Am Ende machten sie sich zwar selbst das Leben ein wenig schwer, weil sie den Gegner doch noch einmal näher herankommen ließen, als ihnen lieb sein konnte. Aber infrage stand der zweite Saisonsieg von Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg eigentlich gar nicht, nachdem die Würzburger nach bereits knapp eineinhalb Minuten Spielzeit das erste Mal in Führung gegangen waren. Das 88:79 (47:38) beim weiterhin sieglosen medi Bayreuth war über weite Strecken souveräner herausgespielt, als es das Ergebnis vermuten lassen könnte. Insofern war auch Baskets-Cheftrainer Denis Wucherer "zufrieden" mit einer "über weite Strecken abgeklärten Leistung".
Eine Hiobsbotschaft hatten die Baskets indes auch zu verkraften: Brekkott Chapman hatte sich den Meniskus gerissen, ist inzwischen bereits operiert - und fällt die komplette Saison aus, wie Wucherer am Sonntagabend bestätigte. Pause und Rehabilitation nach einer solch schweren Knieoperation dauern in der Regel zwischen vier und sechs Monaten. Auch wenn Wucherer diesmal den Litauer Rytis Pipiras vom Farmteam mit in die Oberfrankenhalle nahm - die Baskets werden nun abermals auf dem Personalmarkt tätig werden müssen und nach einem Chapman-Ersatz Ausschau halten.
Das hatten sie ja bereits für den ausgemusterten Noah Allen getan, dessen Kurz-Vertrag nicht verlängert worden war. Sein Ersatz (und auch ein wenig der neue Hoffnungsträger) gab in Bayreuth sein Debüt im Baskets-Leibchen: Victor Rudd, 28 Jahre alter und 2,06 Meter großer Amerikaner. Rudd, der auf der großen Flügelposition genauso spielen kann wie unterm Korb, ist Eurocup und sogar Euroleague-erfahren. Vor drei Jahren stand er für Maccabi Tel Aviv, mit dem er auch den israelischen Pokal gewann, in 30 Partien auf dem Parkett der Königsklasse, nach einem fünfmonatigen Zwischenstopp in der Türkei bei Gazianten Basketbol heuerte Rudd beim Spitzenklub und letztsaisonalen Euroleague-Sieger ZSKA Moskau an. Für die Russen spielte er in 13 Begegnungen in Europas Premiumklasse, in der er in seinen jeweils gut 20 Minuten in den insgesamt 43 Partien im Schnitt jeweils knapp acht Punkte warf.
In Bayreuth gelang ihm in knapp sieben Minuten Spielzeit kein einziger Zähler - was aber nicht verwundern braucht, da er noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte ist. Nachdem er vergangene Saison bei Auxilium Torino in Italien seine Brötchen verdient hatte, ließ Rudd sich seinen Sommer in der kurzen Runde auf Puerto Rico bei den Capitanes de Arecibo bezahlen. Den Baskets war schon vor dem Sprungball in Bayreuth klar, dass der Neuling ihnen bei seinem Debüt nicht sonderlich wird helfen können - aber für die Zukunft sind sie frohen Mutes. "Er bringt auf alle Fälle Qualität mit", sagt Wucherer: "Den müssen wir nun ordentlich aufbauen." Er meint: richtig fit kriegen.
Deshalb schickte Wucherer auch nicht seinen Neuen zum Sprungball aufs Parkett, sondern neben den etablierten Startern Skyler Bowlin , Cameron Wells und Luke Fischer auch den zuletzt so überzeugenden Florian Koch und - Überraschung! - mit Youngster Nils Haßfurther auch einen dritten etatmäßigen Guard. Und diese Fünf gingen dann mit einem Verve ans Abendwerk, dass die sehr gute Stimmung in der mit 3104 Menschen gefüllten Oberfrankenhalle, in der die gut 50 Baskets-Anhänger sich nach Kräften mühten, sich Gehör zu verschaffen, nicht zu euphorisch wurde. Gerade einmal vier Minuten und 20 Sekunden benötigten die anfangs sehr treffsicheren Unterfranken, um erstmals zweistellig in Führung zu gehen: Nachdem Fischer seinen Bonusfreiwurf versenkt hatte, lagen die Würzburger mit 17:7 vorne. Doch auch durch den Zwischenspurt des Bayreuthers James Robinson, der sechs Zähler in Folge machte, ließen sich die Baskets nicht groß beirren und beendeten das erste recht souverän gestaltete Viertel mit einer Elf-Punkte-Führung (28:17).
