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Würzburg
Neu angekauft, neu aufgestellt, neu aufgehängt: Die städtische Sammlung im Kulturspeicher Würzburg legt einen Zahn zu
Das Museum im Kulturspeicher verfügt seit 2021 als eines der wenigen Häuser der Republik über einen Ankaufsetat. Was damit möglich ist, kann man ab sofort anschauen.
Kunstspeicher-Chefin Luisa Heese vor der vielleicht prominentesten Neuerwerbung ihres Hauses: 'Unterführung in Kitzingen' von Carl Grossberg, entstanden 1925.
Foto: Daniel Peter | Kunstspeicher-Chefin Luisa Heese vor der vielleicht prominentesten Neuerwerbung ihres Hauses: "Unterführung in Kitzingen" von Carl Grossberg, entstanden 1925.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 26.05.2023 02:31 Uhr

Die sogenannten Ständigen Sammlungen in städtischen Museen sind nicht selten die Abteilungen, in denen sich wenig tut. Kunstfreunde schauen  gelegentlich vorbei, um alte Bekannte auf Leinwand oder in Bronze zu besuchen, richten ihre Aufmerksamkeit aber eher auf die Wechselausstellungen, so denn welche stattfinden.

Das Würzburger Museum im Kulturspeicher durchbricht mit seiner jüngsten Präsentation – zu sehen ab sofort – dieses Muster. Die Räume der städtischen Sammlung waren ohnehin leergeräumt für die überregional vielbeachteten Ausstellungen "Die Errettung des Bösen" und "Mögliche und unmögliche Bilder" von Michael Müller, die am 19. März zu Ende gegangen sind. Danach kehrten die altbekannten Arbeiten nicht wieder einfach an ihre angestammten Plätze zurück.

Seit 2021 hat das Museum im Kulturspeicher einen Ankaufsetat

Luisa Heese und Henrike Holsing, die scheidende Leiterin und ihre Stellvertreterin, nutzen die Gelegenheit, um neue Schwerpunkte zu setzen. Deren auffälligster ist ein Raum, in dem nicht ein einziges vertrautes Bild hängt. Die fast 30 Arbeiten sind allesamt Neuerwerbungen, die in den vergangenen gut zwei Jahren getätigt wurden. Denn: Seit 2021 hat das Museum im Kulturspeicher einen Ankaufsetat. Der ist, betrachtet man die Preise auf dem Kunstmarkt, mit jährlich 60.000 Euro nicht unbedingt üppig bemessen. Bemerkenswert ist vielmehr, dass es ihn überhaupt gibt.

Neuanschaffung: Carl Grossberg, Unterführung in Kitzingen, 1925, Öl auf Leinwand.
Foto: Benjamin Hasenclever | Neuanschaffung: Carl Grossberg, Unterführung in Kitzingen, 1925, Öl auf Leinwand.

Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung, versichert deshalb die städtischen Entscheidungsträger seiner "Hochachtung". Ankaufsetats würden in den Museen der Republik immer seltener. "Und ein Haus ohne Etat ist praktisch tot." Deshalb: "Mein Kompliment an den Oberbürgermeister oder den Kulturreferenten, oder wer immer dafür verantwortlich ist."

Hoernes ist eigens zur Pressepräsentation aus Berlin angereist. Schließlich konnte eines der prominentesten Ausstellungsstücke – neben Beiträgen der unterfränkischen Kulturstiftung und des Freundeskreises Kulturspeicher – nur mit finanzieller Hilfe der Siemens-Stiftung erworben werden: das Gemälde "Unterführung in Kitzingen" von Carl Grossberg, entstanden 1925. "Dieses Bild kann keine andere Heimat finden", sagt Martin Hoernes.

In der historischen Abteilung hängen die Bilder nun an dunkelgrauen Wänden, was einerseits die Farben der Gemälde neu akzentuiert, andererseits dem  zweckmäßigen Raum selbst ein wenig nostalgische Behaglichkeit verleiht.
Foto: Daniel Peter | In der historischen Abteilung hängen die Bilder nun an dunkelgrauen Wänden, was einerseits die Farben der Gemälde neu akzentuiert, andererseits dem  zweckmäßigen Raum selbst ein wenig nostalgische Behaglichkeit ...

