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Würzburg
Kann Bauen in Würzburg wieder günstiger werden? "Wir müssen an die Baukosten ran", meint Stadtbau-Chef Hans Sartoris
18 Jahre war Hans Sartoris Geschäftsführer der Stadtbau Würzburg GmbH, am 1. August geht er in Ruhestand. Wie schätzt er die Lage des Wohnungsbaus ein? Und welche Rolle spielt die Stadtbau?
Lenkte 18 Jahre lang die Geschäfte der Stadtbau Würzburg GmbH: Hans Sartoris. Zum Ende dieses Monats geht er in den Ruhestand.
Foto: Johannes Kiefer | Lenkte 18 Jahre lang die Geschäfte der Stadtbau Würzburg GmbH: Hans Sartoris. Zum Ende dieses Monats geht er in den Ruhestand.
Christoph Sommer
 und  Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 27.07.2024 02:41 Uhr
Frage: 'Wird Wohnen in Würzburg zum Luxus?' lautete vor sieben Jahren der Titel eines Stadtgesprächs dieser Redaktion, an dem Sie teilgenommen haben. Die Situation hat sich seitdem gefühlt zugespitzt. Welche Rolle spielt die Stadtbau GmbH auf dem Würzburger Wohnungsmarkt?

Hans Sartoris: Eine riesige Rolle. Insbesondere im frei finanzierten Neubau werden Mieten von 14 bis 16 Euro pro Quadratmeter verlangt. Das ist mit Sicherheit etwas, was für viele Leute schlicht und einfach nicht bezahlbar ist. Als Stadtbau nutzen wir hier drei Interventionsmöglichkeiten. Die erste: Wir liegen mit unserem Bestand im Moment 15 Prozent unterhalb des Mietspiegels. Die zweite ist, dass unsere Neubaumieten klar unter den möglichen Mieten bleiben. Die dritte ist der hohe Anteil von gefördertem Wohnraum. Heute haben wir zum ersten Mal mehr als 2000 Wohnungen im geförderten Bereich.

In unserem Nachbarland Österreich hat der geförderte Wohnungsbau einen Anteil von 60 Prozent bei den Mietwohnungen. Sollte nicht auch in Deutschland ein höherer Anteil gelten, und zwar für alle Bauherren?

Sartoris: Die Marktwirtschaft ist möglicherweise nicht das richtige Instrument für ein Wirtschaftsgut, das ein Grundbedürfnis abdeckt. Der Unterschied zu Österreich ist, dass dort die Eigentümersituation eine ganz andere ist. Da haben kommunale Wohnungsgesellschaften Riesenanteile des Wohnungsbestands. Zu dem ganzen Elend in Deutschland hat die eine oder andere Kommune beigetragen, die ihre eigenen kommunalen Wohnungsgesellschaften verkauft haben. Der Kelch ist in Würzburg Gott sei Dank an uns vorbeigegangen. Entscheidend ist letztlich immer die Eigentümersituation.

Diese Häuser der Stadtbau an der Landebahn des Landesgartenschaugeländes wurden 2016 gebaut.
Foto: Patty Varasano (Archivfoto) | Diese Häuser der Stadtbau an der Landebahn des Landesgartenschaugeländes wurden 2016 gebaut.
Was heißt das konkret?

Sartoris: Wir haben im Moment die absurde Situation, dass private Investoren teilweise nur noch geförderte Wohnungen bauen. Mit den hohen Baukosten steigt das Risiko für Vermieter. Da ist die Wohnungsbauförderung im Freistaat Bayern attraktiver. Das führt dazu, dass diese Investoren der Stadt sehr hohe Grundstückspreise anbieten und wir im Wettbewerb unterliegen. Für die ist eine Immobilie aber letztlich nur ein Wirtschaftsgut. Es gibt genug sogenannte "Schrottimmobilien", die zigmal weiterverkauft wurden und vielleicht sogar in der öffentlichen Förderung waren. Am Ende hat man eine notleidende Immobilie, und dann kommt plötzlich der Ruf: Die Stadtbau soll kaufen! Eine hohe Quote von gefördertem Wohnungsbau ist also nicht das Allheilmittel, sondern es geht um die Frage: Wem gehört Grund und Boden, wem gehören die Häuser?

Wir haben jetzt die vielen geförderten Wohnungen auf der einen Seite und die teuren, frei finanzierten auf der anderen. Bleiben dabei nicht Menschen auf der Strecke, die keinen Anspruch auf geförderten Wohnraum haben, sich aber auch die hohen Mieten nicht leisten können?

