Wenn ein Streichquartett einen „ereignisarmer Kaugummi“ spielt und Mittzwanziger bei einem Glas Wein über das Leben Mozarts diskutieren, dann kann das nur eines bedeuten: Das MozartLabor ist in vollem Gange. Zum zweiten Mal treffen seit Sonntag beim Würzburger Mozartfest 50 internationale Stipendiaten, Wissenschaftler, Komponisten, Musiker, Medienschaffende, Kulturmanager, Produzenten und Interessierte in Workshops und Gesprächsforen aufeinander.
„Das dreitägige Labor ist das Kraftzentrum des neuen Mozartfestes“, sagt Intendantin und Labor–Erfinderin Evelyn Meining. Man habe diesen „offenen Schutzraum“ gegründet, um dem talentierten Nachwuchs eine Austauschplattform zu bieten. Den internationalen Teilnehmern, meist zwischen 19 und 29 Jahren, soll das Blickfeld erweitert werden, erklärt die 48-jährige Kulturmanagerin. Bei Diskussionsrunden, technischen und musikalischen Experimenten im Exerzitienhaus Himmelspforten wolle man Mozart in die Gegenwart holen. Herzstück dabei sind die „Offenen Proben“, bei denen bekannte Musiker Einblick in ihre Arbeit geben.
In das Praxis sieht das dann beispielsweise so aus: Montagvormittag, ein Seminarraum voller Stühle, gut die Hälfte ist belegt. Vorne sitzen vier junge Streicher mit ihren Instrumenten in einem Halbkreis, um sie herum wirbelt ein äußerst unterhaltsamer Dirigent, der in unterschiedlicher Betonung und Geschwindigkeit die Buchstabenfolgen „wam dam ti tamm“ summt.
„Diesem Ton fehlt eine Menge, der ist noch nicht erwachsen“, sagt der Siegener Dirigent und Musikwissenschaftler Reinhard Goebel und greift zur Geige. Die rund 20 Zuschauer beobachten seine Handgriffe ganz genau, versuchen jede Nuance der gespielten Töne zu erkennen. „Der Bogen kratzt ein bisschen, aber das bin wahrscheinlich ich“, sagt Goebel nach seinem kurzen Spiel lachend und fordert sein Quartett auf, es besser zu machen.
Martin Funda, Teresa Schwamm, Johanna und Peter-Philip Stämmler vom preisgekrönten Armida Quartett sind Masterschüler des Salzburger Dozenten und mit ihm nach Würzburg gekommen, um zu zeigen, was sie an Violine, Bratsche und Cello gelernt haben. Während Goebel die Varianten klassischer Musik theoretisch erläutert – ein Stück im Andante, in mittlerem Tempo, hört sich demnach wie ein „ein ereignisarmer Kaugummi“ an. Und beim Vibrato musste früher „möglichst viel wackeln“ – lassen die vier ihre Instrumente sprechen.
"Das ist mir vollkommen egal, ob's dir gefällt!" Im Labor des Mozartfestes darf man Profis bei der Arbeit zuschauen. Der Dirigent Reinhard Goebel ist ein richtiger Entertainer und lässt seine Stundenten einen "ereignisarmen Kaugummi" spielen. (Video: Meike Rost)
Posted by Main-Post Redaktion Würzburg on Montag, 1. Juni 2015
Ähnlich läuft es bei den anderen drei Quartetts und ihren Anleitern ab, die an diesem Montag parallel proben. Das musikalische Ergebnis der drei Tage wird beim Stipendiatenkonzert am Dienstag, 2. Juli, um 20 Uhr in der Residenz präsentiert und auch als Livestream auf www.mozartfest.de übertragen.
Dass die Musik von Mozart und seinen Zeitgenossen auch heute noch funktioniert, steht dabei für alle Teilnehmer außer Frage. Und über die richtige Interpretation der klassischen Stücke müsse man sich, so Dirigent Goebel, auch überhaupt nicht zanken: „Ich frage mich immer, warum man sich darüber streitet. Du spielst eben Bach wie du es willst. Und ich spiele Bach wie er es möchte!“
MozartLabor: An diesem Dienstag, 2. Juni, stehen drei Diskussionsrunden in Himmelspforten auf dem Programm. Von 9 bis 15.45 Uhr werden die Themen „Klassik als Etikett?“, „Mozart(festival) – Wozu?“ und „Klassische Musik im 21. Jahrhundert“ besprochen. Der Tagespass für Besucher kostet 8 Euro (erm. 5 Euro). Das Stipendiatenkonzert in der Residenz ist ausverkauft.