Fragt man den Generalsekretär, wie hoch der Ankaufsetat der Stiftung sei, antwortet er: "Wir sind der Ankaufsetat." Merkt man an, dass die Mittel selbst dieser an unzähligen Förderungen beteiligten Institution ja wohl nicht unbegrenzt seien, schüttelt Hoernes vielsagend den Kopf: "Ernst von Siemens hat uns sehr viel Geld hinterlassen..."

Das Prinzip ist bestechend einfach: Die Stiftung kauft auf Antrag der Museen Kunstwerke an und stellt sie diesen als Dauerleihgaben zur Verfügung. Einzige Bedingung: Die Arbeiten müssen konservatorisch angemessen aufbewahrt werden. Einzige Einschränkung: "Wir kaufen nur Kunst von nicht mehr lebenden Künstlerinnen und Künstlern, um nicht in den Markt für zeitgenössische Kunst einzugreifen", so Hoernes.

Mit den Neuankäufen kann das Museum historische Lücken zumindest verkleinern

"Mit den Neuankäufen können wir historische Lücken wenn nicht schließen, so doch verkleinern", sagt Luisa Heese. "Außerdem können wir die aktuelle Produktion in oder mit Bezug zur Region berücksichtigen." Im Falle Grossberg (1894-1940), der zeitweise in Würzburg und Sommerhausen lebte, hat sich die Lücke Neue Sachlichkeit verkleinert. "Gründungsdirektor Heiner Dikreiter setzte andere Schwerpunkte", sagt Heese.

Im NS-Staat galten auch Werke der Neuen Sachlichkeit als "entartet". Zur Erinnerung: Der Würzburger Stadtrat hat vor einem Jahr beschlossen, etliche Straßen umzubenennen, die nach Personen benannt waren, die in die Machtstrukturen des NS-Staats verstrickt waren. Unter ihnen: Heiner Dikreiter.

Meisterhafte Lichtstudie: Andi Schmitt, 'Zwielicht', 2020/21.
Foto: Rolf Nachbar | Meisterhafte Lichtstudie: Andi Schmitt, "Zwielicht", 2020/21.

Der Raum der Neuankömmlinge ist denkbar bunt und doch schlüssig zusammengstellt. Grossberg wird eingerahmt von einer meisterhaften landschaftlichen Lichtstudie des Randersackerers Andi Schmitt und zwei Fotografien des international renommierten Künstlers Andreas Gursky, die nach der Wechselausstellung "New Order" in Würzburg gehalten werden konnten. Das Thema Landschaft beziehungsweise Natur verstärken außerdem zwei Arbeiten von Elvira Lantenhammer ("Siteplan Germany" 1 und 2), eine Ascheausreibung von herman de vries oder – eine Schenkung der Erben – das Bild "Purpurblaues Nordlicht" von Jean Leppien (1910-1991), einem Vertreter der Konkreten Kunst.

Henrike Holsing hat für knapp 40 Arbeiten aus dem umfangreichen Nachlass der Bildhauerin Emy Roeder eine Landschaft aus weißen Podesten entworfen.
Foto: Daniel Peter | Henrike Holsing hat für knapp 40 Arbeiten aus dem umfangreichen Nachlass der Bildhauerin Emy Roeder eine Landschaft aus weißen Podesten entworfen.

Die historische Abteilung fällt vor allem mit neuer Farbgestaltung auf: Die Bilder von Lenbach, Bamberger, Leibl, Fehr oder von Gleichen-Russwurm hängen nun an dunkelgrauen Wänden, was einerseits die Farben der Gemälde neu akzentuiert, andererseits dem ansonsten nüchtern zweckmäßigen Raum selbst ein wenig nostalgische Behaglichkeit verleiht.

Einer der "großen Schätze der Sammlung" (Henrike Holsing) hat einen eigenen Raum bekommen: Die Skulpturen der in Würzburg geborenen Emy Roeder (1890-1971). Holsing hat für knapp 40 Arbeiten aus dem umfangreichen Nachlass der Bildhauerin eine Landschaft aus weißen Podesten unterschiedlicher Größen entworfen. Hier ist Roeders künstlerische Entwicklung quasi im Zeitraffer nachzuvollziehen: von expressionistisch über naturalistisch zu immer stärker abstrahierend.  

Museum im Kulturspeicher, Würzburg: geöffnet Di. 13-18 Uhr, Mi., Fr.-So. 11-18 Uhr, Do. 11-19 Uhr.

 
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