Sartoris: Das ist richtig. Der Grund dafür sind die Baukosten. Wir liegen jetzt im Moment bei knapp 5000 Euro pro Quadratmeter – ein Wahnsinn. 2017 lagen wir noch bei 3200 Euro. 37 Prozent von den 5000 Euro stecken aber nicht im Bauwerk, sondern in Verfahren, Bürokratie und Planungshonoraren. Heute wird jedes Haus mit vielleicht zwölf Wohnungen so behandelt wie ein Einmalwerk, wie Neuschwanstein! Daneben gibt es aber auch die gestiegenen Materialkosten.
Wir müssen an diese Baukosten ran. Auch wenn es kompliziert wird, bin ich heute zuversichtlich, dass uns das gelingen kann. In der Frankfurter Straße haben wir jetzt ein Projekt in der modularen Holzbauweise realisiert. Das bauen wir jetzt in der Lindleinsmühle auch. Da liegen wir deutlich unter 4000 Euro. Das liegt daran, dass wir dort ein in Teilen vorgefertigtes Produkt nutzen.

Welche Vorteile hat das?

Sartoris: Es sind Riesenvorteile: reduzierte Kosten und Bauzeit, weniger beteiligte Firmen, geringere Planungs- und Verfahrenskosten. Mit diesem Hebel können wir die Baukosten so weit senken, dass wir wieder frei finanzierte Mieten von zehn bis zwölf Euro anbieten können. Was die Anbieter von vorgefertigten Modulen jetzt brauchen, sind größere Mengen. Dadurch könnten die Kosten weiter sinken. Wir bräuchten jetzt eigentlich eine Plattform, wo alle, die in den nächsten zehn Jahren bauen wollen, gemeinsam für die notwendigen Mengen bei den Herstellern sorgen. Wenn das in den nächsten Jahren passiert, bin ich davon überzeugt, dass wir die Spitze der Baukosten gesehen haben.

Auf der Baustelle: Stadtbau-Chef Hans Sartoris beim Rundgang im Neubauprojekt Hubland II im Juni 2022. 
Foto: Thomas Obermeier | Auf der Baustelle: Stadtbau-Chef Hans Sartoris beim Rundgang im Neubauprojekt Hubland II im Juni 2022. 
Die Kosten sind das eine, knapper Baugrund das andere. Müsste man in Würzburg stärker in die Höhe bauen?

Sartoris: Ich persönlich hätte mir auch vorstellen können, dass man am Hubland höher baut. Das Hubland ist aber eine wichtige Frischluftschneise für die Stadt. Der Klimaschutz limitiert die Möglichkeiten in Würzburg mit seiner Kessellage. Es geht auch nicht nur um die Höhe. Am Hubland hat sich die Stadt für gemischte Strukturen bis hin zu Einfamilienhäusern entschieden. Da gibt es auf 10.000 Quadratmetern 20 Haushalte, in anderen Bereichen sind es 175 Haushalte. Eine Stadt wie Würzburg muss sich überlegen: Wie gehen wir mit unserem limitierten Grund und Boden um? Wenn man das abwägt und gewichtet, hätte man auf die Idee kommen können, am Hubland auf diese Einfamilienhäuser zu verzichten, die ja auch im Hinblick auf Flächenverbrauch, Ökologie grenzwertig sind.

2022 haben Sie 1,13 Millionen Euro Gewinn gemacht, einen Teil davon müssen Sie an den städtischen Haushalt abgeben. Betrübt Sie das?

Sartoris: Ich finde es schade, vor allem weil es sich um für die Stadt geringe Beträge handelt, die uns aber fehlen. Wir finanzieren unsere Neubauten mit vielleicht zehn, 15 oder 20 Prozent Eigenkapital. Bei 700.000 Euro Ausschüttung ergeben sich also 3,5 Millionen in der Gesamtfinanzierung. Damit könnten wir rund 20 Altbauwohnungen energetisch modernisieren oder zehn bis zwölf Wohnungen neu bauen. Diese Dimension von Nicht-Investitionen wird nicht gesehen, das Geld versickert im Haushalt. Ich fände es besser, wenn das Geld wenigstens gezielt für Fahrradwege oder andere Investitionen in Stadtteilen und Wohnquartieren verwendet würde.

