
100 Jahre Mozartfest Würzburg. Was 1921 mit einer Musik- und Theaterwoche in der Residenz begann, feiert im kommenden Jahr runden Geburtstag. Oder, wie Kulturreferent Achim Könneke bei der Vorstellung des Programms für die Jubiläumssaison in Anspielung auf den berühmten Mozart-Brief sagte: "Es ist unglaublich, was eine gute Tasse Kaffee alles anrichten kann." Evelyn Meining, seit 2014 Intendantin des Festivals, fasst die Konzeption in eine ebenso einfache wie vielseitig anwendbare Formel: "Mozart-Bilder". Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Im historischen, soziologischen, philosophischen wie im musikalischen Kontext.
Es wird weit mehr als eine Aneinanderreihung von Konzerten werden. Das zeigte schon die multimediale Präsentation im Raum "The Curve" des Vogel Convention Centers. The Curve ist eine 21 Meter breite geschwungene Leinwand, auf die raumfüllende Bilder projiziert werden können. Bilder zu Programm und Geschichte des Mozartfests oder der zwölfminütige Film "Mozart Searches", eine Auftragsarbeit des Studiengangs Musikjournalismus der Musikhochschule Karlsruhe. Er zeigt das Salzburger Genie im vergnüglichen Dialog mit einer Suchmaschine.

Das Mozartfest, anerkanntermaßen längst kein reines Musikfestival mehr, wagt mit einem Etat von vier Millionen Euro für 2021 das volle Programm: 85 Konzerte an 30 Spielorten vom 28. Mai bis 27. Juni. Ab sofort nimmt das Büro verbindliche Kartenvorbestellungen entgegen, tatsächliche Zusagen aber kann es erst acht Wochen vor dem Start geben – die Gründe liegen auf der Hand, wobei die zentrale Unsicherheit eben darin besteht, dass heute noch niemand wissen kann, wo hoch die erlaubten Zuschauerzahlen im Juni 2021 sein werden.
Und auch wenn Evelyn Meining sagt, "es ist kein Jubiläum, das Mozart feiert, sondern das Fest, das ihm eine Bühne gegeben hat", so geht es wohl um nichts weniger als die umfassende Auseinandersetzung mit dem Phänomen Mozart. Ein Gemälde (oder eben viele Gemälde), das nicht nur die Geschichte des Mozartfests selbst vor dem Hintergrund jeder Menge Zeitgeschichte wie Weltwirtschaftskrise, Weltkrieg, Wirtschaftswunder oder Wiedervereinigung beleuchtet, sondern auch all die Mythen, Verklärungen, Heroisierungen zur Person Mozart und die vielen Ansätze oder gar Ideologien zur Interpretation seiner Musik.

Der Brief
1790 reiste Wolfgang Amadé Mozart von Wien nach Frankfurt. In Würzburg trank er die berühmte Tasse Kaffee, von der er seiner daheimgebliebenen Frau Constanze schrieb: "– zu Würzburg haben wir auch unsere theuere Mägen mit koffè gestärkt, eine schöne, prächtige Stadt". Professor Ulrich Konrad, Ordinarius am Institut für Musikforschung der Universität Würzburg, hat erstmals Mozarts Reise anhand des Briefs vollständig rekonstruiert. Er hat das Schreiben in verständliche Sprache übertragen, kommentiert, Anspielungen erläutert. Zusammen mit einem Faksimile des Briefs ist die 24-seitige Edition beim Mozartfestbüro unter info@mozartfest.de erhältlich (Versand ab 14. Dezember).
Das Buch
Soeben beim Bärenreiter-Verlag erschienen ist "Mozart interpretieren", das Buch zum Jubiläum, herausgegeben von Stephan Mösch. Untertitel: "Weil jede Note zählt" (Alfred Brendel). Die 407 Seiten (29,99 Euro) gliedern sich in drei Teile: Gespräche mit Mozartfest-Künstlern wie Alfred Brendel, Brigitte Fassbaender, Christian Gerhaher oder Tabea Zimmermann, fünf wissenschaftliche Essays und eine umfassende Chronik, die die Geschichte des Festivals nachzeichnet und in den internationalen Kontext einordnet. Was oft vergessen wird: Ein Mozartfest in der Residenz wurde nur möglich, weil der Palast nach dem Ende der Monarchie 1918 plötzlich der Bürgerschaft offen stand.
Die CD-Box
1000 Live-Mitschnitte von Mozartfest-Konzerten aus sieben Jahrzehnten, meist des Bayerischen Rundfunks, hat das Mozartfest-Team identifiziert und daraus Material für eine Box mit sechs CDs zusammengestellt, die im Mai erscheinen soll (Orfeo, voraussichtlich 39,95 Euro). Zwei CDs mit Sinfonien, zwei mit konzertanten Werken, je eine mit Vokal- und mit Kammermusik. Nur bislang unveröffentlichte Aufnahmen, nur ganze Werke, nur Mozart. Die 18-jährige Martha Argerich, die 1959 da war, schied deshalb aus. Auch Nikolaus Harnoncourt und Fritz Wunderlich fehlen. Deren Konzerte wurden schlicht nicht mitgeschnitten.

