Seit Freitagabend ist die Regionalliga-Saison 2022/23 für den FC 05 Schweinfurt Geschichte. Nach einer schwachen Saison, die sie zwischenzeitlich in die Abstiegsränge abrutschen hat lassen, haben die Nullfünfer mit einer Serie von acht Siegen und einem Unentschieden in den letzten neun Partien letztlich noch als Tabellensechster den Klassenerhalt geschafft. Nicht zuletzt ein Verdienst von Trainer Marc Reitmaier, der im Oktober als Co-Trainer verpflichtet worden war und dann Ende Februar als Chefcoach die Nachfolge von Christian Gmünder angetreten hat.
Der 40-jährige Würzburger, der zuvor von 2015 bis 19 Trainer beim Würzburger FV in der Bayernliga war sowie von 2020 bis 22 im Juniorenbereich der Würzburger Kickers, hatte beim FC 05 2009/10 auch eineinhalb Jahre als Spieler unter Vertrag gestanden. Erst vergangene Woche hat der Bankkaufmann und Versicherungsfachmann für ein weiteres Jahr bei den Schweinfurtern unterschrieben.
Wie viele schlaflose Nächte müssen Sie jetzt im Juni wieder hereinholen?
Marc Reitmaier: Vielleicht nicht schlaflose Nächte. Aber die letzten Wochen waren geprägt von gewaltigem Druck und Belastung. Ende Februar war klar, dass der Klassenerhalt ein schweres Unterfangen wird. Konkurrenten hatten bis zu drei Nachholspiele, Wahnsinn. Aber wir haben schon vor dem ersten Spiel bei Bayern München II einen Teamspirit die Woche über gemerkt. Wir haben gespürt: Wer fleißig ist, wird aus dieser Situation herauskommen. Dranbleiben, engagiert sein, mehr machen als die Anderen - das haben wir gemacht und sind mit der unglaublichen Serie belohnt worden.
Waren Sie schon mal in einer solchen sportlichen Ausnahmesituation?
Reitmaier: Ich hatte eine große, gewinnbringende Situation: die mit dem Würzburger FV. Als ich die Mannschaft übernommen hatte, waren nach zehn Spieltagen vier Punkte auf dem Konto. Wir hatten 2016 drei Spieltage vor Schluss sechs Punkte Rückstand. Am letzten Spieltag erst haben wir gegen Bamberg den Klassenerhalt geschafft. Diese Erfahrung war wichtig für mich jetzt in Schweinfurt. So konnte ich Ruhe bewahren und wusste, an welchen Rädchen ich drehen musste. Wenn man keine Freischüsse hat, müssen Dinge hundertprozentig sitzen.
Selbst als Sie mit dem FC 05 gesichert waren, haben Sie nicht locker gelassen, wollten alles gewinnen. Geben Sie es zu: Sie sind gierig nach Erfolg.
Reitmaier: Wenn man viel investiert, will man gewinnen. Ich will auch Freundschaftsspiele und Hallenturniere gewinnen. Das Wort Freischuss kenne ich nicht. Und das transportiere ich in die Mannschaft. Selbst wenn wir im Training Vier gegen Vier spielen, erwarte ich, dass jede Vierer-Mannschaft gewinnen will. Dieses Gen musst du Tag für Tag vorleben.
Und wer muss büßen, wenn es mit den Gewinnen nicht klappt?
Reitmaier: Niemand. Es ist tatsächlich so, dass ich auch verlieren kann. Ich muss nur immer das Gefühl haben, dass wir alles investiert haben. Auch dieses Gefühl vermittle ich der Mannschaft. Man muss im Sport immer lösungsorientiert sein und auch aus Niederlagen Lehren ziehen können.
Sie haben ja einen Hund. Bekanntlich lernen Menschen auch von Tieren. Was lernen Sie von Ihrer Nelly?
Reitmaier: (schmunzelt) Nelly ist ja eine französische Bulldogge, die geben auch nie auf. Da ist immer Action dabei. Sie ist zwar erst drei Jahre alt, aber gibt mit nichts zu erkennen, dass sie im Alter ruhiger werden könnte. Sie will immer ihren Willen durchsetzen und gewinnen. Vielleicht überträgt sich das ja.
Und was haben Sie aus der abgelaufenen Saison für die kommende gelernt? Sie waren der klassische Feuerwehrmann. Können Sie auch Kommandant?
Reitmaier: Da wir einen großen Umbruch haben werden nach der Verabschiedung von mindestens 15 Spielern, müssen wir erst einmal sondieren, welche Qualität das neue Spielermaterial haben wird. Die regionale Ausrichtung im Amateur-Status ist sicher ein spannender Weg. Es ist natürlich ein Unterschied, wenn man eine komplette Vorbereitung mit der Mannschaft hat. Das hatten wir in der jetzigen Konstellation ja nicht. Nun kann ich mir klare Leitlinien zurechtlegen. Wir müssen die neue Situation erst einmal richtig einschätzen. Uns muss allen klar sein, dass das Ziel nicht anders lauten darf als Klassenerhalt. Die Basics bleiben die gleichen wie in den vergangenen drei Monaten. Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen.
