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Würzburg
Entscheidung in Würzburg: Hermann-Zilcher-Straße und weitere Straßen werden umbenannt
Knapp anderthalb Jahre währte die Debatte über NS-belastete Straßennamen in Würzburg. Am Donnerstag hat der Stadtrat entschieden. Wie die Debatte lief.
Wird nach dem Beschluss des Stadtrates umbenannt: Hermann-Zilcher-Straße im Würzburger Frauenland.
Foto: Thomas Obermeier | Wird nach dem Beschluss des Stadtrates umbenannt: Hermann-Zilcher-Straße im Würzburger Frauenland.
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:30 Uhr

Es war die umstrittenste Entscheidung, und doch ging sie am Ende überraschend klar aus. Nach mehr als einstündiger Debatte stimmten am Donnerstag 29 von 48 anwesenden Mitgliedern des Würzburger Stadtrates für die Umbenennung der nach dem Komponisten und Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher (1881-1948) benannten Straße im Würzburger Frauenland. Einstimmig beschlossen wurden zudem die Umbenennung der nach Nikolaus Fey, Carl Schadewitz, Heiner Dikreiter und Karl Ritter von Frisch benannten Straßen.

Die nach Armin Knab und Peter Schneider benannten Straßen werden wie geplant eine Kontextualisierung, also zusätzliche Informationen am Straßenschild, erhalten. Die Entscheidung über die Richard-Strauss-Straße wurde wie erwartet zurückgestellt. Mit Strauss und dessen Rolle während der NS-Zeit soll sich eine neue Straßennamen-Arbeitsgruppe befassen. Ebenfalls verschoben ist die Entscheidung über eine mögliche Umbenennung des Kardinal-Faulhaber-Platzes. Hierzu soll noch ein öffentliches Hearing unter Beteiligung von Fachleuten stattfinden.

Straßennamen-Debatte hatte sich bald auf Hermann Zilcher zugespitzt

Hintergrund der Entscheidungen sind die Ergebnisse des Berichts der Würzburger Straßennamenkommission. Die Kommission, der Fachleute und Mitglieder des Stadtrats angehörten, hatte ab 2016 Würzburger Namenspaten auf ihre Verstrickung ins NS-Regime untersucht. Bei allen neun genannten Namenspaten hatte die Kommission in dem Ende 2020 vorgestellten Bericht Handlungsbedarf gesehen und teils eine Umbenennung der Straßen oder eine Kontextualisierung empfohlen.

Im Stadtrat hatte sich die Debatte schnell auf Hermann Zilcher zugespitzt. Zilcher ist als früherer Direktor des Würzburger Konservatoriums (ab 1920) und vor allem als Begründer des Mozartfestes (1921) bis heute ein bekannter Name im Würzburger Kulturleben.

Laut Kommissionsbericht hat sich Zilcher "mit mehreren seiner Kompositionen in den Dienst der NS-Propaganda" gestellt und verfügte über intensive Kontakte zur regionalen NS-Prominenz, nicht zuletzt als Mitglied des Nazi-Stadtrats von 1939 bis 1945. Zudem habe er Eugen Vinnai (1889-1961), einen Vertreter der Bewegung der "Christlichen Wissenschaft", aus privaten Motiven bei der Gestapo angezeigt und ihn damit großen Gefahren ausgesetzt.

Vor allem ZfW-Stadtrat Wolfgang Baumann hatte Zilcher gegen die Vorwürfe verteidigt. Den Untersuchungen der Kommission, der er Einseitigkeit und selektives Vorgehen vorwirft, hatte Baumann umfangreiche eigene Nachforschungen gegenübergestellt, die er im Februar in einem knapp 100-seitigen Memorandum veröffentlicht hatte. Tenor: Zilcher habe von seinen Funktionen während der NS-Zeit nicht persönlich profitiert. Auch der Vorwurf der Denunziation bei der Gestapo stimme nicht. Hierzu hatte Baumann noch am Donnerstag einen Antrag eingereicht, nach dem der Stadtrat feststellen sollte, dass die Vorwürfe der Kommission "gegenstandslos" seien, was jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt wurde.

Wolfgang Baumann: Es werden Fakten ausgeblendet

In der Diskussion, der OB Christian Schuchardt hinterher eine "hohe Qualität" bescheinigte, war es letztlich um die Frage gegangen, wo unter den Bedingungen der Diktatur Mitläufertum endet und wo Mittun beginnt. Grünen-Stadtrat Konstantin Mack wies darauf hin, dass Hermann Zilcher 1939 von NSDAP-Gauleiter Otto Hellmuth zum Mitglied im Nazi-Stadtrat berufen worden sei und damit zu einer Zeit, als die Entrechtung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger vorangetrieben wurde – auch in Würzburg. Über den Raub jüdischen Eigentums in dieser Zeit habe Zilcher Bescheid gewusst.

