ („kurz & bündig“/Ausgabe 7.4.17).
Ein Hohn
Empört fragt mich dazu eine Leserin, wieso ein so unverschämter Leser-Kommentar zu dieser Vergewaltigungsmeldung veröffentlicht werde? Er sei ein Hohn für jede Frau, die so etwas erleben musste, ja überhaupt für alle Frauen.Die kurze Leserstimme erinnert ob ihrer Pointe auch mich an einen schlechten, im vorliegenden Zusammenhang deplatzierten Witz. Besonders aus Respekt vor dem Leid derer, die schon Vergewaltigungsopfer waren, hätte ich es für besser gehalten, das herzhafte Lachen des Lesers nicht zu veröffentlichen. Eine solche ablehnende Entscheidung gehört zur Medien-Ethik oder dokumentiert einfach nur Mitgefühl.
Mehrdeutige Überschrift
Nun unterstelle ich nicht, dass der Absender Frauen verhöhnen wollte. Hat er doch den Vorfall als „ernst und schlimm“ bezeichnet. So ist es wohl eher seine Absicht gewesen, mit Mitteln der Satire kritisch auf die Mehrdeutigkeit der Meldungsüberschrift hinzuweisen. Auch die Leserbrief-Redaktion sah darin wohl eher eine Leser-Kritik an ihren für Meldung und Überschrift vom 7.4. verantwortlichen Kollegen. Die mögliche Wirkung des Leserbriefes auf Frauen wurde dabei entweder übersehen oder in einer Abwägung zurückgestellt. Nach dem Motto: Auch für Leserbrief-Autoren sollte Ironie gestattet sein.Der Menschenwürde verpflichtet
Die Redaktion, die sich der Menschenwürde verpflichtet sieht, ist grundsätzlich weit davon entfernt, mit dem Leid von Frauen verächtlich umzugehen. So hoffe ich nicht, dass die Leserin ihre Abbestellungsdrohung wahr macht.Ein bisschen Nutzwert
Themawechsel: Am 19.4. las man in der Zeitung „Röntgenbilder bei der Bundespolizei abgegeben“ – ebenfalls in der Rubrik „kurz & bündig“. Eine Leserin hat per Leserbrief wissen lassen, dass sich ihr, ihren Freunden, Bekannten und Verwandten die Bedeutung dieser Meldung nicht erschließe. Sie sei wie der Sack Reis, der in China umfalle. Zugegeben, die Nachricht war entbehrlich. Entnehmen lässt sich ihr die Botschaft, dass die Bundespolizei in Nürnberg die Aufnahmen der Hüfte eines Unbekannten (Anmerkung: gehört zu seiner geschützten Intimsphäre) sichergestellt hat. Falls er es liest, kann er sie abholen. Und alle anderen konnten über die Deutsche Presseagentur (dpa) kurz und bündig erfahren, dass sie sich bei Verlusten oder mit Fundstücken auch an die Bundespolizei wenden können.So ein bisschen Nutzwert findet sich meist auch in kurzen Meldungen, die sonst ganz ohne Tragweite sind.
Die abgebildeten Leserbriefe sind in der Zeitung natürlich mit dem Namen der Absender erschienen. Ich habe sie für diese Veröffentlichung gelöscht.
Anton Sahlender, Leseranwalt
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