Hopp oder top. Alles oder nichts. Sieg oder Niederlage. Das ist die Losung, die Denis Wucherer in der letzten Auszeit ausgibt. 87:89 steht's. 11,6 Sekunden sind noch auf der Uhr. Und sie haben Ballbesitz. Ein Zweier reicht zur Verlängerung. Ein Dreier zum Sieg. Sie spielen auf Sieg und wollen den Dreier. Jordan Hulls trifft oft auch die artistischsten Würfe aus der Ferne. In dieser Partie hat er bereits 15 Punkte erzielt, darunter zwei Dreier (bei allerdings sieben Versuchen bis dahin). 1,7 Sekunden vor Schluss nimmt Hulls den Dreier. Die Kugel landet nicht im, sondern am Ring. Und Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg muss im 13. Saisonspiel seine sechste Niederlage abhaken.
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Dass es die Baskets am Ende einmal mehr doch noch so spannend machen sollten, war nach einem sehr starken Anfang und einem noch stärkeren Nachlassen im zweiten Viertel weder zur Halbzeit (33:47), noch bis etwa Mitte des dritten Abschnitts (39:57, 44:62), also bei einem 18-Punkte-Rückstand, zu erwarten. Die Mannschaft aber bewies erneut große Moral und kämpfte sich zurück – was diesmal, weil die zwei Leistungsträger Victor Rudd und Luke Fischer erkrankt fehlten, vielleicht noch ein wenig höher zu bewerten ist als bei den haarigen Begegnungen gegen Frankfurt, Ludwigsburg, Bamberg und Crailsheim, als die Mannschaft mit voller Kapelle spielen konnte und nur gegen die Schwaben verloren.
Änderungen in der Starting Five
„Vechta ist am offensiven Brett sehr aktiv, das wussten wir, aber mit unseren beiden Langen hätten wir das vielleicht ausgleichen können“, meinte Baskets-Trainer Wucherer. Der Erfolg der Hausherren resultierte seiner Einschätzung nach „aus der besseren ersten Halbzeit von Vechta, in der wir ungewohnt passiv agiert haben. So darfst du gerade in der Defensive hier nicht auftreten.“ Dass er seine Anfangsformation ändern würde, hatte Wucherer bereits vor der Reise nach Westniedersachsen durchblicken lassen. Dass er sie freilich im Vergleich zum Verlängerungssieg gegen Crailsheim, als er mit der Darbietung seiner Starting Five so gar nicht einverstanden war, auf zwei Positionen korrigieren musste, lag eben an den Erkrankungen von Rudd (2,06 Meter) und Fischer (2,11 Meter) – den beiden Längsten im Baskets-Kader. Was sich dann freilich auch im Rebound-Verhältnis adäquat widerspiegelte: Bereits zur Halbzeit hatten sich die Gastgeber 21 gekrallt, die Würzburger gerade mal zehn. Das Abpraller-Duell endete dann „nur“ noch 35:24.
Wucherer schickte von seinen gerade einmal zehn Akteuren in Vechta neben Skyler Bowlin, Cameron Wells und Junior Etou Johannes Richter und – wie zu erwarten – Felix Hoffmann zum Sprungball aufs Parkett. Und die übererfüllten die Vorgabe des Trainers, viel, viel besser ins Spiel kommen zu müssen als gegen Crailsheim. Hoffmann machte die ersten vier Würzburger Punkte, und nach gut vier Minuten und einem 9:0-Lauf führten die Baskets im Rasta Dome plötzlich 11:3.
Die Würzburger starteten also stark und wirkten hochkonzentriert, sie ließen den Ball gut laufen und trafen hochprozentig. Das freilich änderte sich auf einen Schlag, als Wucherer nach seiner ersten Auszeit nach sechs Minuten bei einer noch 12:8-Führung die Rotation begann. Fortan ging den Baskets das Wurfglück flöten, und die Hausherren fanden ihren Rhythmus – und trafen aus aller Herren Lagen. Dass es trotzdem nicht unbedingt einen viertelübergreifenden 14:0-Lauf der Gastgeber gebraucht hätte, war bestimmt auch den vielleicht drei Dutzend Baskets-Anhängern im mit 3140 Zuschauern ausverkauften Dome klar.
Nach der Halbzeit war die Partie erst einmal von zahlreichen einfachen Fehlern hüben wie drüben geprägt, aber die Gäste konnten kein Kapital schlagen aus den zahlreichen Ballverlusten (insgesamt 22) der Hausherren. Im Gegenteil: Mitte des dritten Abschnitts lagen die Würzburger mit 18 Zählern hinten – und vermutlich nicht einmal die mitgereisten Fans hätte noch viel Geld auf einen Erfolg ihrer Lieblinge gesetzt.
Konzentration auf den Sonntag
Dann aber hamsterten Hulls, Florian Koch, Junior Etou, Joshua Obiesie und der eingesprungene Julian Albus, Kapitän des Farmteams, die Baskets bis zum Schlussabschnitt wieder auf drei Pünktchen heran. Und auch im letzten Viertel holten die Gäste noch einmal einen Zehn-Punkte-Rückstand (75:85) fast noch auf – bis Hulls kurz vor Ultimo den Sieg herbeiwerfen wollte.
Eine Aktion, die Wucherer so kommentierte: „Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass keiner der drei Schiedsrichter in der Lage war, den Wurf von Jordan Hulls am Schluss bis zum Ende zu beobachten, um zu erkennen, dass da ein klares Foul vorlag.“ Der Baskets-Trainer ging sogar noch weiter und war überzeugt: „Mit dem Pfiff am Schluss und drei Freiwürfen von Hulls hätten wir gewonnen.“
„Wäre, wäre, Fahradkette“, gab der große Sportphilosoph Lothar Matthäus mal zum Besten. Im Sport kann man sich vom Konjunktiv nichts kaufen. Deshalb bleibt den Baskets nun nichts anderes übrig, als sich den Mund abzuputzen – und sich nach der 450 Kilometer langen Heimreise durch die Nacht auf Samstag auf den Sonntag zu konzentrieren, wenn um 18 Uhr in der s.Oliver Arena die Telekom Baskets Bonn gastieren. „Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Wir wollen in die Play-offs“, sagte Johannes Richter in Vechta. „Das war heute ein Rückschlag, aber wir müssen die guten Sachen aus diesem Spiel herausziehen. Um dann am Sonntag Bonn zu schlagen.“