Sie wirken von ihrem Wesen recht unterschiedlich, und doch haben sie Historisches gemein: Als zwei von vier deutschen Starterinnen bei der Triathlon-WM vertreten Carolin Lehrieder (33) und Laura Zimmermann (31) erstmals die Stadt Würzburg und ihren Verein SV Würzburg 05 an diesem Samstag (7. Mai) in St. George im US-Bundesstaat Utah beim Ironman. Wegen der Corona-Pandemie werden die 2020 zunächst abgesagten und dann wiederholt verlegten Titelkämpfe erstmals seit 1978 nicht auf Hawaii ausgetragen.
Im gemeinsamen Interview-Triathlon mit dieser Redaktion sprachen Lehrieder, studierte Lehrerin, und Zimmermann, Sportwissenschaftlerin und Zahnärztin, vor ihrem Abflug in die USA über ihre Vorbereitung unter herausfordernden Bedingungen, ihre WM-Ziele - und über ihre Ängste.
Drei Tage nach ihrer Ankunft in St. George und sechs vor der WM veröffentlichte Lehrieder am Sonntag auf ihrem Instagram-Kanal einen Post, in dem sie mitteilte, dass sie mit gesundheitlichen Schwierigkeiten zu kämpfen habe, seit sie in Utah sei. "Alles, was ich tun kann, ist hoffen, dass sich mein Körper schnell erholt", schrieb sie. "Die Hoffnung stirbt zuletzt."
Carolin Lehrieder und Laura Zimmermann: (lachen) Gut!
Zimmermann: Oh Gott!
Lehrieder: Mit Utah? Wer soll das sein? (beide überlegen)
(beide lachen laut)
Lehrieder: Maxi, verzeihe, aber die NBA zieht tatsächlich etwas an mir vorbei. Bei den Baskets (s.Oliver Würzburg, Anm. d. Red.) bin ich tiefer verankert.
Zimmermann: Ich war auch schon mal bei einem Baskets-Spiel, interessiere mich auch für Ballsport, und Maxi Kleber ist mir grundsätzlich ein Begriff. Aber die NBA verfolge ich auch nicht.
Lehrieder: Na gut, aber wenn es ein Rekord war, dann schätzte ich jetzt einfach mal: Acht.
Lehrieder: Juhu! 1:0 für mich. (lacht)
Lehrieder: Ich würde mich niemals auf eine Ebene mit Maxi Kleber stellen, aber auch ich möchte den Sport aus meiner Stadt heraustragen und repräsentieren. Schließlich bin ich 100 Prozent Würzburg. Ich bin hier geboren, hab durchgängig hier gelebt und seit 2007, als ich meinen ersten Triathlon absolviert habe, starte ich für den SV Würzburg 05. Ich fühle mich mit der Stadt verbunden, sie ist meine Heimat, und es macht mich stolz, auch mit ihr verbunden zu werden. Zuletzt im Trainingslager in Kroatien hat mir einer hinterhergerufen: "Ah, Würzburg ist auch da!" (lacht)
Zimmermann: Mich verbindet das Studium mit Würzburg. Ich bin im 2010 zum Zahnmedizin-Studium hierhergezogen. Nach dem Examen 2016 habe ich für ein paar Jahre in Baiersbronn im Schwarzwald gelebt, weil mein Freund, der aus Randersacker kommt, dort arbeitet. Corona hat mich Ende Dezember 2020 wieder zurückgeführt. Mit dem SV 05 hatten wir hier die Möglichkeit, Zugang zum Adami-Bad zu bekommen. Seither bin ich in der Luxussituation, dass ich hier die optimalen Trainingsbedingungen nutzen kann, aber auch immer wieder in den Schwarzwald fahre und dort bergige Radstrecken habe.
Zimmermann: Ich weiß gar nicht, was es genau ist, aber irgendwas an Würzburg zieht mich an. Als ich weg war, war ich immer ein bisschen wehmütig und wollte gerne wieder zurück. Seit ich Triathlon mache, starte ich für den SV 05 Würzburg. Ihm fühle ich mich auch verbunden.
Lehrieder: Seit Laura bei uns im Verein aufgetaucht ist. Ihren ersten Triathlon haben wir sogar gemeinsam gemacht, das war ein Teamwettkampf in München auf der Regattastrecke. Laura war recht aufgeregt, und gerade das Schwimmen war noch eine Herausforderung. Wir hatten besprochen, dass einer vorne schwimmt und Tempo macht und die etwas Schwächeren hintendran folgen. Meine Aufgabe war es, zu schauen, dass niemand verloren geht. Irgendwann hat Laura mir mit ihrem Arm eine Kopfnuss gegeben und statt einfach schnell weiterzuschwimmen, hat sich hochgeschaut und "Entschuldigung" gesagt. Und ich so: "Schwimm!"