Was Besonderes zum Jubiläum
Und weil es gerade so schön lief bei den Gästen, dachte sich Jordan Hulls offenbar: Mach ich halt mal was Besonderes zum Jubiläum! 49 Sekunden im zweiten Viertel waren gespielt, als der Amerikaner aus dem Laufen heraus absprang und mit seinem schwächeren linken Arm aus sieben Metern Entfernung die Kugel in Richtung Korb bugsierte, wo sie sich zum 31:20 durch den Ring senkte: Es war Jordan Hulls' 250. Dreier in der Bundesliga.
Da wollte Cameron Wells dann offenbar auch nicht nachstehen: Gut drei Minuten nach dem Jubiläumswurf von Hulls hatte Wells Grund zum Anstoßen. Der Texaner, der zuvor schon zweimal aus der Distanz getroffen hatte, korblegte seinen 500. Bundesliga-Zweier zum 38:24 (insgesamt kann Wells nun auf 505 stolz sein).
Ein 14-Punkte-Vorsprung klingt kompfortabel und sollte es eigentlich auch sein - ist im Basketball aber auch trügerisch. Dank eines 12:3-Laufs kamen die Hausherren zwischendurch bis auf fünf Zähler heran (38:43), ehe Wells mit seinen Zweiern 501 und 502 für den Neun-Punkte-Pausen-Vorsprung (47:38) sorgte.
Baskets ließen den Ball flott rotieren
Und diese Differenz durfte den Gastgebern durchaus etwas schmeicheln. Die Oberfranken fanden in den ersten 20 Minuten nur selten ein Mittel gegen die das Spielgerät flott rotieren lassenden Gäste (zwölf Assists, insgesamt wurden es 23), die vor allem aus der Nah- und Mitteldistanz hochprozentig trafen (13 der 19 Versuche landeten im Ziel, am Ende waren's 25 von 36). Und an diesem Gesamteindruck änderte sich dann im dritten Abschnitt auch erst einmal nicht das Geringste. Dank schnellen Passspiels und meist konzentrierten Abschlusses und dank eines in dieser Phase wie aufgedreht agierenden Neu-Vaters Luke Fischer schraubten die Baskets ihren Vorsprung bis gegen Ende des Viertels auf 20 Punkte in die Höhe (65:45, 28.). Inzwischen hörte man in der Halle dann vor allem die Trommel und Gesänge des angereisten Anhangs. "Unserer erster Auswärtssieg fühlt sich sehr gut an", meinte Fischer, der 16 Punkte warf, sich zehn Rebounds schnappte und zudem sechs Vorlagen gab. Seine Mitspieler lobte er dann auch: "Sie haben mich gesucht und gefunden. Wir haben eine großartige Teamchemie."
In den letzten zehn Minuten schöpften die Bayreuther nach starkem Beginn zwar kurzzeitig noch einmal etwas Mut und hatten sicher auch wieder etwas Hoffnung - spätestens dann, als sie knapp zwei Minuten vor Schluss bis auf sieben Punkte Differenz herangekommen waren (74:81). Aber weil der enorm starke Wells, mit 22 Punkten treffsicherster Würzburger, anschließend zwei Korbleger und einen Bonusfreiwurf versenkte, war die Partie eine Minute vor Ertönen der Schlusssirene endgültig entschieden.
Mit ihrem zweiten Saisonsieg konnten die Würzburger also auch etwas Selbstvertrauen schöpfen für die Aufgaben an den nächsten beiden Sonntagen, wenn erst Vizemeister Alba Berlin und dann Titelverteidiger Bayern München jeweils um 15 Uhr in der s.Oliver Arena gastieren.