
Eine Fanbus-Fahrt im Fußball ist nichts Außergewöhnliches. Und auf den ersten Blick wirkt jene Busreise am Sonntagmorgen auch nicht spektakulär. Die Stimmung ist gut, das ein oder andere alkoholische Getränk fließt den Gaumen hinunter. So weit, so bekannt. Aber: Es geht nicht zu einem Fußballspiel, sondern zum Tischtennis.
Unter den knapp 40 Anhängern des Tischtennis-Bundesligisten TSV Bad Königshofen, die sich bereits um 7.30 Uhr auf den Weg in den Westerwald gemacht haben, sind auch elf Mitglieder der Ping-Pong-Ultras, einer Gruppierung Tischtennis-Verrückter, die es mit dem TSV halten. "Der harte Kern besteht mittlerweile aus 20 Leuten, insgesamt sind wir etwa 30 bis 35 Personen", sagt Josef Weber, Mitglied der Ultra-Bewegung.
Die Fankultur im Tischtennis ist bei Weitem nicht so ausgeprägt wie im Fußball. Richtige Fanklubs gibt es selten. In einem Masterplan verfolgte die Tischtennis-Bundesliga (TTBL) das Ziel, diese Kultur zu fördern. Vorgesehen war, dass Vereine pro Saison verpflichtende Auswärtsfahrten durchführen und einen Fanklub haben müssen. "Mit Ausbruch der Corona-Pandemie wurde das Vorhaben nicht weiter verfolgt", berichtet Andreas Haben, verantwortlich für Finanzen, Spielbetrieb und Events bei der TTBL.
In Bad Königshofen ist das gar nicht nötig. Dort haben die Ultras in der Shakehands-Arena ihren festen Platz. Mittig auf der Haupttribüne. Einige sitzen, der Großteil steht. In ihren orangefarbenen T-Shirts sind sie nicht zu übersehen. Selbstverständlich werden auch die Auswärtsfahrten in den orangefarbenen Shirts und blauen Überjacken angetreten. Warum diese Kombination? "Orange soll herausstechen und Blau ist die dazugehörige Komplementärfarbe", weiß Josef Weber, der über seinen Sohn zum Tischtennis nach Bad Königshofen kam. Seit der Saison 2018/2019 ist er fester Bestandteil der Ping-Pong-Ultras.
Große Altersspanne und lautstarke Unterstützung
Die fanden sich im Verlauf der ersten Bundesliga-Saison des TSV Bad Königshofen (2017/2018) zusammen. Die Namensfindung erfolgte später. Einige der Anhänger waren schon zu Zweitliga- manche sogar zu Regionalliga-Zeiten regelmäßig bei den Spielen. "Am Anfang waren wir etwa zehn Leute. Über die Jahre kamen immer mehr dazu", erinnert sich Gustav Hahn, Mitglied der Ultras seit der ersten Stunde.
Das jüngste Mitglied ist 15 Jahre, die ältesten sind um die 70 Jahre. Auf Gustav Hahn geht auch das Logo der Ping-Pong-Ultras zurück. "Zusammen mit Karin Fecke habe ich auf einem Bierdeckel ein bisschen rumgekrizelt. Und schon war das Logo geboren." Es zeigt Kinderköpfe, die an Tischtennis-Bälle erinnern. Darunter steht: Netz, Netz, Netz – zählt ah. Eine Anspielung auf die sogenannten Netzroller, die im Tischtennis nur schwer zu retournieren sind.

Tischtennis ist ein ruhiger Sport. Zumindest während den Ballwechseln. Dazwischen wird geklatscht, gerufen und angefeuert. In manchen Hallen mehr, in manchen weniger. Wenn die Ping-Pong-Ultras irgendwo auftauchen, bleibt es nicht ruhig. Gerade die markante, leicht kratzige Stimme von Josef Weber bleibt im Ohr. "Wir saßen einmal in Bad Königshofen in einem Restaurant. Und dann kam jemand und hat mich angesprochen. Ich habe ihn nicht gekannt. 'Josef, weißt du, warum ich zum Tischtennis gehe? Nur wegen dir.' Das war eine schöne Geschichte."
Auch über die Landkreisgrenzen hinweg sind Weber und die Ping-Pong-Ultras mittlerweile bekannt. Bei einem Auswärtsspiel in Thüringen wollte Josef Weber seinen Augen und Ohren nicht trauen. "In Mühlhausen, das war der Hammer, da wollte ein Fan ein Foto mit mir machen. Nicht mit den Spielern. Nein! Mit mir, mit den Schreiteifel!"

Fan-Gesänge entwickeln sich spontan
Wenn Weber einen Fan-Gesang anstimmt, steigen alle mit ein. Ohne ihn würden die Ultras an Stimmgewalt verlieren. Sie bedienen sich bei ihren Gesängen an Klassikern aus der Musikgeschichte. Queens "We Will Rock You" wird zu "Filip, Filip Zeljko". Der Kroate geht in seine neunte Saison beim einzigen bayerischen Tischtennis-Bundesligisten. Auch für den scheidenden Japaner Jin Ueda haben die stimmgewaltigen Ultras einen bekannten Song umgetextet. Aus "Hey Jude" (Beatles) wird "Hey Jin". In der neuen Saison ist erneut die Kreativität der Ultras gefragt. Mit dem Österreicher Daniel Habesohn (38 Jahre) und dem deutschen Nationalspieler Andre Bertelsmeier (19) hat der TSV Bad Königshofen zwei Neuzugänge verpflichtet und damit zusätzliche Arbeit in Sachen Fangesänge beschert.
Der TSV Bad Königshofen ist nicht der einzige Verein mit einem Fanklub. Auch andere Bundesligisten, wie Rekordmeister Borussia Düsseldorf (seit 1988) oder der TTC Zugbrücke Grenzau (seit 1989) können auf diese Unterstützung bauen. So ausgeprägt wie in Bad Königshofen ist die Fankultur dort aber nicht. Beim Play-Off-Spiel im Düsseldorf im Mai 2024 sorgten die zahlenmäßig unterlegenen Unterfranken für mehr Stimmung als die Rheinländer. Dabei feuern die Ping-Pong-Ultras ihre Mannschaft mit nur einem Werkzeug an: der eigenen Stimme. "Trommeln und Tröten machen die Fankultur kaputt", sagt Weber.
Die Ping-Pong-Ultras sind ein loser Zusammenschluss von Tischtennis-Verrückten. Mitgliedsbeiträge oder gar eine Vorstandschaft gibt es nicht. Auch für neue Mitglieder zeigen sich die Ping-Pong-Ultras offen. "Wir haben keine Aufnahmeprüfung. Aber er oder sie muss zu uns passen. Wir wollen keine Pöbler. Die werden bei uns schnell wieder ausgeschlossen."