Um viel Geld ging es auch 2022, als Sie auf eine Zahlung von 1,6 Millionen Euro verklagt wurden. Dieser Schaden ist der Stadtbau entstanden, weil Sie ihre Pflichten als Geschäftsführer verletzt hätten…

Sartoris: Der Sachverhalt ist das eine. Auch wenn ich der Meinung bin, dass ich keinen Fehler gemacht habe, ist es von Seiten der Stadt als Gesellschafterin legitim und notwendig, dass sie die Geschäftsführer-Versicherung nutzt, um den Schaden für die Stadtbau zu minimieren. Das war der Hintergrund der Klage und das wurde ja auch erreicht. Etwas anderes ist die Frage, wie man emotional und persönlich mit mir umgegangen ist. Ich habe vor allem vermisst, dass man mir Vertrauen vermittelt. Stattdessen gab es genug Situationen, die bei mir zu einer Enttäuschung geführt haben. Ein Beispiel: Ohne jede Vorankündigung habe ich eine Viertelstunde vor dem entsprechenden Tagesordnungspunkt erfahren, dass man mir die Entlastung für das Geschäftsjahr 2016 verweigert. Ich finde, das gehört sich nicht, das hat auch zu Verletzungen geführt. Inzwischen ist Gras darüber gewachsen, ich bin um eine Erfahrung reicher.

Gibt es etwas, das in Ihrer Amtszeit hätte anders laufen müssen?

Sartoris: Eigentlich müssten wir am Hubland mehr als diese zwei Grundstücke mit 300 Wohnungen haben. Dazu hätte ich die langfristigen Vorzüge eines kommunalen Wohnungsunternehmens deutlicher kommunizieren müssen.

Bei welchen zukünftigen Entwicklungen wären Sie gern noch dabei gewesen?

Sartoris: Ein wichtiges Thema ist, gemeinschaftliche Flächen stärker als bisher mitzuplanen, mehr gemeinsam nutzbare Räume zu schaffen – zum Treffen oder für andere Zwecke, als Fahrradwerkstatt etwa. Dadurch entsteht auch eine gute Nachbarschaft, was uns auch als Vermieter hilft. Oder wie wäre es, wenn man statt Gästezimmern in den Wohnungen zu haben, Gästeappartements mieten kann? Im Hubland II bieten wir so etwas inzwischen an. All das trägt dazu bei, dass man weniger Wohnfläche braucht und wir kostengünstiger bauen können. Eine solche Entwicklung hätte ich gern noch weiter begleitet.

Veranstaltungstipp: "Wohnen in Würzburg – 90 Jahre Stadtbau": So lautet der Titel eines neu erschienenen Buches. Darin geht es um die Entwicklung des Wohnungsbaues und die Geschichte der Stadtbau als Wohnungsbaugesellschaft. Öffentlich vorgestellt wird das Buch am Mittwoch, 24. Juli, bei einem Gesprächsabend im Felix-Fechenbach-Haus. Beginn ist um 18 Uhr (Einlass 17.30 Uhr), der Eintritt ist frei.

Stadtbau Würzburg GmbH

Die Stadtbau Würzburg GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der Stadt Würzburg. Sie entstand 2011 aus der Verschmelzung der 1934 gegründeten Gemeinnützigen Gesellschaft für Kleinwohnungen und der 1966 gegründeten Heuchelhof-Gesellschaft. Deutlich mehr als die Hälfte aller Würzburger Sozialwohnungen liegt in den Händen des Unternehmens. Zu einem großen Teil stammen die Immobilienbestände aus der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren sowie aus den 1970er Jahren mit den damals neuen Stadtteilen Lindleinsmühle und Heuchelhof. In den letzten 15 Jahren kamen durch verstärkte Neubauaktivitäten neue Bestände dazu, mit Schwerpunkt am Standort Hubland. Die Stadtbau hat derzeit 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Etwa 13.000 Menschen und damit zehn Prozent der Würzburger Bevölkerung leben in einer der rund 5600 Stadtbau-Wohnungen.
Quelle: ella/tsc
 
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  • Jo Schmitt
    Sehr geehrter Herr Sartoris,

    das Interview mit Ihnen habe ich mit lachenden, aber auch einem weinenden Augen genossen.
    Für die offenen Worte in Richtung des Stadtrates und der Verwaltung dürfen Sie sich - bestimmt nicht nur meiner - Unterstützung ausdrücklich versichern.

    Mein Appell an Entscheidungsträger geht in die Richtung wie mit eigenen Grundstücken verfahren wird. Andere Kommunen (auch in Bayern) sind inzwischen (wieder) dazu übergegangen Flächen nicht mehr zu veräußern, sondern haben sich an die Möglichkeit der Errichtung von Gebäuden unter Erbbau- bzw. pachtrecht erfolgreich erinnert. Die Vergabe kann hier sehr einfach an eine entsprechenden Zuschnitt von Wohnungs- bzw. Wohnraumanteilen gebunden werden. Ziemlich unabhängig von sonstigen Satzungen bzw. Festlegungen.
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