Normalerweise gelten Triathletinnen und Triathleten als hartgesotten und so schnell nicht zu erschüttern. Doch die erneute coronabedingte Absage des eigentlich am 9. Oktober geplanten Ironman Hawaii sorgt unter den deutschen Topstars für eine Mixtur aus Enttäuschung und Verbitterung. "Momentan ist ehrlicherweise einfach nur die Luft raus bei mir", sagte der im spanischen Girona lebende Jan Frodeno. Der am Mittwoch 40 Jahre gewordene dreifache Hawaii-Sieger (2015, 2016, 2019) räumte ein: "Die Hoffnung dieses Jahr nach Hawaii zurückzukehren, ein großes Rennen mit allen Konkurrenten zu haben, das hat mich wirklich im Training angespornt." Umso größer auch bei der Triathlon-Lichtgestalt das Entsetzen.
Mit ihm fiel auch sein Herausforderer Patrick Lange nach eigenem Bekunden "aus allen Wolken". Der Ironman-Weltmeister von 2017 und 2018 gab zu, "mehr als eine Träne verdrückt" zu haben. Der inzwischen in Salzburg lebende Hesse war "hundertprozentig" davon ausgegangen, dass die prestigeträchtige Herausforderung über 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen stattfinden kann, um mit 34 Jahren in bester körperlicher und mentaler Verfassung einen epischen Wettkampf gegen Frodeno abzuliefern.
Die Würzburger Profi-Triathletin Carolin Lehrieder, Kollegin von Lange beim Team Erdinger Alkoholfrei, berichtete, über die Absage sei in den vergangenen Tagen schon gemunkelt worden. "Für mich hat sie sich abgezeichnet, aber wenn man sie dann schwarz auf weiß hat, dann ist das schon eine bittere Pille und echt frustrierend." Lehrieder hatte gehofft, "dass wie bei der 70.3-WM wenigstens das Profirennen stattfindet und nur die Altersklassen gecancellt werden".
Grenzschließungen und Reisebeschränkungen
Die Organisatoren bezeichneten die komplette Verschiebung in den Februar 2022 derweil als unausweichlich. "Das Wiederaufleben des Virus und des neuen Delta-Stammes hat erhebliche Auswirkungen auf die Inselgemeinde Hawaii", verlautbarte Ironman-Geschäftsführer Andrew Messick. "In Kombination mit erheblichen Grenzschließungen und Reisebeschränkungen für qualifizierte Athleten" gebe es keinen gangbaren Weg für eine Ausrichtung. Denn erst 58 Prozent der Hawaiianer sind doppelt geimpft, und die größten Krankenhäuser meldeten zuletzt wegen sprunghaft steigender Infektionszahlen eine starke Auslastung der Intensivkapazitäten. Der limitierende Faktor ist das Krankenhauspersonal, das zum Teil wegen der ausbleibenden Touristen nicht mehr auf der Insel ist.
"Für die Situation kann Ironman natürlich nichts", sagte Lehrieder. Wenngleich sie die Absage für unvermeidbar halte, warb sie auch um Verständnis für die Athletinnen und Athleten. "Wir müssen ständig wieder neu planen, Trainingslager absagen, Flüge umbuchen." Die 31-Jährige bezweifelte zudem stark, dass der Februar-Termin diesmal bestehen bleibt; auch im vergangenen Jahr wurde er abgesagt. "Ich frage mich zum einen, was da anders sein soll. Zum anderen, wie wir deutschen Sportler da in Topform kommen sollen. Trainingstechnisch haben wir hier im Winter bescheidene Bedingungen."
Frodeno beklagt fehlende Kreativiät von Ironman
An der Richtigkeit der Entscheidung für die Region zweifelt auch Frodeno nicht, doch übt er Kritik am Veranstalter: Dass "Ironman als große Marke wieder keinerlei Innovation zeigt und nur mit dem Februar-Plan kommt, ist für mich ein weiterer Beweis für schwaches Krisenmanagement und Mangel an Bereitschaft zu kreativen Ideen".
Der mit Frodeno alles andere als freundschaftlich verbundene Lange bemängelte fast gleichlautend, "dass sich Ironman um keine alternativen Rennkonzepte bemüht". Auch der 2014 auf Hawaii triumphierenden Sebastian Kienle kritisierte die "schlechte Kommunikation" mit den Athletinnen und Athleten. Der 37-Jährige betont, die Widersprüche in diesem Sportjahr seien offensichtlich: "Wir sehen eine Fußball-Europameisterschaft mit teils vollen Stadien, während bei uns die Weltmeisterschaft das zweite Mal abgesagt bzw. verlegt wird." Man würde sich fühlen wie ein Landwirt, "der immer wieder die Saat streut, dann aber zusehen muss, wie die Ernte verdorrt".
Lehrieder startet beim Ironman Hamburg
Ob es in der Bucht von Kona im Februar 2022 wirklich zum nächsten Startschuss kommt, weiß wegen der Corona-Entwicklung gerade niemand. Carolin Lehrieder hat immerhin eine Alternative vor Augen: "Ich bin froh, dass ich für den Ironman Hamburg am 29. August gemeldet habe. Wenigstens dafür hat sich das ganze Training dann gelohnt." Wie es danach für sie weitergehe, wisse sie noch nicht. "Ich muss dann alles neu denken."
Auch Frodeno, Lange und Kienle haben ein Ziel in Sicht: Für den von der Athletenvereinigung PTO ausgerichteten Collins Cup sind sie am 28. August gemeinsam nominiert. Bei dem lukrativen Einladungsrennen im slowakischen Šamorin messen sich namhafte Triathleten aus Europa und den USA. Wer in diesem dem Ryder Cup im Golf nachempfundenen Format auf einer verkürzten Mitteldistanz nicht zu viel Kraft vergeudet, kann sich kurzfristig noch überlegen, beim Challenge Roth (5. September) zu starten. Das bis heute beliebteste Langdistanzrennen auf deutschem Boden ist das Flaggschiff der Challenge-Organisatoren – dem größten Gegenspieler des Ironman-Business.