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HOHESTADT
Wie Taylor Swift der Firma Herrhammer zu einem Auftrag verhalf
70 Jahre Herrhammer: Zwei Generationen von Geschäftsführern im Gespräch über Familienunternehmen, Fachkräftemangel und Diskretion gegenüber dem Kunden.
Geschäftsführer Ralf Diesslin (l.) und Seniorchef Peter Herrhammer (r.) vor einer Herrhammer-Maschine. Von Vertragsabschluss bis zur Auslieferung einer Kerzenmaschine vergehen durchschnittlich vier bis sechs Monate.
Foto: Dita Vollmond | Geschäftsführer Ralf Diesslin (l.) und Seniorchef Peter Herrhammer (r.) vor einer Herrhammer-Maschine. Von Vertragsabschluss bis zur Auslieferung einer Kerzenmaschine vergehen durchschnittlich vier bis sechs Monate.
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:41 Uhr

Vor 70 Jahren, im Juni 1948, legte Alfred Herrhammer den Grundstein für die heutige Herrhammer GmbH Spezialmaschinen aus Ochsenfurt, die als weltweit führender Hersteller für Kerzenmaschinen gilt. 1972 stieg Sohn Peter Herrhammer ins Unternehmen ein; 2014 übergab dieser die Geschäftsführung an seinen Schwiegersohn Ralf Diesslin. Ein Gespräch mit zwei Generationen von Geschäftsführern.

Frage: Welchen Stellenwert hat das Jubiläum für Sie?

RALF DIESSLIN: Es ist für uns ein großer Meilenstein. Das Unternehmen wurde von Peter Herrhammers Vater Alfred gegründet, kurz nach dem Krieg, aus dem Nichts heraus. Dass wir in eine Nische, die Kerzenmaschinenbranche, gestoßen sind, war Zufall: Bei der Bombardierung Würzburgs ist die Kerzenmanufaktur Schenk abgebrannt. Alfred Herrhammer sollte die Kerzenmaschine reparieren – die Schäden waren aber so groß, dass er stattdessen ein neues Exemplar entwickelte, das zum Verkaufsschlager wurde.

PETER HERRHAMMER: Wir haben in den 50er Jahren als letzter der Hersteller für Maschinen für die Kerzenindustrie angefangen, uns zu etablieren und uns über die Jahre zum Marktführer entwickelt. Wachsen können wir nur noch, indem wir Zukäufe tätigen und Marktanteile von Wettbewerbern dazugewinnen: In den 80er Jahren haben wir eine kleine Firma in Neustadt an der Weinstraße gekauft, und 2005 den früheren Marktführer der Branche, die Firma Kürschner, übernommen.

War das der bisherige Höhepunkt der Firmengeschichte?

HERRHAMMER: Ja. Wir haben viele Jahre mit der Firma verhandelt, die wesentlich größer und umsatzstärker war als wir. Erst als wir mit unseren Teelichtanlangen so erfolgreich am Markt waren, dass wir Kürschner übertroffen haben, war es uns möglich, die Firma zu übernehmen.

Wie ging die Übernahme vonstatten?

HERRHAMMER: Es ist ein Risiko, eine ähnlich große Firma wie man selbst zu übernehmen – beide müssen ausgelastet sein und gut laufen. Es war viel Verantwortung, die Integration hat aber sehr gut geklappt. Und es kamen neue Kunden dazu: aus Afrika, Australien, Asien und Amerika.

Gibt es ein Land, das Sie noch nicht beliefert haben?

DIESSLIN: Wir liefern weltweit und schicken jede Woche Angebote für alle fünf Kontinente raus. Nicht von uns beliefert werden zum Beispiel der Iran und Syrien. Wir dürften in den Iran liefern, aber wenn wir jemanden dorthin zur Montage schicken, braucht derjenige anschließend nicht mehr in die USA zu fliegen. Das wollen wir nicht riskieren.

Könnte der drohende Handelskrieg zwischen den USA und China Auswirkungen auf Ihre Firma haben?

HERRHAMMER: Ich glaube nicht, dass für unser Produkt in den USA Strafzölle anfallen werden. Doch selbst, wenn: Will ein Betrieb in unserer Branche fortschrittlich und kostengerecht produzieren, kommt er um Automatisierung nicht herum. In den USA gibt es da immer noch ganz schöne Defizite. In den 90er Jahren und auch danach habe ich bei meinen Amerika-Reisen zum Beispiel oft gesehen, dass Dochte, die bei uns automatisch eingesetzt werden, noch von Hand ins Wachs gedrückt wurden.

Wie entwickelt sich die Branche?

HERRHAMMER: Der Markt ist sehr konstant, über viele Jahre, ja gar Jahrzehnte. Man weiß, welches Volumen jährlich investiert wird. Die Schwerpunkte verschieben sich, mal ist Polen der stärkste Markt, mal China – aber das Investitionsvolumen ist immer ungefähr gleich hoch.

Wie viele Kunden haben Sie weltweit?

DIESSLIN: Etwa 350 Kunden, in der Regel Familienunternehmen. Die Konzernkunden kann man an einer Hand abzählen. Sehr wichtig ist uns Diskretion. Wir arbeiten mit Kundenkürzeln – und sprechen auch intern in diesen Kürzeln. Der volle Kundenname fällt nicht und ist auch in unseren Hallen auf keiner Kerzenmaschine oder Teilen davon zu lesen. Der Hintergrund: Wenn bei uns Kunden zu Besuch sind, sollen sie nicht sehen, was zum Beispiel die Konkurrenz bestellt hat.

