Es war 50 Sekunden vor dem Ende des dritten Viertels, als etwas geschah, das diesen Abend ganz treffend widerspiegelte. Cameron Wells bekam die Kugel unter dem Bayreuther Korb zugespielt, sie hineinzulegen wäre eine ganz leichte Übung gewesen, und üblicherweise hätte Wells dieses Kinderspiel auch mit verbundenen Augen erfolgreich zu Ende gebracht, den Ball versenkt und den Rückstand auf vier Punkte reduziert. Am Mittwochabend ein paar Minuten nach acht aber verlegte Wells das Spielgerät, die Gäste erhöhten mit dem Ertönen der Viertelsirene ihren Vorsprung dank eines Dreiers James Robinson auf sieben Zähler (57:50) - und in den abschließenden zehn Minuten brach das Unheil sich dann vollends Bahn. Nach der über die kompletten 40 Minuten betrachtet wohl schlechtesten Saisonleistung unterlag Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg vor knapp 3000 Zuschauern zu Hause medi Bayreuth nicht nur mit 66:85 (33:35), sondern verlor auch noch den direkten Vergleich mit den Oberfranken, die sie in der Frühphase der Saison noch 88:79 geschlagen hatten. Bayreuths Trainer Raoul Korner freute das natürlich: "Wer weiß, wozu das noch gut ist."
Die zweithöchste Saisonniederlage der Würzburger (nach dem 82:110 gegen Alba Berlin) war umso bemerkenswerter, da die Bayreuther auf einen ihrer beiden Topscorer (wegen eines Trauerfalls in der Familie von James Woodard) verzichten mussten, und der andere im Schnitt 13 Punkte pro Partie erzielende Oberfranke, der 49-fache Nationalspieler Andreas Seiferth, ging in Würzburg komplett leer aus. "Bayreuth war vor allem in der zweiten Halbzeit heute die klar bessere Mannschaft", sagte Baskets-Trainer Denis Wucherer, der seinem Team attestierte, derzeit eher wie "ein Abstiegskandidat" zu spielen als wie ein Play-off-Anwärter.
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Nach der Niederlage in München vor eineinhalb Wochen meinte Wucherer, die beiden Partien in Braunschweig und gegen Bayreuth würden auch zeigen, "ob wir wirklich wollen und es auch können, uns zwischen den Plätzen fünf und acht zu etablieren". Nun, wirklich wollen wollen sie vermutlich schon, aber den Beweis, es auch wirklich zu können, sind sie nun erst einmal schuldig geblieben. Zweieinhalb Wochen Pause stehen nun erst einmal erneut an, nach vier freien Tagen geht's am Montag in ein kurzes Trainingslager in Valencia. Zeit, die Wucherer nutzen will, um "die letzten drei Spiele zu vergessen" und so zurückzukommen, "dass wir Anfang März wieder konkurrenzfähig und bereit sind, wieder auf Bundesliga-Niveau zu spielen".
Knapp zwei Minuten waren noch zu spielen, und nachdem Bryce Alford mit seinem fünften Dreier die höchste Bayreuther Führung (84:60) herausgeworfen hatte, schallte es aus dem Block des Baskets-Anhangs: "Wir wollen Euch kämpfen sehen, wir wollen Euch kämpfen sehen." Ein Novum für Wucherer, der sagt, das habe er von den eigenen Fans noch nicht gehört, das eine von ihm gecoachte Mannschaft dazu aufgefordert werden musste. Er sagt auch, dass "die Jungs schon kämpfen, klar", aber das dies zumindest bei manchem Spieler nicht ganz so rüberkomme, das sei auch eine Frage der Körpersprache bisweilen. "Wir haben heute überhaupt keinen Rhythmus gefunden", gestand auch Florian Koch, der sehr entäuscht war. "Normalerweise holen wir uns den über die Defensive , aber das hat heute überhaupt geklappt. Und dann sind auch die freien Würfe nicht gefallen."
Nach dem Ertönen der Schlusssirene dann musste sich Koch und seine Kollegen vereinzelte Buhrufe und Pfiffe anhören. Er freut sich jetzt erst einmal aufs "Trainingscamp, aus dem wir dann gestärkt zurückkommen müssen". Die restlichen 13 Partien der Hauptrunde haben die Baskets dann zwischen dem 1. März und dem 2. Mai zu absolvieren. Wucherer glaubt, dass bis zur Kommunalwahl in Würzburg Mitte März und nach den Partien in Bonn und gegen Bamberg und Oldenburg dann schon abzusehen sei, wohin die Reise noch führt in dieser Runde. "Ob wir dann wirklich angreifen können im Rennen um die Play-off-Ränge, oder ob wir froh sein müssen, schon zehn Saisonsiege eingefahren zu haben."
Stadtrat und Stadtoberhaupt werden am 15. März in der Domstadt gewählt, und so nahm es freilich kein Wunder, dass sich am Mittwochabend in der s.Oliver Arena angeführt von Oberbürgermeister Christian Schuchardt so viele Kommunalpolitiker auf den Zehen standen, wie es eben nur zu Wahlkampfzeiten geschieht. Weitere prominenter und eher seltener Augenzeuge: Bernd Freier, Chef von Baskets-Hauptsponsor s.Oliver, der sogar darauf verzichtete, die Partie von der ersten Reihe am Spielfeld aus zu beobachten, und sich stattdessen hinter die Auswechselspieler neben Manager Kresimir Loncar an die Wand setzte. Neben dem Symbolgehalt nach dem Motto "Jungs, ich bin bei Euch" hatte dieser Platz auch den schönen Nebeneffekt, dass Freier Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler, der neben ihm stand, nicht ständig SMS schreiben musste, was er ja mit großer Leidenschaft tut, wenn er vor all den anderen VIPs sitzt und es nicht wie gewünscht läuft auf dem Parkett. Und schaden kann es bestimmt auch nicht, von einem Experten wie dem ehemaligen Baskets-Kapitän Loncar das eine oder andere sich erklären zu lassen.
Etwa, dass der Baskets-Kapitän sich zwar fit zurückgemeldet hatte nach seiner Erkältung, aber ganz offenbar noch mit den Nachwehen zu kämpfen hatte, so ungewohnt zurückhaltend wie er übers Parkett schlich. Im fitten Zustand hätte Cameron Wells die Kugel gegen Ende des dritten Abschnitts bestimmt auch versenkt.