Eine schlechte Nachricht für Aschaffenburg: Wolfgang Amadé Mozart (1756 - 1791) hat dort nie übernachtet. Grundlage für diese nun widerlegte Annahme war derselbe Brief, aus dem auch Würzburg seine Verbundenheit zu Mozart ableitet: Am 28. September 1790 schrieb Mozart, damals Kompositor der k.k. Kammermusici am kaiserlichen Hofe zu Wien, aus Frankfurt an seine daheim gebliebene Frau Constanze. Schilderte die sechstägige Reise mit den diversen Etappen, angenehmen und weniger angenehmen Erlebnissen und erwähnte eben auch die berühmte Tasse Kaffee, die 131 Jahre später Vorwand sein sollte, ein ganzes Festival in seinem Namen zu gründen: "– zu Würzburg haben wir auch unsere theuere Mägen mit koffè gestärkt, eine schöne, prächtige Stadt".
Professor Ulrich Konrad, Ordinarius am Institut für Musikforschung der Universität Würzburg, hat nun erstmals Mozarts Reise anhand des Briefs vollständig rekonstruiert. Er hat das Schreiben in eine für heutige Leser verständliche Sprache übertragen und kommentiert, Anspielungen erläutert und das ganze Reise-Unterfangen, damals eine kostspielige Expedition, in den historischen Kontext eingeordnet.
Und tatsächlich schreibt Mozart, die Übernachtung auf der Etappe Würzburg-Frankfurt habe "nur 2 und 1/2 Post von hier zu Aschaffenburg" stattgefunden – rechnet man die Entfernung nach, landet man in Dettingen am Main. "Die Dettinger können sich also künftig schmücken, Mozart eine Übernachtungsmöglichkeit geboten zu haben", sagte Konrad bei der Vorstellung seiner Arbeit in der Würzburger Neubaukirche im Rahmen einer kleinen Vorschau auf das Jubiläumsmozartfest 2021.
Wie der notorisch klamme Mozart die Reise finanzieren konnte, ist nicht bekannt
Der Brief, einseitig geschrieben auf schlechtes Papier, ist im Original erhalten geblieben. Er wird als Leihgabe der israelischen Nationalbibliothek Jerusalem in der Begleitausstellung zum Mozartfest 2021 im Martin von Wagner Museum zu sehen sein. Bis dahin kann man das schwer lesbare Dokument nun erstmals als Faksimile betrachten. Es liegt in Originalgröße einer 24-seitigen Edition mit Ulrich Konrads Texten bei, die das Mozartfest mit finanzieller Unterstützung seines Freundeskreises soeben herausgebracht hat.
Besonders Konrads Einordnung der Reise in den historischen Kontext und seine Rekonstruktion des Aufenthalts in Würzburg sind aufschlussreich. Mozart reiste nach Frankfurt, weil dort der neue Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Leopold II., gekrönt werden sollte. Die mehrtägige Zeremonie war eine Abfolge aufwändigster Veranstaltungen, die alle anlockten, die sich an höchster Stelle in Erinnerung rufen wollten. Ein "Mega-Event" (Konrad), zu dem 20 000 Angehörige des Hochadels anreisten.
Mozart war als Komponist (vor allem für Tänze zur Faschingszeit) zwar Angestellter des Kaisers, aber nicht Mitglied der mitgereisten Hofkapelle um Antonio Salieri. Dabei sein wollte er dennoch, also reiste er auf eigene Faust an. Und auf eigene Kosten. Die offensichtlich komfortable Kutsche (Mozart schreibt, er wolle ihr "ein busserl" geben), ob gekauft oder gemietet, konnte er sich wohl kaum leisten. Wie der notorisch klamme Komponist sie finanzierte, ist nicht überliefert, möglicherweise halfen Gönner.
Mit der Postkutsche dauerte die Reise zehn Tage. Mozart schaffte sie in sechs
Mit der Postkutsche hätte man für die 96 Landmeilen (720 Kilometer) von Wien nach Frankfurt zehn Tage gebraucht, weil nachts in den Poststationen gerastet werden musste. Als Individualreisende schaffte es Mozarts dreiköpfige Gesellschaft mit eigenem Kutscher in nur sechs Tagen, weil auch nachts gefahren werden konnte. Nürnberg gefiel Mozart übrigens wegen der vielen Fachwerkhäuser, die als rückständig galten, gar nicht ("eine hässliche Stadt"), Würzburg umso mehr. Ulrich Konrad führt das darauf zurück, dass er vor allem die Residenz gesehen hat.
Der Musikforscher hat auch herausgefunden, wo Mozarts Kutsche und Pferde untergestellt wurden (in der Semmelstraße). Und dass die Domstadt damals eines der wenigen "Hotspots" (Konrad) für Kaffeeliebhaber in Süddeutschland war: Es gab hier mindestens neun Kaffeehäuser. In welchem Wolfgang Amadé und seine Begleiter damals einkehrten, lässt sich heute allerdings nicht mehr feststellen. Sollte er seiner Gewohnheit gemäß das erste Haus am Platz aufgesucht haben, wäre das "Zum Schönbrunnen" in der Domstraße gewesen. Das neuartige Heißgetränk war durch sogenannte "Beutetürken" in Mode gekommen. Die erste Konzession hatte 1697 ein Johann Ernst Nicolauß Strauß erhalten – vor seiner (Zangs-)taufe Mehmet Sadullah Pascha.
Für den Musiker Mozart war Würzburg damals uninteressant
Anhand einer Militärkarte und eines Stadtplans aus den 1790er Jahren hat Ulrich Konrad außerdem Mozarts Weg von Rottendorf kommend nach Würzburg hinein und auch wieder hinaus nachvollzogen. Mit Kollegen in der Stadt nahm der Komponist damals allerdings keinen Kontakt auf. Es hätte sich auch kaum gelohnt. Denn mit Franz Ludwig von Erthal war 1779 ein Asket Fürstbischof geworden, der kein Interesse an Musik hatte und die Hofkapelle so stark verkleinert hatte, dass sie gerade noch zu Gottesdiensten spielen konnte.
Die 24-seitige Edition mit Faksimile des Mozartbriefs, Kommentaren und Essay von Prof. Ulrich Konrad kann beim Mozartfestbüro unter info@mozartfest.de vorbestellt werden und dann ab dem 14. Dezember zugeschickt oder abgeholt werden. Preis: 16,95 Euro zuzüglich Porto.
Eine opulenter gestaltete Teilauflage von 200 Exemplaren ist gegen Spende über den Freundeskreis Mozartfest erhältlich: freundeskreis@mozartfest.de
Exemplare eines Konvoluts von 50 signierten Luxus-Exemplaren in Schatulle wiederum sind Ehrengästen wie dem Bundespräsidenten vorbehalten, können aber auch beim Mozartfest 2021 ersteigert werden.