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Würzburg
Zwei Widerständige: Mozart und Beethoven beim Mozartfest 2020
Im Jubiläumsjahr 2020 kommt auch das Mozartfest nicht an Beethoven vorbei. Missa Solemnis und Neunte Sinfonie wie an unzähligen anderen Orten wird es dennoch nicht geben.
Mozart als menschliche Puppe: Intendantin Evelyn Meining und der Tänzer Dominik Blenk, der in einer Performance zum Thema Taubheit Klänge sichtbar machen will.
Foto: Thomas Obermeier | Mozart als menschliche Puppe: Intendantin Evelyn Meining und der Tänzer Dominik Blenk, der in einer Performance zum Thema Taubheit Klänge sichtbar machen will.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 24.05.2022 10:05 Uhr

2020 jährt sich der Geburtstag Ludwig van Beethovens zum 250. Mal – 2020 ist deshalb weltweit Beethoven-Jahr, Neunte Sinfonie und Missa Solemnis werden unzählige Male an unzähligen Orten aufgeführt werden. "Aber ist das schon Programm?", fragt Evelyn Meining, Intendantin des Würzburger Mozartfests. Lange und intensiv habe sie darüber nachgedacht, sich dem Jubiläum zu verweigern, bei dem Beethoven "aus allen Gassen gepfiffen" werde, erzählte sie im Exerzitienhaus Himmelsforten in Würzburg bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Mozartfest-Programms 2020. Sie hat sich schließlich gegen die Verweigerung entschieden.

Stattdessen legt sie ein Programm mit 74 Konzerten an 26 Spielstätten vom 29. Mai bis 28. Juni vor, das der zu erwartenden Jubiläums-Beliebigkeit ein scharfes inhaltliches Profil entgegensetzt. Motto: "Widerstand –Wachsen – Weitergehen".

Beethoven! – Kann Spuren von Mozart enthalten

Die Verbindungen zwischen Mozart und Beethoven sind mannigfaltig. "Beethoven! – Kann Spuren von Mozart enthalten", lautet der Titel eines der Forschungsprojekte im Mozartlabor. Tragischerweise sind die beiden einander höchstwahrscheinlich nie begegnet. Der 16-jährige Beethoven reiste 1786 nach Wien, um den von ihm verehrten Mozart zu treffen, kehrte aber bald wieder nach Bonn zurück, weil seine Mutter erkrankt war. Als er 1792 wieder nach Wien kam, war Mozart schon fast ein Jahr tot.

Die Begriffe Widerstand, Wachsen, Weitergehen passen selbsterklärend und gleichermaßen auf die Neutöner Mozart und Beethoven. Beide waren mit Zeitgenossen konfrontiert, die weitaus konventioneller komponierten und damit weitaus erfolgreicher waren. Das Mozartfest hat Werke einiger dieser Zeitgenossen ins Programm genommen – so wird Mozarts und Beethovens Schaffen in den historischen Kontext eingeordnet, gleichzeitig dürfte nur umso deutlicher werden, wie einzigartig dieses Schaffen ist.

Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Mozartfest-Programms im Exerzitienhaus Himmelspforten (von links): Geschäftsführerin Katharina Strein, Intendantin Evelyn Meining, Tänzer Dominik Blenk und Friedel Lelonek
Foto: Thomas Obermeier | Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Mozartfest-Programms im Exerzitienhaus Himmelspforten (von links): Geschäftsführerin Katharina Strein, Intendantin Evelyn Meining, Tänzer Dominik Blenk und Friedel Lelonek

Da ist etwa Anton Eberl, dessen dritte Sinfonie in Es-Dur im selben Konzert uraufgeführt wurde wie Beethovens dritte Sinfonie, ebenfalls in Es-Dur, die Eroica. Eberl reüssierte, Beethoven fiel durch. Seinem Werk "fehlte sehr viel, dass die Sinfonie allgemein gefallen hätte", urteilte die Kritik. Auch der komponierende Geigenvirtuose Franz Clement erhielt für seine Stücke erheblich mehr Zuspruch. Immerhin: An Beethovens Violinkonzert arbeitete er entscheidend mit, der Bratscher Beethoven brauchte Beratung bei geigentechnischen Finessen. 

Derlei Gegenüberstellungen sind Spezialität des Artiste étoile 2020: Reinhard Goebel, 67, mit Musica Antiqua Köln (1973-2006) einer der großen Pioniere der historischen Aufführungspraxis, von der BBC in die Liste der 20 besten Geiger aller Zeiten aufgenommen, heute Lehrer, Dirigent, streitbarer Denker und Reisender in Sachen Aufklärung. Goebel hat es sich zur Mission gemacht, den klassischen Kulturorchestern die musikalischen Praktiken des 18. Jahrhunderts näherzubringen. Sein Credo: "Es ist nicht und nie das Instrument, sondern nur der Kopf, der die Musik macht."

Beethovens Taubheit als Thema für ein Performance-Projekt

Reinhard Goebel wird vier Programme dirigieren, darunter das Eröffnungskonzert mit dem WDR Sinfonieorchester, und im Mozartlabor (13. bis 16. Juni) mitwirken, das sich diesmal der Frage stellen will, welche gesellschaftliche Verantwortung Kunst und Kultur in einer Zeit haben, "die digital so überfrachtet ist" (Meining). Neben Reinhard Goebel stehen etliche prominente Namen im Mozartfest-Programm 2020, unter ihnen die Fazil Say, Martin Helmchen, Jan Lisiecki und Kit Armstrong, Augustin Hadelich, Carolin Widman, Julian Prégardien und viele mehr.

Beethovens Taubheit ist – wie Mozarts Hochbegabung – Teil des Mythos'. Das Mozartfest wird mit der Konzertreihe "Sinn(e)!" der Frage nachgehen, wie das ist, wenn Sinne fehlen oder versagen. Mit einem Konzert in völliger Dunkelheit etwa und einer Performance, die versuchen wird, Musik sichtbar zu machen, wie es Geschäftsführerin Katharina Strein formulierte. Dazu werden der Tänzer Dominik Blenk und der Musiker Friedel Lelonek Töne in Bewegung umsetzen und mit Filtersounds eine Art Hörverlust simulieren.

Mozartfest 2020: Das Programmheft kann ab sofort postalisch angefordert (Rückermainstraße 2, 97070 Würzburg) und im Internet unter www.mozartfest.de heruntergeladen werden. Der schriftliche Kartenvorverkauf läuft, das Kartenbüro ist ab 13. Januar geöffnet: Tel. (0931) 372336

 
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