zurück
Steilpass
"Mein Knie ist einfach nach hinten weggeknickt": So hat der Oberwerrner Fußballer Patrick Helfrich seinen Kreuzbandriss erlebt
Auf Empfehlung seines Arztes pausierte der Defensivspieler mehr als ein Jahr, um die schwere Sportverletzung vollständig ausheilen zu lassen.
Patrick Helfrich (rechts, Archivbild von August 2023) ist seit eineinhalb Jahren Co-Spielertrainer des Fußball-Kreisklassisten FV Niederwerrn/Oberwerrn.
Foto: Steffen Krapf | Patrick Helfrich (rechts, Archivbild von August 2023) ist seit eineinhalb Jahren Co-Spielertrainer des Fußball-Kreisklassisten FV Niederwerrn/Oberwerrn.
Michael Kämmerer
 |  aktualisiert: 13.11.2024 02:37 Uhr

Nach vielen Jahren in der Fußball-Landesliga hat sich Patrick Helfrich schon mit Ende 20 in die Kreisklasse zurückgezogen. Was ihn daran gereizt hat, auch wenn er seitdem schmerzhaften Fouls ausgesetzt ist, erzählt der Defensivspieler aus Oberwerrn im Interview. Außerdem spricht der 29-Jährige darüber, wie sich ein Kreuzbandriss anfühlt, warum er als Arztsohn kein Sportverbot bekommt und welche tiefere Bedeutung Mannschaftsabende für ihn haben.

Wer hat Sie angespielt?

Patrick Helfrich: Mit Christoph Schmidt aus Hammelburg verbinden mich nicht nur die Jahre beim FC 05 Schweinfurt, SV Euerbach/Kützberg und FC Fuchsstadt, sondern auch die Zeit an der Berufsoberschule und im Studium. Wir haben alle Kurse und Projekte zusammen besucht und uns gemeinsam auf die Prüfungen vorbereitet. Nach dem Abschluss waren wir sogar Arbeitskollegen. Der enge Kontakt besteht bis heute. Auf Christophs Feier zum 30. Geburtstag gab es Ende Oktober ein großes Wiedersehen mit vielen früheren Mitspielern.

Wie war Ihr Laufweg?

Helfrich: Angefangen hat es beim SV Oberwerrn und bei der FT Schweinfurt, wo ich als Jugendlicher in die erste Mannschaft aufgerückt bin. In der zweiten Mannschaft des FC 05 hatte ich die schönste Zeit meiner Karriere – nicht nur, weil wir als Meister in die Bayernliga aufgestiegen sind. Wir waren ein verschworener Haufen. Viele davon habe ich in Euerbach wiedergetroffen, nachdem ich einen Kreuzbandriss auskuriert hatte. Nach der plötzlichen Abmeldung der Mannschaft in der Winterpause bin ich ins fußball-verrückte Fuchsstadt gewechselt. Seit eineinhalb Jahren spiele ich wieder in der Heimat und bin beim FV Niederwerrn/Oberwerrn gleichzeitig Co-Trainer.

Sie sind aufgrund der Verletzung allerdings nie in der Bayernliga zum Einsatz gekommen.

Helfrich: Natürlich hätte ich am liebsten so hoch wie möglich gespielt – gegen namhafte Gegner und in tollen Stadien. Aber ich habe nie verbissen darauf hingearbeitet. Mir fehlt rückblickend nichts in meiner persönlichen Statistik. Ich bin auch nicht zum FC 05 mit der Absicht gewechselt, über die U23 den Sprung ins Regionalliga-Team zu schaffen. Wir waren in der zweiten Mannschaft alle im gleichen Alter, hatten Lust auf Fußball und haben gleich getickt. Das war viel cooler.

Warum hat es nach Ihrem Kreuzbandriss so lange gedauert, bis Sie wieder gespielt haben?

Helfrich: Ich habe mir 15 Monate Zeit genommen, um die Verletzung ausheilen zu lassen und vollständig fit zu werden. Auf Empfehlung des renommierten Kniespezialisten Heinz-Jürgen Eichhorn bin ich nicht früher eingestiegen, damit das Kreuzband nicht erneut reißt, wie das bei anderen der Fall ist, die nach kürzerer Verletzungspause ihr Knie wieder belasten. Was mein Comeback anging, habe ich mir keinen Druck gemacht.

