
Lothar Matthäus hat vor kurzem öffentlichkeitswirksam seinen Job als Jugendtrainer hingeschmissen. Der Weltmeister machte vor allem die Eltern verantwortlich. Doch auch die Arbeit mit Kindern und jungen Erwachsenen hat sich gewandelt. Immer wieder klagen Fußball-Experten mehr oder weniger öffentlich darüber, dass die heutige Jugend verweichlicht sei. Wir haben fünf Trainerinnen und Trainer aus Unterfranken gefragt, die diese Entwicklung begleitet haben, ob sie sie befürworten oder ablehnen.
1. Matthias Gerhardt (48 Jahre, Trainer FV Rannungen/Pfändhausen/Holzhausen): "Bei den Erwachsenen war es früher emotionaler, Kritik war klarer."

"Man muss unterscheiden zwischen Erwachsenen und Junioren. Bei Letzteren mischen sich immer noch Eltern ein, die ihre Kinder falsch einschätzen. Da braucht es auch mal eine Ansage, da muss ich Lothar Matthäus zu 100 Prozent recht geben. Bei den Erwachsenen war es früher emotionaler, Kritik war klarer. Das geht heute nicht mehr: Man muss Kritik anders verpacken. Ob es früher besser war, ist schwer zu sagen. Für uns gab's nur Fußball, heute sehen auch Fußballer viel mehr Möglichkeiten, was anderes zu machen. Speziell die Coronazeit hat gezeigt, was sonst noch geht.
Trainer müssen heute Angst haben, Spieler zu verlieren. Nichtsdestotrotz sollte Kritik angenommen werden. Ich selbst habe zu den Jungs, denke ich, ein gutes Verhältnis. Sie wissen, wo sie stehen. Ich mache schon mal einen 'dummen' Spruch, kritisiere aber grundsätzlich sachlich, fachlich. Ich glaube nicht, dass alle Mimosen sind. Das hat sich mit der Zeit entwickelt durch eine Mischung aus politischen 'Vorgaben' und einer komplett anderen Erziehung."
2. Tobias Burger (41 Jahre, BFV-Referent und ehemaliger Jugendtrainer beim FC Eintracht Bamberg und FC 05 Schweinfurt): "Die Kinder können Kritik sehr gut ab, viele Eltern aber nicht."

"Ich war als Jugendtrainer ausschließlich im leistungsorientierten Bereich unterwegs, entsprechend hatte ich immer mit extrem motivierten Jugendlichen zu tun. Als BFV-Referent bekomme ich aber bayernweit viel mit. Ich habe mir auch ein Training von Lothar Matthäus in Grünwald vor Ort angeschaut. Das war tiptop. Das muss man sich mal vorstellen: Wir leben in einer Gesellschaft, in der einem Weltfußballer und Weltmeister nachts um 22 Uhr am Telefon von irgendwelchen Eltern erklärt wird, was er falsch macht.
Im Kinderbereich ist die Meinung eindeutig: Die Eltern sind das Problem. Die Frage, ob Kinder mit Samthandschuhen angefasst werden sollten, ist längst beantwortet: Die werden alle schon mit Samthandschuhen angefasst. Die Kinder können Kritik sehr gut ab, viele Eltern aber nicht. Daher setzen viele Trainer auf die Vermeidungstaktik, um Ärger vorzubeugen. Bei den Jugendlichen ist die Gefahr groß, diese nach einer härteren Ansprache als Spieler zu verlieren. Weil es zig andere Freizeitmöglichkeiten sofort auf Abruf gibt."
3. Philipp Eckart (34 Jahre; Trainer Würzburger FV, Bayernliga): "Wenn draußen jemand ständig nur brüllt, nutzt sich das sehr schnell ab."

