Bislang hat Ilker A. die mutmaßliche Vergewaltigung im Ringpark in Würzburg vor zwei Jahren nicht gestanden. Nun könnte der Prozess am Landgericht vorzeitig zu Ende gehen – und mit einem harten Vorwurf neu beginnen: „Es kann gut sein, dass wir den Fall nach dem Bericht des Rechtsmediziners an eine andere Kammer abgeben“, warnte der Vorsitzende Hans Brückner den 30-jährigen Angeklagten. Dann, so machte Beisitzer Claus Barthel deutlich, müsse ein Gericht prüfen: „Liegt hier versuchter Mord vor?“
Sollte Würgen und Schlagen Hilferufe ersticken?
Das Gericht hat erkennbar die Gangart verschärft, nachdem der angeklagte Kickboxer bei seiner Version bleibt: Die Frau und er hätten sich in der betreffenden Nacht im gegenseitigen Einverständnis im Ringpark vergnügt. „Was muss das dann für ein eindringlicher Hilfeschrei gewesen sein, dass ein junges Mädchen ohne Zögern nachts in den dunklen Park eilt, um zu helfen – trotz der Gefahr für sie selbst?“, so die Frage des Vorsitzenden Richters. Das Gericht hält auch für denkbar, dass der Angeklagte durch Schlagen und Würgen weitere Hilferufe der Frau ersticken wollte, um nicht noch mehr Passanten aufmerksam zu machen.
Im Prozess präsentierte das Gericht Bilder, die bei der Untersuchung der Frau gemacht worden waren. Sie zeugen von der brutalen Gewalt, der sie ausgesetzt gewesen sein musste: Würgemale am Hals, die Augenhöhlen wie von Schlägen blau verfärbt, blutunterlaufene Augäpfel, in denen kein Weiß mehr um die Pupillen sichtbar ist.
Rechtsmediziner: "Sie hat Glück, dass sie noch lebt"
Im Zeugenstand schilderte ein Ermittler den schrecklichen Zustand der jungen Frau noch Stunden nach dem Vorfall: Sie sei kaum ansprechbar gewesen, habe schwer unter Schluckbeschwerden gelitten. Der Rechtsmediziner habe bei der Untersuchung gesagt, dass er zwar aus seiner täglichen Arbeit brutale Anblicke gewohnt sei. Aber er habe „noch nie an einem noch lebenden Menschen solche Würgemale gesehen“, erinnert sich der Kripo-Beamte. Und zitierte weiter: „Sie hat Glück, dass sie noch lebt.“
Die Fotos sind von beklemmender Beweiskraft. Der Vorsitzende Richter forderte den Angeklagten auf, sie genau anzuschauen, statt schnell weiterzublättern. Sehe so eine Frau aus, die der 30-Jährige beim einvernehmlichen Sex im Ringpark nur leicht geschlagen haben will - noch dazu auf ihr Verlangen?
Kripo berichtet über Internet-Dialoge
In drei Fällen spricht die Anklage von sexuellen Vorlieben, zu denen der Angeklagte seine Partnerinnen gezwungen habe soll. In einem Dutzend weiterer Fälle geht es um heimlich mitgefilmte Intimitäten. Laut Kripo war dies für Freunde des Angeklagten ein offenes Geheimnis. Und in Internet-Dialogen sei zumindest darüber geredet worden, Frauen vor dem Sex mit Liquid-Ecstasy wehrlos zu machen.
Verteidiger und Angeklagter führten in Prozesspausen nach der Aufforderungen des Gerichts, die Aussagen zu korrigieren, intensive Gespräche. "Aber er betont, er habe keine Frau vergewaltigt“, so Anwalt Martin Reitmaier. So kann das Gericht dem Opfer den unangenehmsten Teil der Beweisaufnahme nicht ersparen: Die Staatsanwaltschaft hat drei frühere Intimpartner der jungen Frau ermittelt, die nun in den Zeugenstand müssen. Berichtet keiner von ihnen über eine Vorliebe der Frau, sich beim Sex quälen zu lassen, steht es schlecht um die Glaubwürdigkeit des Angeklagten.
Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.
Und wenn er am Ende versuchen muss, durch ein Eingeständsnis die Richter milde zu stimmen, sollte es dazu dann zu spät sein. Recht so.