Vor der Rückkehr zu seinem Heimatverein nach Oberwerrn spielte Patrick Helfrich unter anderem beim SV Euerbach/Kützberg (Archivbild von November 2021).
Foto: Steffen Krapf | Vor der Rückkehr zu seinem Heimatverein nach Oberwerrn spielte Patrick Helfrich unter anderem beim SV Euerbach/Kützberg (Archivbild von November 2021).
Wie fühlt es sich an, wenn das Kreuzband reißt?

Helfrich: Ich habe mit anderen gesprochen, die meinten, es seien die Schmerzen ihres Lebens gewesen. Das war bei mir nicht so. Ich hatte wohl einen Schock, weil ich wusste, dass im Knie etwas kaputt ist. Ich bin nach dem Spiel zum Auto gehumpelt und konnte nach Hause fahren, weil meine Muskulatur noch angespannt war. Am nächsten Tag hat sich das Ausmaß gezeigt, als das Knie nach hinten weggeknickt ist. Mein Vater ist Chirurg und Orthopäde und hat alle Untersuchungen gemacht. Zwei Wochen später wurde ich operiert.

Hat Ihr Vater Ihnen angesichts der Verletzungsgefahr nie davon abgeraten, Fußball zu spielen?

Helfrich: Nein, was sicher daran liegt, dass er selbst sein ganzes Leben Fußballer war und bis vor einigen Jahren bei den Senioren in Oberwerrn gekickt hat. Er tut sich jedoch vor allem seit meiner Verletzung schwer damit, mir bei den Spielen zuzuschauen. Als Arzt sieht er in seiner Praxis genug Sportverletzungen und weiß, was alles passieren kann, wenn ich gefoult werde.

"Schmerzhafte Fouls passieren häufiger, wenn man für die Gegenspieler zu schnell ist."
Patrick Helfrich, Fußballer
In der Kreisklasse, wo Sie mit dem FV Niederwerrn/Oberwerrn unterwegs sind, geht es rustikal zu.

Helfrich: Ich bekomme mehr auf die Füße als in der Landesliga. Schmerzhafte Fouls passieren häufiger, wenn man für die Gegenspieler zu schnell ist. Ich muss den Ball schneller abgeben und kann mich nicht in Alleingängen verstricken. Die Gegner entwickeln einen besonderen Ehrgeiz, mir als höherklassig erfahrenem Spieler ihre Verbissenheit in den Zweikämpfen zu zeigen. Die harte Gangart verstehe ich nicht. Fußball ist unser Hobby. Es geht um die Gesundheit. Deshalb bin ich nach 90 Minuten froh, wenn alles gutgegangen ist.

Fühlen Sie sich durch die Schiedsrichter ausreichend geschützt?

Helfrich: Das ist ein schwieriges Thema. Es gibt Schiedsrichter, die einen guten Job machen und ein wachsames Auge haben. Andere scheinen manches gegen Spieler wie mich bewusst laufen lassen. Es kam schon vor, dass ich bei jeder Aktion gefoult wurde, ohne dass es für den Gegner Konsequenzen hatte. Da kann ich nur den Kopf schütteln.

Worin lag dann der Reiz, in die Niederungen des Fußballs zu wechseln?

Helfrich: Es war eine Mischung aus allem. Nach einer beruflichen Veränderung im letzten Jahr wollte ich meinen Aufwand beim Fußball reduzieren. In der Landesliga hat man dreimal pro Woche Training und fährt am Wochenende zweieinhalb Stunden irgendwohin. Das hat sich bei mir mittlerweile abgenutzt, auch wenn ich den sportlichen Ehrgeiz noch hätte. Andererseits bin ich heimatverbunden und in Oberwerrn verwurzelt. Meine Rückkehr war eine Herzensangelegenheit und nur eine Frage der Zeit. Die Jungs haben Lust auf Fußball und wollen sich verbessern. Wir sind oft über 20 Leute beim Training und haben eine der schönsten Sportanlagen. Das war für mich ausschlaggebend und nicht die Ligazugehörigkeit.