"Ich stelle mir grundsätzlich die Frage: Warum muss ich einen Spieler überhaupt anschreien? Natürlich muss es innerhalb einer Mannschaft, also auch zwischen Trainern und Spielern, klare Regeln und Vorgaben geben, die das Miteinander definieren und an denen sich alle entlanghangeln können. Da muss dann keiner zwingend herumschreien. Am Ende geht es darum, in der Sache bestimmt, im Ton aber höflich zu sein. Innerhalb des Teams müssen wir ein Klima schaffen, indem es jedem Spaß macht und jeder bereit ist, mehr zu geben und zusätzliche Meter für sich und für seine Mitspieler zu machen.
Ein solches Umfeld sehe ich als leistungsfördernder, als wenn jemand draußen ständig brüllt, um die anderen anzutreiben. Das nutzt sich sehr schnell ab. Letztlich ist es auch eine grundlegende Voraussetzung, dass jeder Bock darauf hat. Es hängt dann auch davon ab, welche Charaktere man in der Gruppe hat oder sich in die Gruppe holt. Das ist keine Einbahnstraße von Trainer zu Spieler, auch andersrum, also für beide Seiten muss es passen."
4. Fritzy Kromp (39 Jahre; Trainerin von Eintracht Frankfurt II, 2. Bundesliga): "Ich will die Spielerinnen immer unterstützen und ihnen im Nachgang nicht ihre Fehler vorhalten."

"Ich kann schon mal laut gegenüber meinen Spielerinnen, aber laut muss ja nicht direkt schlecht sein, sondern kann auch konstruktiv sein. Der Ton macht zwar die Musik, aber natürlich geht es vor allem um den Inhalt. Ich will die Spielerinnen immer unterstützen und ihnen im Nachgang nicht ihre Fehler vorhalten. Das hilft ihnen nicht. Im Frauenbereich war es schon immer etwas softer, grundsätzlich finde ich es aber auch gut, dass sich der Umgang verändert hat. Spielerinnen und Spieler wollen, dass vernünftig mit ihnen umgegangen wird und lassen sich eben nicht mehr alles gefallen.
Das Vokabular war da nicht immer so angemessen. Das musste sich aber auch ändern. Die Trainerrolle hat sich auch neu definiert. Wir sind nicht mehr Lehrmeister, die wissen, wie alles geht, sondern wir unterstützen, versuchen, mit auszubilden und sitzen mit der Mannschaft im Boot. Wir haben am Wochenende zur Halbzeit 0:2 hinten gelegen. Da kann man natürlich in der Kabine lauter werden, aber konstruktive Kritik bringt meistens viel mehr. Am Wochenende hat es funktioniert und wir haben 3:2 gewonnen."
5. Roland König (50 Jahre, Trainer am BFV-Stützpunkt in Schwarzach): "Wir haben Eltern, die die Spielzeit stoppen, die ihre Kinder auf dem Feld stehen."

"Bei den Auswahlspielern bei uns muss man nicht so vorsichtig sein, weil sie mehr intrinsische Motivation mitbringen. Wir sind streng, klar und machen den Spielern nichts vor, aber wir schreien nicht herum. Es ist eine andere Generation an Fußballern. Ich mag eigentlich die alten Fußballwerte schon sehr und Kinder werden natürlich verweichlicht, zum Beispiel wenn es keine Verlierer mehr gibt. Früher war die Ansprache deutlicher, aber heute sind Trainer einfühlsamer, sonst kommen die Spieler nicht mehr.
Aber es gibt auch Tendenzen, die ich nicht gut finde. Wenn die Leistung nicht passt, versuchen wir mit fordernden Worten in der Pause, das zu ändern. Wir weisen sie darauf hin, warum sie hier als Auswahlspieler bei uns sind. Das ist dann auch mal laut, aber nicht vergleichbar mit den Ansprachen im Verein, wo der Trainer mehrfach die Woche die Spieler sieht. Und auch wir haben Eltern, die die Spielzeit stoppen, die ihre Kinder auf dem Feld stehen. Da leben Eltern ihren Traum über ihre Kinder aus."