Wolfgang Baumann führte dagegen unter anderem ins Feld, dass sich Zilcher gegen die Gleichschaltung des Würzburger Musiklebens gewandt und sich dabei auch mit Nazi-OB Theo Memmel angelegt habe. "Dass einfach Fakten ausgeblendet werden, kann ich als Rechtsanwalt nicht ertragen", sagte Baumann und wiederholte hinsichtlich Zilcher seine Kritik an der Arbeit der Kommission.

Stand im Fokus der Straßennamen-Debatte in Würzburg: Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher.
Foto: E. Groth-Schmachtenberger | Stand im Fokus der Straßennamen-Debatte in Würzburg: Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher.

Zuvor hatte CSU-Fraktionschef Wolfgang Roth angekündigt, seine Fraktion werde mehrheitlich gegen die Umbenennung stimmen, für eine Kontextualisierung seien jedoch alle Fraktionsmitglieder. Zilcher sei schon deshalb kein Profiteur des NS-Regimes gewesen, weil er seine großen persönlichen Erfolge – Leitung des Konservatoriums und die Begründung des Mozartfests – schon weit vor dem Beginn der NS-Zeit erreicht habe.

OB Schuchardt will Kontextualisierung aller personenbezogenen Straßenschilder

Als "schwierig" bezeichnet OB Christian Schuchardt den Fall Zilcher. Zwar würde man heute wohl keine Straße mehr nach Zilcher benennen, doch existiere er ohnehin in der Stadtgeschichte, sagte Schuchardt und kündigte an, für eine Kontextualisierung und damit gegen eine Umbenennung zu stimmen. Zugleich begründete Schuchardt seinen später auch so beschlossenen Antrag, Zug um Zug alle personenbezogenen Würzburger Straßenschilder mit Kontextualisierungen zu versehen.

Es gehe immer um die Rolle, die ein Mensch in seinen Funktionen in einer Gesellschaft einnimmt, sagte FDP-Stadtrat Joachim Spatz. Zilcher habe letztlich zur Stabilisierung des NS-Systems beigetragen. "Der Vorbildcharakter ist bei den vorliegenden Umständen einfach nicht gegeben", sagte Spatz. Das sah die Mehrheit im Stadtrat am Ende der eineinhalb Jahre währenden Debatte dann offenbar genauso.

Auf die Entscheidung des Stadtrats folgt nun allerdings nicht unmittelbar die Umbenennung. Diese geschieht erst, wenn der Stadtrat neue Namen beschlossen hat. Zudem hatte der Stadtrat bereits im Februar 2021 entschieden, dass die Stadt nach der Umbenennung von den betroffenen Anwohnern für die nötigen amtlichen Dienstleistungen keine Kosten oder Gebühren erhebt.

 
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  • F. S.
    Der Vorschlag des OB, alle Straßennamen zu kontextualisieren, ist garnicht so schlecht. In diesem Zusammenhang schlage ich vor, die Texte über QR-Codes am Straßenschild abzurufen, die dann auch flexibel geändert werden können. Man weiß ja nicht, wie der nächste Stadtrat das sieht...
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  • W. T.
    Die Anwohner sollten schon mal ihre Rechnungen an die Stadt stellen für den Kostenaufwand Änderung im Personalausweis Mitteilungen an Versicherungen,Zeitaufwand usw.
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  • A. S.
    Wer ist eigentlich dieser Mack? Noch grün hinter den Ohren ist das einer dieser Ich-kann-Google-bedienen-Wissenschaftler, die nur Schwarz und Weiß, Nazi und Kein-Nazi kennen. Jemanden wie Hermann Zilcher kann man nicht aus der Stadtgeschichte tilgen, sonst müsste konsequenterweise auch das Mozartfest gestrichen werden. Eine Kontextualisierung wäre doch gut und sinnvoll gewesen, aber nach heutigen Maßstäben über Menschen zu urteilen, die in einem totalitären Staat gelebt haben, liegt mir sehr fern. Aber in diesem mehrheitlich grünen Stadtrat zählen nur scheinbar gute Zeichen. Eine beschämende Entscheidung für Würzburg!
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  • J. K.
    @asazyma

