- Was ist das für eine Ausstellung? Der Würzburger Kulturspeicher zeigt Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafik von Ludwig von Gleichen-Rußwurm (1836-1901), einem der ersten Künstler, die den Impressionismus von Frankreich nach Deutschland holten. Es ist die erste große Retrospektive eines Künstlers, der zu Lebzeiten großes Ansehen genoss, nach seinem Tod aber in Vergessenheit geriet.
- Wer ist der Künstler? Ludwig von Gleichen-Rußwurm wurde 1836 auf Schloss Greifenstein in Bonnland (heute Truppenübungsplatz) südlich von Hammelburg geboren. Er war der einzige Enkel Friedrich Schillers und setzte sich ein Leben lang mit den neuesten Entwicklungen in der Malerei auseinander. Er konnte das mit einiger Freiheit tun, da er dank seiner aristokratischen Herkunft nicht auf Verkäufe angewiesen war.
- Was ist an seinem Werk besonders? Die Ausstellung zeigt Arbeiten, die noch in der Tradition des Realismus stehen, bis hin zu solchen, die über den Impressionismus hinausgehen. So wird ein lebenslanger Lernprozess nachvollziehbar – wobei von Gleichen-Rußwurm in jeder Schaffensphase mit seinen berühmten Zeitgenossen mehr als mithalten kann. Ein Spaziergang durch 30 Jahre Kunstgeschichte und, mehr noch, durch wunderbare Landschaften voller Licht und Farbe.
Kaum zu glauben, aber hin und wieder tauchen doch noch zu Unrecht vergessene Meister auf. Ludwig von Gleichen-Rußwurm ist ein solcher: der erste deutsche Impressionist. Henrike Holsing, die die umfassende Retrospektive kuratiert hat, führt das Vergessen auf den frühen Tod des Künstlers zurück: Als er 1901 starb, stand die große impressionistische Welle in Deutschland erst bevor. Namen wie Liebermann, Slevogt und Corinth sollten zu Marken werden, nicht der des adeligen Malers aus Unterfranken. Der Kulturspeicher, der am 22. Februar 20. Geburtstag feiert, rückt ihn nun wieder ins Rampenlicht. Ein würdiger Geburtstagsgast.
Als finanziell unabhängiger Aristokrat hatte es von Gleichen-Rußwurm zudem nie nötig, Bilder zu verkaufen. Er war zwar zu Lebzeiten auf vielen bedeutenden Ausstellungen vertreten, unter anderem dreimal bei der Berliner Secession, nach seinem Tod aber gelangten nur selten Arbeiten von ihm auf den Kunstmarkt.
Dass sein Nachlass in Würzburg gelandet ist, liegt daran, dass Sohn Alexander 1938 Schloss Greifenstein räumen musste, als Bonnland zum Truppenübungsplatz wurde. Gegen eine Leibrente überließ er der Stadt den künstlerischen Nachlass seines Vaters, der einst in der Domstadt das Gymnasium besucht hatte.
Ludwig von Gleichen-Rußwurms zeichnerisches Talent war bereits früh aufgefallen, ein spätbiedermeierliches Familienporträt zeigt ihn mit einem Stift in der Hand. Aber erst nach dem Tod seiner Frau Elisabeth 1865 begann er ernsthaft künstlerisch zu arbeiten. Er ging zum Studieren an die Kunstschule Weimar und wurde seinerseits zu einem wichtigen Vertreter der Weimarer Malerschule, die für realistische Landschaftsmalerei stand. Aus Weimar auch kommen einige Leihgaben der Ausstellung, die ansonsten weitgehend vom eigenen Bestand lebt.
Die große Wende kam, als der Künstler erstmals ein Bild von Claude Monet sah
Ein kleinformatiges, eher unscheinbares Aquarell von 1876 präsentiert Henrike Holsing mit besonderer Befriedigung, es trägt den Titel "Wald von Fontainebleau": "Das ist der Beweis, dass von Gleichen-Rußwurm die Schauplätze der Barbizon-Schule besucht hat", so Holsing. Barbizon – die Malerkolonie, die dem Impressionismus gewissermaßen den Weg bereitete.
Der wichtigste Anstoß aber kam vom Großmeister überhaupt: 1889 sah von Gleichen-Rußwurm zum ersten Mal ein Bild von Claude Monet. Sogar gleich drei davon: Der Kunstkritiker Emil Heilbut hatte zu einem Vortrag Originale aus der eigenen Sammlung mitgebracht. Bereits im selben Jahr sieht man die Veränderung: Von Gleichen-Rußwurms Pinselstrich wird breiter, die Farben direkter, das Licht leuchtender. Schon 1891 waren seine Bilder mit solchen von Monet im Münchner Glaspalast zu sehen.
Nie malt Ludwig von Gleichen-Rußwurm im Stile der Künstler, die er studiert
Das Bild "Die große Bleiche" von 1889 ist das erste, in dem der Entwicklungssprung offensichtlich ist. Unter einem ansonsten bedeckten Himmel erleuchtet ein großer Fleck Sonnenlicht die Wäscherinnen auf der Wiese, während ein jäher Windstoß einen Baum im Vordergrund zaust. Hier ist die frische Luft förmlich zu spüren – kühl im Schatten, verheißungsvoll warm im Licht.
Beeindruckend ist auch, dass Ludwig von Gleichen-Rußwurm nie im Stile der Künstler malt, die er studiert. Nie sieht etwas aus wie Renoir, Monet, Sisley oder Pissarro. Immer ist das eigene Erleben, die eigene Auseinandersetzung, der eigene Zugriff zu spüren. Es sind die Arbeiten eines Malers, der keine Moden ausnutzen, auf keinen Wellen reiten musste. Eines Künstlers, der sich ebenso gelassen wie unprätentiös um seine eigene Wahrhaftigkeit bemühte. Und das ist ausgesprochen sehenswert.
Kulturspeicher Würzburg: "Landschaften im Licht. Der Impressionist Ludwig von Gleichen-Rußwurm", bis 15. Mai. Geöffnet: Di. 13-18 Uhr, Do. 11-19 Uhr, Mi., Fr., Sa., So. 11-18 Uhr. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm und einen umfassenden Katalog (30 Euro). Weitere Infos unter www.kulturspeicher.de
In einer früheren Version dieses Artikels war Ludwig von Gleichen-Rußwurms Herkunftsort in der Rhön verortet. Eine Leserin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Schloss Greifenstein in Bonnland nicht in der Rhön liegt. Vielen Dank dafür! Wir haben die Stelle korrigiert.