Die Ausstellung
In drei Räumen des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg in der Residenz ist von 15. Mai bis 11. Juli "Imagine Mozart – Mozart Bilder" zu sehen. Die Ausstellung zeigt mit 60 Exponaten, wie Mozart über 200 Jahre bildende Künstler fasziniert und inspiriert hat. Ausgehend von originalen Notentexten, dem Brief Mozarts, der als Leihgabe aus Jerusalem kommt, und dem Mozart-Porträt von Joseph Lange, dem Würzburger Schwager Mozarts, werden Arbeiten von Delacroix, Klee, Kokoschka, Schinkel oder Slevogt zu sehen sein.
Die Vorträge
Anstelle des Mozart-Labors tritt im Jubiläumsjahr die Vortragsreihe "Wie viel Mozart braucht der Mensch?", für die auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters angefragt ist. Erörtert werden soll etwa die Frage, wie sich die Beschäftigung mit Hochkultur im Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen rechtfertigt. Um es mit Thomas Girst zu sagen, verantwortlich für das globale Kulturengagement bei BMW: "Wie viel ist uns die Kultur tatsächlich wert?"

Die Auftragswerke
Zwei Komponisten und eine Schriftstellerin hat das Mozartfest mit Auftragsarbeiten betraut: Jüri Reinvere, Anno Schreier und Ulla Hahn. Reinvere und Schreier werden Orchesterwerke beisteuern, Ulla Hahn, in der Pressekonferenz per Videobotschaft zugeschaltet, eine szenische Erzählung zu Musik von Kit Armstrong. Hahn wie Armstrong befassen sich intensiv mit den kreativen Potenzialen künstlicher Intelligenz. So hat Armstrong drei Gedichte von Ulla Hahn vertont, eines davon mittels eines von ihm geschaffenen Algorithmus'. Hahn: "Welches? Das ist nicht zu hören." Ein mehrschneidiges Thema: "Sind wir Geistesarbeiter auf dem besten Weg, uns überflüssig zu machen?"
Die Musik
Musik gemacht wird natürlich auch: im Kaisersaal, im Dom, im Zentrum Shalom Europa, in der Blauen Halle, auf der Ladefläche des Musik-Lkw "Blauer Eumel" oder in Würzburger Wohnzimmern. Und in den Mozartstädten Prag, London, Mailand, Wien, Paris und London. Schließlich war der Meister zehn Jahre und damit fast ein Drittel seines kurzen Lebens (1756-1791) auf Reisen. Die dort als Botschafter des Mozartfests auftretenden Künstler werden ihre Programme als "Europakonzerte" anschließend in Würzburg spielen.
Es wird ein vertanztes Requiem geben (Choreografie: Anna Vita), konzertante bis halbszenische Versionen von "Idomeneo" und Webers "Freischütz", ein Programm in Erinnerung an Alma Rosé, Nichte Mahlers, Leiterin des "Mädchenorchesters" und schließlich ermordet in Auschwitz. Artiste Étoile gibt es – außer Mozart selbst – diesmal übrigens keinen. Es wäre, so Evelyn Meining, schwierig gewesen, in diesem Ausnahmejahr eine bestimmte Persönlichkeit hervorzuheben.
Die Vorbehalte
Wie viel Corona-Vorbehalt steht über all dem? Jede Menge. Aber: Würzburg war 2020 eine der wenigen Städte, die nicht absagte und damit trotz abgespeckter Version eines des größten Festivals des Jahres ausrichtete, wie Oberbürgermeister Christian Schuchardt in seinem Grußwort sagte: "Auf Dynamik verstehen wir uns in dieser Stadt." Und Achim Könneke fügte bei allen Konzessionen an die Unwägbarkeiten der Pandemie später hinzu: "Das Mozarfest-Jubiläum wird stattfinden. Da sind wir ganz sicher."
Vorverkauf: Schriftliche Vorbestellung ab sofort unter Mozartfest Würzburg, Rückermainstraße 2, 97070 Würzburg, oder info@mozartfest.de - Telefonisch ab 14. Dezember: (0931) 37 23 36. Das vollständige Programm im Netz: www.mozartfest.de