Weniger Übungseinheiten, kürzere Auswärtsfahrten und den eigenen Sportplatz um die Ecke, dafür aber nicht nur Spieler, sondern auch Co-Trainer.

Helfrich: Ich habe das unterschätzt. Ich hatte nicht gedacht, dass es so ein Aufwand ist, sich um eine Kreisklassen-Mannschaft zu kümmern. Was das Organisatorische angeht, nimmt mir zum Glück unser Cheftrainer Matthias Fiedler fast alles ab. Er schaut sich vor einem Spiel viele Statistiken an und kennt die gegnerischen Akteure. Bei der Trainingsvorbereitung besprechen wir uns im Vorfeld. Ich bin vor allem für die Motivationsreden zuständig und bahne durch meine Kontakte Testspiele an.

Haben Sie es sich auch einfacher vorgestellt, die Mannschaft in der Kreisklasse auf ein höheres Niveau zu heben?

Helfrich: Ich habe von Beginn an gesagt, dass ich kein Spieler bin, der sich am eigenen Strafraum den Ball schnappt und vorne ein Tor schießt und so jedes Wochenende den Unterschied ausmacht. Der Verein hat jahrelang gegen den Abstieg gespielt. Wir haben einige gute Leute bekommen. Doch die Entwicklung braucht Zeit. Der Teamgeist wächst durch dreckige Siege und vier, fünf Mannschaftsabende pro Saison.

Was macht die Karriere neben der Karriere?

Helfrich: Ich bin als Wirtschaftsingenieur technischer Angestellter im Bereich Innovation und Entwicklung bei einer Schweinfurter Baufirma. In meinem Job geht es um mobile Photovoltaikanlagen für die Nachhaltigkeit auf Baustellen. Nebenbei bin ich selbstständig mit einem kleinen Unternehmen für E-Commerce und Online-Marketing, das ich während des Studiums mit meinen Mitspielern Nikos Bude und Kim Herder gegründet habe.

Wen spielen Sie an?

Helfrich: Ich gebe ab zu Benjamin Freund, der aus Oberwerrn kommt. Da unsere Familien befreundet sind, kennen wir uns seit Kindertagen und haben unzählige Urlaube miteinander verbracht. Benny ist ein Urgestein der FT Schweinfurt. Wir waren Teamkollegen und nach meinen Vereinswechseln Gegner. Nach seinen schweren Verletzungen ist er immer noch als Spielertrainer der zweiten Mannschaft am Ball. Das unterstreicht seinen vorbildlichen Ehrgeiz.

Das Interview-Format "Steilpass"

In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.
cam

Weitere Steilpass-Interviews:

Christoph Schmidt: "Adam Jabiri würde mich auf dem Bierdeckel ausspielen"

Martin Halbig: Vom Halb-Profi zum Bratwurst-Tester: Martin Halbig genießt sein neues Leben als Fußball-Rentner

Dominik Schmitt: Bundesliga oder Bierkönig? Gerolzhofens Spielertrainer landete auf Malle statt im Profi-Fußball

Fabian Röder: Der Kapitän spricht Klartext: "Der große Knall war das Beste für den Verein"

Tobias Burger: Plötzlich wollte ein halbes Dutzend Vereine den Aidhäuser Torjäger haben

Marco Bulheller: Ein Organspender rettete dem Aidhäuser Fußballer das Leben

Björn Schönwiesner: Das sagt der Bad Kissinger zum Manipulationsvorwurf in der Regionalliga-Relegation

Christoph Schüller: Seine Tischtennistouren waren ein extremer Wochendtrip

Udo Braungart: "Ich war als Trainer der Felix Magath des Tischtennis"

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Niederwerrn
Oberwerrn
Michael Kämmerer
1. Fußballclub Schweinfurt 1905
Adam Jabiri
Christoph Schüller
Dominik Schmitt
FC Schweinfurt
FT Schweinfurt
FV Opferbaum
Felix Magath
Fußball-Landesligen
Martin Halbig
Online-Marketing
Orthopädinnen und Orthopäden
SV Theilheim
Steilpass
Strafraum
Torjäger
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top