Es wollte am späten Dienstagabend so gar nicht ins Bild des allgemeinen Jubels und Trubels und der Ausgelassenheit nach Ertönen der Schlusssirene in der s.Oliver Arena passen, wie Denis Wucherer im kargen Presseraum so auf seinem Stuhl saß und fast schon stoisch den Statistikbogen studierte. Und auch als er kurze Zeit später das in den gut zweieinhalb Stunden zuvor Dargebotene und Erlebte in Worte gießen sollte, bedurfte es erst einer Nachfrage, um dem Headcoach von Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg zu entlocken, „dass ich sehr zufrieden bin. Und ja, ich freue mich schon auch“.
Es ist eine von Wucherers wohltuenden Eigenschaften, auch in Momenten großer Triumphe oder bitterer Niederlagen nie Maß und Mitte zu verlieren. Auch an diesem für die Baskets magischen Abend blieb Wucherer sich seiner treu. Mit 90:70 (28:25, 46:42, 72:57) hatten seine wie entfesselt spielenden Schützlinge gerade den FC Bayern München entzaubert, hergespielt, nach allen Regeln der Basketball-Kunst auseinandergenommen und den ersten Heimsieg gegen die Oberbayern seit fast exakt neun Jahren, dem 68:59 am 3. November 2012, eingetütet.
Ein Blick in Wucherers Seelenleben
„Wir sollten das Ergebnis nicht überbewerten. Aber ich bin stolz darauf, dass wir eine Mannschaft haben, die trotz der beiden Rückschläge mit den Verletzungen offenbar funktioniert und die Charakter hat“, sagte Wucherer, um anschließend doch noch einen kurzen Blick in sein Innenleben zu gestatten: „Als Coach ist es natürlich auch nicht unwichtig, mal gegen die Bayern zu gewinnen. Oldenburg war dieses Jahr auch das erste Mal für mich. Jetzt fehlt nur noch Berlin, vielleicht kriegen wir das diese Saison ja auch noch gewuppt.“
Die überbordenden Emotionen überließ der 48-Jährige aber lieber den offiziell 2202 Zuschauern, die sich dezibeltechnisch eher nach 4000 anhörten und nach einer darbenden Vorsaison mit vielen Baskets-Auftritten zum Vergessen und dem nur knapp entronnenen Abstieg inbrünstig und selig wie lange nicht mehr ein „Gegen Würzburg kann man mal verlier'n“ intonierten.
„Just crazy“ – einfach verrückt – so beschrieb denn US-Flügelspieler William Buford, mit 23 Punkten Topscorer der Partie, die Atmosphäre. „Wir waren unseren Fans etwas schuldig“, sagte Wucherer, der sich vor allem darüber freute, „dass die Jungs es eindrücklich untermauert haben, dass wir die Turnhölle wieder zu einer echten Festung machen wollen“. Diesbezüglich scheinen die Baskets auf einem guten Weg: Im dritten Liga-Spiel war es der dritte Sieg, hinzu kommt der Heimerfolg im Pokal-Achtelfinale gegen den MBC.
Die Gründe für den Coup
Jetzt könnte der eine oder andere angesichts des straffen Programms der Münchner ja auf die zugegebenermaßen nicht ganz absurde Idee kommen, diese Akkordarbeit als Grund für die heftige Abreibung ins Feld zu führen. Immerhin war die Partie in Würzburg das fünfte Pflichtspiel binnen zehn Tagen für die Bayern. Es wäre jedoch eine grobe Beleidigung der Darbietung der Hausherren, den Erfolg zu sehr den Belastungen des Kontrahenten aus der Landeshauptstadt zuzuschreiben. Denn wie kein anderes Team der Liga verfügt München über einen exquisit und tief besetzten Kader mit neun Import-Spielern, von denen in der Bundesliga aber immer nur sechs eingesetzt werden dürfen.
Für das Spiel in Würzburg reisten die am Sonntag in Bayreuth (87:78) geschonten Vladimir Lucic und Deshaun Thomas in die Domstadt nach. Und wer Bayerns italienischen Coach Andrea Trinchieri an der Seitenlinie fluchen, schimpfen, toben, hadern und diskutierten sah, der wusste, dass sein Team mitnichten vorhatte, irgendwelche Gastgeschenke zu verteilen.
„Wir haben an unsere Chance geglaubt, und so sind wir auch aufgetreten. Es war eine fantastische Teamleistung“, nannte Baskets-Spielmacher Kerron Johnson die Gründe für den Überraschungssieg. Der US-Amerikaner, als Kurzzeit-Ersatz für den verletzten Luciano Parodi für zunächst zwei Monate verpflichtet, machte gegen die Bayern mit einem abermals starken Auftritt beste Werbung in eigener Sache. Kaum vorstellbar, dass der 30-jährige Ex-Ludwigsburger in dieser Form Ende Dezember wieder seine Koffer packen muss.
„Der Schlüssel zum Erfolg war heute unsere Defensive, wir haben nur 70 Punkte zugelassen. Und im Angriff haben wir sehr aggressiv und mit hohem Tempo gespielt“, ergänzte der offensiv überragende Buford, der sich trotz seit Wochen andauernder Knieprobleme durchbiss. „Andere hätten zuletzt vermutlich gar nicht gespielt. Aber er hat sich unter Schmerzmitteln in den Dienst der Mannschaft gestellt. Das kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen“, sagte Wucherer, dessen Mannschaft mit nun ausgeglichenem Punktekonto und viel Selbstvertrauen die nächste Aufgabe bei den Telekom Baskets Bonn (Samstag, 6. November, 20.30 Uhr) angehen dürfte.