Wie diese Geschichte in die Welt kam, weiß sie selbst nicht. Was sie aber weiß: Die Geschichte stimmt nicht. Nein, Friederike "Fritzy" Kromp ist beim ZDF nicht die Ersatzkandidatin für den von Bundestrainer Julian Nagelsmann für die Fußball-Europameisterschaft kurzfristig nachnominierten Nationalspieler Emre Can. Das hatten einige Medien behauptet, als die gebürtige Würzburgerin am ersten EM-Sonntag erstmals als Expertin im Einsatz war, zusammen mit den früheren Weltmeistern Per Mertesacker und Christoph Kramer. Fritzy, wie sie im Fußball von allen genannt wird, war von vornherein eine Wunschkandidatin des TV-Senders. An diesem Dienstag hat sie bereits ihren vierten Liveauftritt im Studio und wird im Trio vier Spiele analysieren, mit Frankreich, England, Dänemark und den Niederlanden.
"Ich kann mir diese Geschichte nicht erklären", sagt die 39-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. Sie lacht – es ist schließlich nur eine von vielen Absurditäten, die sie als Frau im Fußball erlebt hat. Zwei gefällig? "In der B-Lizenz-Ausbildung wurde ich als einzige Frau von den männlichen Kollegen gefragt, ob ich falsch sei. Auf der A-Lizenz-Karte stand dann Herr Friederike Kromp und im Anschreiben dazu: Glückwunsch, Herr Kromp."
Frau Kromp kann heute darüber nur schmunzeln. Und erklären, wie ihre Geschichte bei der aktuellen Heim-EM wirklich zustande kam. "Eine erste Anfrage vom ZDF hatte ich Ende Februar", berichtet sie. Bei der Fußball-WM 2022 war sie bereits Expertin im ZDF-Morgenmagazin gewesen. "Nachdem ich dann diesen April nach dem Champions-League-Viertelfinale von Borussia Dortmund gegen Atlético Madrid meine erste Livesendung mit Jochen Breyer als Moderator hatte, sozusagen meine bestandene Feuertaufe, haben wir das festgezurrt."
Jüngste Fußballlehrer-Absolventin – und jünger als Nagelsmann
Und falls sich noch immer jemand fragt, wer Fritzy Kromp ist, so wie es einige Medien nach ihrer EM-Expertinnen-Premiere taten, darunter auch das Boulevardmedium mit den vier großen Buchstaben, das sonst alles weiß, dem sei gesagt: Die in Eisingen im Landkreis Würzburg aufgewachsene Sportwissenschaftlerin ist eine der profiliertesten deutschen Fußball-Trainerinnen.
2011 schloss die frühere Spielerin des ETSV Würzburg als eine von zwei Frauen im Jahrgang den Fußballlehrer-Lehrgang mit der renommierten Uefa-Pro-Lizenz ab – als bisher jüngste Absolventin mit 26 Jahren. Damit war sie übrigens noch jünger als Julian Nagelsmann, der 28 war. Seit Juli 2023 ist sie als Nachwuchskoordinatorin und Cheftrainerin der U-20-Frauen bei Eintracht Frankfurt angestellt. Zuvor war sie Nationaltrainerin der U-17-Juniorinnen beim Deutschen Fußball-Bund. Diese EM ist bereits ihr viertes großes Turnier als TV-Expertin für diverse Sender. Auch bei einer Frauen-WM und -EM war ihr Sachverstand schon gefragt.
"Mir macht es unglaublich viel Spaß, Spiele zu analysieren", sagt Fritzy Kromp. "Ich bin es gewohnt, tagtäglich über Fußball nachzudenken und zu reden – und ich lieb's." Trotzdem empfindet sie diese Heim-EM als besonders. "Bei den Männern Expertin sein zu dürfen, ist eine große Ehre und wie ein Ritterschlag. Da ist es nicht so leicht, reinzukommen." Gefühlt sei es im Fußball immer noch so: "Du musst als Frau der bessere Mann sein."
Mit Per Mertesacker und Christoph Kramer habe es keinerlei Anlaufschwierigkeiten gegeben. "Sie wussten, wer ich bin, und haben mich total nett, respektvoll und wertschätzend aufgenommen." Auch in den Sendepausen hätten sie zu dritt viel Spaß und auch manch hitzige Diskussion. Trotzdem sei sie vor ihrer Premiere mit den beiden Routiniers "natürlich aufgeregt" gewesen. "Es waren auch noch 200 Zuschauerinnen und Zuschauer im Studio. Das war eine Situation, an die ich mich erst mal gewöhnen musste." Schon am zweiten Sendetag sei die Stimmung insgesamt entspannter gewesen. "Was maßgeblich mit an Katrin Müller-Hohenstein lag, die eine unfassbare Ruhe und Souveränität ausstrahlt."
Die Rollenverteilung im Trio Kromp, Mertesacker, Kramer
Ihre Rolle im Trio sieht Fritzy Kromp so: "Ich habe als Trainerin viel Expertise und Turniererfahrung aus vier Welt- und fünf Europameisterschaften mit der U17, muss dafür aber vielleicht nicht unbedingt jeden 25. Spieler sämtlicher EM-Teams kennen." Dadurch bringe sie ihre eigene und eine ganz andere Perspektive ein als Mertesacker und Kramer. "Per ist einfach eine Legende. Er weiß unglaublich viel über Fußball, war selbst ein Weltklassespieler. Christoph ist eher der Entertainer, hat nicht so viel Turniererfahrung als Spieler wie Per, aber auch ein großes Wissen und ist immer gerade raus und ehrlich. Mit ihm fachsimple ich total gerne über modernes Pressing und Abwehrverhalten."
Aus Fritzy Kromp sprudelt die Begeisterung beim Erzählen heraus wie mutmaßlich der Sekt aus der Pulle des künftigen Europameisters. Sie gesteht: "Ich kann mich im Fußball meist besser mit Männern austauschen, weil mit ihnen die fachlichen Gespräche in der Regel intensiver sind als mit Frauen. Dadurch werde ich von ihnen schnell akzeptiert und respektiert."
Die Resonanz auf ihre ersten EM-Auftritte sei geradezu "überwältigend" und überwiegend "sehr positiv" gewesen. "Nach der Premiere ist mein Handy fast explodiert. Und mich hat beinahe der Schlag getroffen, als ich erfahren habe, dass in der Spitze fast zwölf Millionen zugeschaut haben."
Spätestens jetzt dürften die meisten Fußballinteressierten wissen, wer Fritzy Kromp ist.