Zimmermann: (lacht laut) Genaus0 so war's!
Lehrieder: Und in der Wechselzone hab ich dir sogar noch den Neo (Neoprenanzug, d. Red.) aufgemacht und ausgezogen, weil du so lange gebraucht hast. (beide lachen herzhaft)
Zimmermann: Seither haben wir nicht mehr viele Wettkämpfe zusammen gemacht. Höchstens mal so kleinere Liga-Wettkämpfe. Und letztes Jahr Riccione und Hamburg.
Lehrieder: Beim Ironman kämpft man am Ende eher gegen sich selbst als gegen Konkurrentinnen. Insofern ist es fast egal, von wem man am Ende überholt wird, meistens hat man einfach nichts mehr entgegenzusetzen. Auch wenn man sich privat gut versteht: Wenn Rennen ist, ist Rennen.
Zimmermann: In Hamburg war es so, dass Caro natürlich enttäuscht war, als sie ins Ziel kam. In dem Moment haben sämtliche Fotografen auf sie gezielt. Als ich das gesehen hab', dachte ich mir: "Boah, in der Situation möchte ich jetzt nicht stecken. Ich muss sie da wegbringen." Ich konnte mich da ganz gut reinversetzen, schließlich geht es jedem mal so. Triathlon ist ja zum Teil auch Tagesform. Ich finde es wichtig, dass man dem an dem Tag Besseren das dann auch gönnt.
Lehrieder: Ich wollte Laura in der Situation auch erst mal gratulieren. Ich hatte das Rennen in meiner Hand, aber unnötige Fehler gemacht. Sonst hätte es wahrscheinlich genauso auch andersrum ausgehen können. Aber wenn es schon so für mich läuft, dann gönne ich Laura den Sieg mehr als einer anderen.
Zimmermann: Eine große Herausforderung wird der große Temperaturunterschied im Tagesverlauf sein. Morgens ist es noch sehr frisch, später wird es heiß. Weil auch das Wasser in der Früh ziemlich kalt sein soll, schwimmen wir in Neopren. Und im Gegensatz zu Hawaii nicht im Meer, sondern in einem See. Der kann je nach Wind auch ziemlich wellig werden.
Zimmermann: Ich hatte Ende Februar Corona, das habe ich mir am Ende eines Trainingslagers - ich war auf Fuerteventura und Mallorca - eingefangen. Für mich hieß das von hundert auf null. Zehn Tage habe ich gar nichts gemacht, auch wenn es mir nicht so schlecht ging. Natürlich hat mich das ein bisschen zurückgeworfen, aber es hätte schlechtere Zeitpunkte dafür geben können.
Lehrieder: Bei mir lief trainingstechnisch eigentlich alles optimal. Ich war dreimal auf den Kanaren und einmal in Kroatien im Trainingslager. Mit meinem Saisoneinstieg Anfang März in Dubai war ich als Sechste so mittel zufrieden. Dann hatte ich Anfang April noch einen Start bei der Challenge Salou geplant...
Zimmermann: Genau.
Lehrieder: Ich wurde zwei Tage vor Salou krank, bekam Fieber. Das waren die ersten Einheiten, die ich ausfallen lassen musste, das Rennen leider auch. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meiner Vorbereitung. Es ist allerdings schon ungewöhnlich, dass das WM-Rennen die erste Langdistanz im Jahr ist und man nicht so richtig weiß, wo man steht.
Lehrieder: Ich hab' damit schon ein Thema. Es fällt mir schwer, dass die WM, für die ich mich qualifiziert habe, nicht die WM ist, die jetzt stattfindet. St. George ist halt einfach nicht Hawaii. 2019 bin ich auf einer Welle gesurft, den Schwung hätte ich gerne mit nach Hawaii genommen. Aber gut, so habe ich in den letzten zweieinhalb Jahren gelernt, flexibel zu bleiben und konnte die Zeit für meine Entwicklung nutzen. Und ich habe gemerkt, wie gerne ich Triathlon mache, auch unabhängig von Rennen; vielleicht mag ich das Training sogar lieber als Wettkämpfe. Ich brauche die Rennen und dieses Konkurrenzding nicht, um mich fürs Training zu motivieren.
Lehrieder: Das spielt sicher auch eine Rolle. Wobei es mich genauso frustriert, wenn ich im Training meine Vorgabe nicht erreiche. Nach einer schlechten Einheit geht es mir wie nach einem schlechten Rennen, nur kann ich das vielleicht schneller abhaken. Vor einem harten Trainingslauf habe ich auch die gleiche Aufregung wie vor einem Wettkampf und gehe 20 Mal aufs Klo. (lacht) Das zeigt aber ja, wie wichtig mir das ist.
