Für manche Leserinnen und Leser bleibt der raue Umgangston, der vorwiegend in Internetdiskussionen gepflegt wird, arg gewöhnungsbedürftig. Und zuweilen findet der bekanntlich auch den Weg in die digitalen Foren dieser Zeitung. Ich mache das speziell an der Kritik der Leserin, Frau A.B., mal sichtbar.
Frau A.B. schreibt mir, dass sie im Hinblick auf den Ton mancher Foristen (Teilnehmer an Online-Diskussionen) auf Main-Post-Online inzwischen so einiges gewohnt ist. Und was sie zuletzt gelesen hat, findet sie jedenfalls unsäglich, furchtbar und verstörend.
"... dass es nur so kracht!"
So wird zum Artikel "Würzburger Anwalt fordert Schadenersatz für Corona-Lockdown" vom 9.7. kommentiert: "Die Schlimmsten von den Brüdern (sie meint Abmahn-Anwälte) sind ja die, die für irgendwelche fadenscheinigen Firmen Abmahnungen verschicken und sich damit ihre Nase vergolden lassen!!! <hier Smilie Erbrechen> Da gehört dazwischen gehaut dass es nur so kracht!" Man brauche, so A.B., nicht viel Phantasie, um das als gewaltverherrlichend und hetzerisch zu lesen.
Das gelte ebenso am 10.7. für den Kommentar unter dem Beitrag "Vergewaltigungsprozess: Gericht droht Kickboxer mit Anklage wegen versuchten Mordes". Dazu heißt es: "Vielleicht findet der Angeklagte im Falle einer Haftstrafe ein paar nette neue Freunde, die seine Leidenschaft teilen und auch gerne mal fest zupacken. Nur leider sieht er die dann gar nicht, weil er in diesen Momenten ja in die ganz andere Richtung schaut…"
Bitte um sensibleres Management
Konstruktiv sind diese Beiträge wahrhaftig nicht, und auch aus meiner Sicht kann man darin durchaus auch Gewaltaufrufe sehen. Leserin A.B. bittet jedenfalls darum, dass ich mich für ein sensibleres Veröffentlichungsmanagement einsetze, eines, das Hate Speech (Hass-Sprache) ausschließt. Das habe ich getan.
Vorweg: Regeln, die für Online- Kommentare gelten, heißen bekanntlich sinnstiftend "Netiquette". Doch ausgereicht haben sie nicht, die angesprochenen, keinesfalls netten Texte auszuschließen. Das, obwohl sie u.a. Aufrufe zu Gewalt und zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, ausdrücklich verbieten.
Konstruktiver Vorschlag
Einem Verantwortlichen der Redaktion gefallen die kritisieren Sätze auch nicht. Doch einen offenen Aufruf zur Gewalt, erkennt er darin nicht, also keinen Verstoß gegen die Regeln der Netiquette. Er räumt ein, dass die Beurteilung nie leicht fällt. Deshalb rutsche zuweilen eine Formulierung durch, die besser nicht erschienen wäre.
Konstruktiv schlägt er vor: Wem grenzwertige Texte auffallen, solle sie der Redaktion über die "Kommentare-melden-Funktion" vermitteln. Die sei dankbar für jeden Hinweis, wie für den von Frau A.B.. Dadurch könnten nötigenfalls die Regeln in der Netiquette nachgeschärft werden. Aber: auch nachträgliche Löschungen sind online auf mainpost.de immer möglich.
Hier zum Nachlesen die Netiquette-Regeln.
Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu Internet-Kommentierungen:
2014: "Kann man die Karikatur einer Weihnachtskrippe wirklich so gründlich missverstehen"
2015: "Wo die Begegnung von Klarnamen in der Zeitung mit Online-Pseudonymen Ärger bereitet"
2018: "Diskussionsmüll vermeiden"
2019: "Das Missverständnis mit der Zensur"
2020: "Es gibt keine gute Hass-Sprache"
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute
Ganz grundsätzlich sollte ein Teilnehmer oder Besucher eines Forums meiner Meinung nach so weit gefestigt sein, um die Beiträge anderer verkraften zu können – auch wenn der Umgangston etwas direkter wird. Niemand wird gezwungen, die Kommentare zu lesen. Es sind Meinungen, es geht um die kritische Auseinandersetzung – falls hier Befindlichkeiten zu Formulierungen über die Veröffentlichung von Inhalten entscheiden können, dann ist das aus meiner Sicht der vollkommen falsche Weg für ein Forum.
Ich halte es mit Thomas Sowell: „In this era of political correctness, some people seem unaware that being squeamish about words can mean being blind to realities."
Würde mir tatsächlich mehr Moderation und weniger Zensur wünschen …
Die Moderation der Kommentare und eine Kontrolle hinsichtlich beleidigender, verletzender oder gewaltverherrlichender Beiträge ist erforderlich und richtig.
Ein moralinsauer erhobener Zeigefinger und ein gejammertes "man müsse halt auch ab und zu grenzwertige Kommentare durchwinken, so schwer einem das seriöser Journalist fiele" finde ich besonders dann unplaziert, wenn ich bedenke, durch welchen Dreck ich mich inzwischen durch-scrollen muß, um die Kommentare überhaupt zu erreichen.
Ob nun die Empfehlung von "Singelbörsen 50+, die auch tatsächlich funktionieren" über Tipps, was wirklich gegen Haarausfall helfe bis hin zum Hinweis, ich solle tief durchatmen, bevor ich das Vermögen oder jetzige Aussehen diesen oder jenen B-Promis erfahre...der Zweck der Finanzierung heiligt hier offensichtlich auch die Mittel.
Das ist einfach nicht richtig.
Und so kommt es, dass auch diese Beiträge zur äußerst problematisch gewordenen Erhaltung der Wirtschaftlichkeit einer Tageszeitung beitragen. Bedauern darf man es, ändern kann man es wohl erst, wenn ein wirksames digitales Geschäftsmodell für digitalen Journalismus gefunden ist.
Solange bitte ich Sie um Verständnis beim durchscrollen...
Anton Sahlender, Leseranwalt
ab und an gebe ich auch meinen senf zu gewissen themen ab, und achte dabei auch auf meine ausdrucksweise, rufe nicht zur gewalt auf oder verwende irgendwelche nicht jugendfreie kraftausdrücke, und dennoch werden die kommentare nicht übernommen.
wenn das der fall ist, brauche ich auch keine benachrichtigung wenn weitere kommentare zu dem thema eingegangen sind.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Anton Sahlender, Leseranwalt