Klavier und Streicher, das funktioniert nicht immer. An der Literatur liegt das nicht, die Gattungen Klaviertrio und Klavierquartett beherbergen mit die schönsten Werke der Kammermusik überhaupt. Oft jedoch wollen sich die Klangfarben von Streichern und Klavier nicht so recht mischen. Das ergibt dann halt Streicher mit Klavierbegleitung aber eben keine echte Einheit wie etwa beim Streichquartett.
Es sei denn, es sitzt ein Künstler wie Martin Helmchen am Flügel. Zum Beispiel beim Kissinger Sommer im Rossini-Saal des Regentenbaus unter dem Titel „Vier gefeierte Solisten“. Gemeint sind Helmchen, Veronika Eberle (Violine), Pauline Sachse (Viola, für die ursprünglich angekündigte Tatjana Masurenko) und Quirine Viersen (Cello, für Marie-Elisabeth Hecker).
Die Klangfarben-Frage
Wenn also Martin Helmchen am Flügel sitzt, stellt sich die Klangfarben-Frage nicht. Helmchen, der Poet unter den großen Pianisten, ist, so scheint es, zu jeder Zeit Herr über die genaue Beschaffenheit jedes Tons, der sein Instrument verlässt.
Das heißt: Sein Pianissimo ist so leise, dass es – wenn gewünscht – jeden anderen Ton im Saal überstrahlt. Und er kann Fortissimo-Ausbrüche so wuchtig gestalten wie entfesselte Naturgewalten, die dennoch so transparent bleiben, dass man jeden Streicherton genau zuordnen kann.
Unerlässliche Fertigkeiten, wenn die Klavierquartette in A-Dur von Brahms und in Es-Dur von Schumann auf dem Programm stehen, Werke von sinfonischen Ausmaßen also, die sehr schnell zu ausufernden (und damit eher ermüdenden) Orgien des Wohlklangs werden können. Helmchen, Eberle, Sachse und Viersen produzieren sehr viel Wohlklang, diesen bei aller Emphase aber immer feinstens durchstrukturiert und zielgerichtet.
Und sie scheuen auch das Gegenteil nicht: Wenn etwa Brahms mit modalen Klängen spielt, lassen sie den Klang schon mal fahl und grau werden. Und wenn er im Adagio immer wieder zu diesem seltsamen Zwei-Ton-Motiv zurückkehrt, wagen sie sogar so etwas wie Stillstand.
Wenn Musik zum Hör-Spiel wird
Die beiden Umbesetzungen scheinen sich nicht weiter auf das Ensemble-Spiel ausgewirkt zu haben: Wer unbedingt nach Unschärfen suchen wollte, würde nicht sehr fündig werden, weit schwerer wiegen ein gemeinsamer Gestus, der für den Zuhörer vom ersten Ton an etwas Bannendes und später Mitreißendes hat, und das lustvolle Ausleben der wechselnden Allianzen, die in der Gattung Klavierquartett besonders ausgeprägt sind. Das kann dann zum Hör-Spiel im wahrsten Sinne werden: Die Streicherinnen spielen so homogen, dass oft erst das Auge Aufschluss gibt, wer da gerade so beseelt im Duo singt: Cello und Bratsche oder Cello und Geige oder Geige und Bratsche.
Viele Bravi und anhaltender Applaus für einen Abend wahrhaft großer Kammermusik, dessen Kraft das Quartett glücklicherweise nicht durch eine Zugabe aufweicht.