Zimmermann: Ne, ich hab' eher Angst vor der Qual. (lacht)
Lehrieder: Die kenne ich dafür nicht. Training ist für mich keine Qual.
Zimmermann: Ich hab' durch Corona gemerkt, wie extrem ich auf Ziele fixiert bin. Ich stelle mir im Training, wenn es richtig hart ist, ein Rennen vor, um dann noch mehr aus mir rausholen zu können. Die Corona-Zeit war ganz schwierig für mich, weil ich ohne Rennen kein festes Ziel hatte. Da hab' ich mich manchmal gefragt, wofür ich das alles mache und warum ich mich so quäle.
Lehrieder: Landschaftlich wird das spektakulär, renntechnisch bestimmt richtig hart. Die Strecke insgesamt ist auf jeden Fall WM-würdig, fair und anspruchsvoll. Durch die vielen Höhenmeter wird das Rennen wohl noch fordernder als normalerweise auf Hawaii.
Zimmermann: Und lang! Persönliche Bestzeiten werden das sicher nicht erzielt.
Lehrieder: Man muss auf dem Rad sicher gut mit seinen Kräften haushalten. Die Berge erwarten uns erst in der zweiten Hälfte. Um sie hochzukommen, sollte man noch ein paar Körner haben. Sonst kann es da schon Bumm machen. (lacht)
Lehrieder: Es geht viermal einen leichten Anstieg hoch und wieder herunter, das ist schon außergewöhnlich. Normalerweise sind die Laufstrecken beim Ironman sehr flach. Ich habe mit so einer Strecke noch keine Erfahrung. Du?
Zimmermann: Auch nicht wirklich. Ich fürchte nur, so ein profilierter Kurs liegt mir nicht so. Aber ich glaube, dass ich ganz gut bei meinem Plan und Pacing bleiben kann. Ich sage mir: Das Rennen ist erst im Ziel vorbei.
Lehrieder: So oder so muss man hintenraus mental stark sein. Da muss man bei sich bleiben und hoffen, dass man ein bisschen später Bumm macht als die anderen.
Lehrieder: Hm... (überlegt) Ich habe mich auch darauf gut vorbereitet, habe nicht nur körperlich, sondern auch mental trainiert. Es macht keinen Sinn, sich auf dem Rad gut zu fühlen, aber Angst vor dem Marathon zu haben. Und wenn das ein paar Mal schiefgegangen ist, sollte man der Angst vor der Angst im Vorfeld begegnen und sich damit auseinandersetzen. Das habe ich getan.
Lehrieder: Mit sportpsychologischer Hilfe. So habe ich ganz gute Strategien für mich gefunden, wie ich mit der Angst umgehen kann. Mir helfen am besten alte Trainingseinheiten, daraus kann ich super viel Selbstbewusstsein ziehen.
Zimmermann: Mir hilft mein Umfeld sehr. Ich rede viel mit mir nahen Menschen. Aber auch ich habe mentale Strategien wie Visualisierung oder Leitsprüche, die ich mir teils mit einer Mentaltrainerin überlege und herhole, wenn es im Rennen schwierig wird.
Lehrieder: Eigentlich nicht, außer, dass die Fingernägel immer frisch lackiert sein müssen. Früher pink, gerade finde ich rot cool. Man wird ja erwachsen. (lacht)
Zimmermann: Die Fingernägel lackiere ich mir nie, als Zahnärztin ist das verboten, auch wenn ich dieses Jahr nicht gearbeitet habe. Aber auf dem Weg zum Wettkampf, wenn die Anspannung groß ist, helfen mir Atemtechniken, um runterzukommen und zwei, drei Lieder, die mich motivieren, zum Beispiel von Coldplay "Higher Power".
(beide lachen)
Lehrieder: Ich will auf jeden Fall das Ziel mit einem Lächeln erreichen und dem Wissen, alles gegeben zu haben. Es ist meine erste WM bei den Profis, da möchte ich ohne Druck rangehen und auch ein bisschen genießen, dabei zu sein. Im besten Fall kann ich auch meine Qualifikation für Hawaii im Oktober eintüten. An einem sehr guten Tag liebäugle ich mit einer Top Ten Platzierung, aber dafür muss schon sehr viel passen.
Zimmermann: Ich will mich mit der Platzierung gar nicht so festlegen. Top 15 wäre schön. Aber für mich ist entscheidend, dass ich mich mit den Besten der Welt messen kann.