Ein Geheimnis Ihres Erfolges war ganz offensichtlich der richtige Ton. Sie haben eine Mannschaft, die verängstigt war, wieder mutig gemacht.
Reitmaier: Auf alle Fälle. Zur ganzheitlichen Fitness gehört auch mentale Frische. Plötzlich kann ein Spieler einen Meter mehr gehen, ohne es zu merken. Zusammenarbeit ist ein Geben und Nehmen. Der Ton muss sicher manchmal hart sein. Aber es muss auch Lob geben, wenn spürbar ist, dass die Mannschaft investiert. Wir haben eine gute Balance gefunden.
Im Zusammenspiel mit Menschen Balance zu finden, erfordert Einfühlungsvermögen. Sind Sie ein empathischer Mensch?
Reitmaier: Ich denke schon. Ein Vorteil beim Fußball ist es, dass ich als Trainer zeitlich noch nicht so weit von der Spielerlaufbahn weg bin. Ich kann als Spieler fühlen und denken. Sicher hilft mir auch mein Beruf in der Bank, in Beratungsgesprächen muss man sich auch in Kunden hineinversetzen können.
Just in dem Moment, in dem wir über Empathie sprechen, ist gerade eben der Spieler Lucas Zeller zur Verabschiedung gekommen. Sie haben sich sehr innig umarmt. Sie hatten beide Tränen in den Augen.
Reitmaier: Ja. Er ist wirklich ein guter Mann. Lucas hinzubekommen, war nicht so einfach. Es hatte offensichtlich vor meiner Zeit Probleme gegeben. Er ist ein ganz besonderer Spieler. Als kleinen Psychologen würde ich mich zwar nicht bezeichnen, aber wir hatten hier allgemein einige Charaktere, die nicht einfach waren. Womöglich hat es mir geholfen, dass mein Einstieg in Schweinfurt als Co-Trainer erfolgt war. Ich hatte die Chance, mich in die Jungs hineinzufühlen - und habe sie auch wahrgenommen. Spieler müssen einen freien Kopf haben, um positive Energie einbringen zu können.
Mit Tobias Strobl und Christian Gmünder haben zwei Vorgänger von Ihnen während ihrer Tätigkeit in Schweinfurt die Ausbildung zum Fußball-Lehrer begonnen. Sind Sie demnächst der dritte im Bunde?
Reitmaier: Ich bin ein Mensch, der immer das Maximale erreichen will. Ich war in den vergangenen drei, vier Jahren zweimal bei den Prüfungen vor Ort, habe sie auch bestanden. Aber ich wurde nicht genommen für den Lehrgang. Der Weg wäre nach wie vor interessant für mich, aber hier gilt zunächst mein ganzes Engagement dem FC 05 und dem Aufbau der neuen Mannschaft.
Wenn wir in zehn Jahren wieder hier zusammensitzen. Was hat der dann 50-jährige Marc Reitmaier als Trainer erreicht?
Reitmaier: Da ich der Trainertyp bin, der gerne längerfristig arbeitet und nicht so sprunghaft ist, wäre ich idealerweise immer noch im gleichen Verein und hätte dort etwas aufgebaut. Meine Ziele sind nicht hochtrabend, eher bodenständig. Aber eine Liga höher.
Nach dem finalen Sieg gegen Unterhaching gab es einige Reden der Spieler im ViP-Zelt. Und Gesänge. In einem Lied wurden Sie aufgefordert, den Bizeps anzuspannen. In einem Zwischenruf ging es um eine neue Hose. Bitte klären Sie uns auf.
Reitmaier: Das mit der Hose hatte mit dem Spiel gegen Aubstadt zu tun. Wir haben spät den 2:1-Siegtreffer gemacht, ich habe einen Sprint quer über den Platz in Richtung Spielertraube angesetzt und dabei ist meine Hose gerissen. Ich bin ein etwas abergläubischer Mensch. Deswegen habe ich in den nächsten Spielen diese Hose noch angezogen. Inzwischen habe ich mir vorsichtshalber gleich zwei, drei neue Hosen gekauft. Bin also wieder bereit für so einen Sprint. Und das mit dem Bizeps hat wohl damit zu tun, dass ich gerne ins Fitness-Studio gehe.
Man sieht's. Sind Sie ein eitler Mensch?
Reitmaier: Na, ja, was heißt eitel. Nicht unbedingt. Ich war ja als Spieler auch eher der Kämpfertyp, der Fighter. Für mich ist Fitness Ausgleich und Chance, mich auszupowern. Das tut mir gut.