    Beschämend finde ich Kommentatoren, die nur noch einen rot-grünen Beißreflex haben. Und hinter den Ohren vielleicht noch eine Mischung aus beiden Farbtönen. Zilcher soll und kann nicht aus der Stadtgeschichte getilgt werden, diese Debatte beweist ja genau, daß der Stadtrat und auch etliche Bürger*innen, sich mit seiner Person auseinandersetzen.Und dabei kommen leider auch die braunen Flecken auf der Weste zum Vorschein, was heute - gottseidank - bedeutet, daß er zum Vorbild in moralischer Hinsicht nicht mehr taugt.
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  • H. S.
    https://konstantin-mack.de/ueber-mich/
    Man muss sich daran gewöhnen, dass solche unreifen (statt grünen) Jungs politische Entscheidungen fällen, die auch das Leben der Älteren betreffen und verändern. Dass die Jugend mitmischt und ihre Ideen einbringt, ist in Ordnung. Aber sie haben halt noch keine Lebenserfahrung und laufen Gefahr, mit ihrem Ungestüm gewachsene und bewährte Strukturen zu zerstören. Die Alt-GRÜNEN der 68er sind schon lange im Establishment angekommen. Ihre Enkel probieren den Aufstand erneut.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Na, da bin ich ja mal gespannt, wie lange es dauern wird, bis der Stadtrat sich auf neue Straßennamen geeinigt hat....
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  • N. K.
    Gibt es eigentlich noch das Hermann Zilcher Konservatorium oder wurde das schon länger umbenannt?
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  • S. C.
    Soso. Eine "überraschend klare Entscheidung". 29 von 46 , das sind gerade mal 60% , also alles andere als "klar". (Zum Verständnis: hätten zehn Leute abgestimmt, hätte sich nur einer umentscheiden müssen, dann wäre es ein Patt.)

    Meiner Meinung nach hätte ein Zusatzschild "im dritten Reich umstritten" oder dgl. gereicht. Denn seine früheren Leistungen werden durch das Verhalten zur Nazizeit ja nicht geschmälert.
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  • K. B.
    @Nogel schrieb: ’... das sind gerade mal 60% , also alles andere als "klar".’
    Hhhmmm... 60% sind 60% sind 60%...

    Und @Nogel schrieb noch: ..."im dritten Reich umstritten"...

    Grober Denkfehler.
    Hermann Zilcher war natürlich im sog. III. Reich alles andere als 'umstritten'!
    Vielmehr stand er auf Hitlers 'Gottbegnadetenliste', war Mitglied des Nazistadtrates, und zwar in der Fraktion der Widerstandskämpfer, usf.
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  • S. C.
    Mann mann, Sie wissen genau, wie es gemeint war: "sein Verhalten im Dritten Reich ist umstritten".

    Und ja, 60% sind 60%, und nunmal KEINE "überraschend klare" Entscheidung.
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  • K. B.
    @nogel : Natürlich wusste ich was Sie meinten... mannomann.

    Aber Ihre Verbesserung ist weiterhin falsch. Sie schreiben "ist umstritten". Die Faktenlage ist aber nun über Jahre hinweg klar analysiert worden, da ist nichts 'umstritten'!

    Umstritten ist lediglich die Bewertung des Fehlverhaltens des Zilcher.
    Dies aber auch nur, wenn Sie sich die Meinung – und mehr ist es nun wirklich nicht – des RA Baumann oder der als Fraktion gegen die Umbenennung stimmenden sog. CSU zu eigen machen würden.

    Darüber hinaus mokieren Sie sich über den Begriff "überraschend klar".
    Auch das interpretieren Sie falsch. Herr Schleicher hat in den vergangenen Wochen über die Abstimmungen der diversen Ausschüsse berichtet. Da gab es ein knappes Ergebnis. Deshalb ist das 60:40%-Ergebnis auch für mich etwas 'überraschend'. Ich hatte ein knapperes erwartet. Zum Glück hat sich aber die Mehrheit gegen eine Blamage der Stadt Würzburg entschieden.
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  • K. B.
    Ich schrieb: "Man sollte schon das Abstimmungsergebnis mitteilen im Falle HZ..."

    Bitte Satz 1 streichen. Natürlich steht das Ergebnis im Text.
    Pardon!
    Ich hatte das übersehen.
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  • K. B.
    Man sollte schon das Abstimmungsergebnis mitteilen im Falle HZ:

    29 Stimmen für die Umbenennung, 19 dagegen. So habe ich es gestern mitgeschrieben.

    Das war eine anstrengende Debatte! Die fortwährenden Versuche des Herrn Baumann, die Arbeit der Kommission in Misskredit zu bringen, sind gescheitert: gut so!
    Eine seiner Aussagen hat mich sehr empört (fast wörtlich erinnert):

    "Zilcher ist hier geblieben, Bruno Walter ist ausgewandert und hat eine große Karriere gemacht".

    Jeder, der nur ein Gran an kultureller Bildung im Umfeld der Musik besitzt, weiss, dass Bruno Walter Jude war!
    Wäre er nicht ausgewandert, hätten sie ihn umgebracht.
    Es verschlug mir gestern die Sprache!

    Alle, die die "großartige Musik" (so ein Würzburger Dirigent) vom HZ lieben, dürfen sie weiterhin unbehelligt aufführen. "In mehr als 30 Ländern", so Herr Baumann. Oder sagte er gar "40"?
    Was wollen die Zilcher-Freunde denn mehr?
    Hat man Angst um ausbleibende Tantiemen?
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  • W. V.
    Bruno Walter hat nicht erst nach der Auswanderung Karriere gemacht. Seine Karriere in Deutschland wurde aber abrupt beendet.
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