Eine Bestellung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

DIESSLIN: Einer unserer Kunden betreibt eine Kerzenmanufaktur in Marseille und stellt High-End-Kerzen für Luxus-Labels wie Hermes und Louis Vuitton her. Vor einiger Zeit wurde Taylor Swift von der Modezeitschrift Vogue interviewt. Eine Frage war: „Was ist Ihre Lieblingskerze?“ Es war eine Kerze von ebendieser Marseiller Manufaktur. Vier Wochen später hatte ich den Auftrag für eine komplett neue Anlage, weil sie in Marseille mit der Produktion besagter Kerze nicht mehr nachgekommen sind; die Fans sind wie wild darauf abgefahren.

Dass es Teelichter seit Jahren nicht mehr lose im Sack, sonder komprimiert als Block zu kaufen gibt, geht auf Ihre Firma zurück . . .

DIESSLIN: Ja. Bei einem Wettbewerb von Ikea haben wir unseren Vorschlag eingereicht – die bessere Produktpräsentation der Teelichter, die zudem platzsparender ist, überzeugte Ikea. Kurze Zeit später hatten wir Bestellungen für fünf Produktionslinien dieser Verpackung, da alle Ikea-Lieferanten ihre Teelichter von da an als Block verkaufen mussten. Inzwischen ist der Block das meistverkaufte Teelicht-Produkt auf dem Weltmarkt.

Wollen Sie auch in Zukunft am Standort Hohestadt festhalten?

DIESSLIN: Ja. Sollten wir mehr Platz brauchen, haben wir genügend Raum, um zu expandieren.

Stichwort Familienunternehmen: Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen?

DIESSLIN: Ein Vorteil sind die kurzen Entscheidungswege. Es werden nicht erst tausend Formulare ausgefüllt, um eine Schraube zu bestellen. Sehr wichtig ist auch, dass ich meinen Schwiegervater nicht verloren habe, seit er in Rente ist. Wenn ich ihn brauche, ist er da, das ist für die Entscheidungsfindung sehr wichtig und gibt mir viel Rückhalt. Für die Mitarbeiter bedeutet ein Familienunternehmen Konstanz: Sie sehen, die nächste Generation ist da, es geht weiter.

HERRHAMMER: Nachdem ich 2014 offiziell in Rente gegangen bin, habe ich sofort einen Beratervertrag übernommen, um der Firma weiter zur Verfügung stehen zu können. Im eigenen Familienbetrieb möchte man, dass das Wissen nicht so schnell verloren geht. Ich bin fast jeden Tag ein paar Stunden da, kann es mir aber auch erlauben, mal auf eine Schiffsreise zu gehen und mehrere Wochen oder gar Monate weg zu sein.

Gelingt es Ihnen, Geschäftliches und Privates zu trennen?

HERRHAMMER: Man kann das Geschäftliche zuhause nicht völlig ausgrenzen. Das ist immer auch Gesprächsthema.

DIESSLIN: Das ist richtig. Wir gehen uns da aber nicht auf den Wecker, es ist auch mal Feierabend.

Sie beide vertreten zwei Generationen von Geschäftsführern. Mit welchen Herausforderungen hatten bzw. haben Sie zu kämpfen?

HERRHAMMER: Als ich 1972 in die Firma eingestiegen bin, hat sich mein Vater zurückgezogen und nur noch mit Altmaschinen und Altkunden beschäftigt. Zu dem Zeitpunkt kam die Automatisierung auf: Man hat nicht mehr nur Einzelmaschinen gebaut, sondern komplette Anlagen, an denen mit nur einer Person, die sie bedient hat, Kerzen produziert werden konnten. Ein weiterer Schwerpunkt war das Erlangen der Marktführerschaft. In meine Geschäftsführer-Zeit fielen die Zukäufe und die Internationalisierung.

DIESSLIN: Eines meiner großen Themen ist der Fachkräftemangel. Wenn Sie zum Beispiel einen Mechatroniker suchen, bekommen Sie vielleicht fünf Bewerbungen; vor zehn Jahren waren es 30 oder 40. Wir bilden zum Mechatroniker und zum technischen Produktdesigner aus– und tun das noch sehr gut: mit aktuell zehn Auszubildenden.

Wie begegnen Sie dem Fachkräftemangel?

DIESSLIN: Mit Mitarbeiterbindung. Wir haben zum Beispiel Sportprogramme für unsere Mitarbeiter und unterstützen sie bei der Weiterbildung. Es gibt Heimarbeitsplätze und ein sehr flexibles Arbeitszeitmodell.

Wie sehen Sie die Zukunft für Ihr Familienunternehmen?

DIESSLIN: Ich hoffe, dass unter meinen sechs Kindern ein oder zwei dabei sind, die Lust haben, das Unternehmen weiterzuführen. Ansonsten gehen wir davon aus, dass auch in Zukunft Kerzen gebraucht werden.

Herrhammer GmbH Spezialmaschinen

Die Herrhammer GmbH Spezialmaschinen mit Sitz im Ochsenfurter Stadtteil Hohestadt gilt als Marktführer in der Automation und als weltgrößter Anbieter von Lösungen im Bereich von Maschinen zur Kerzenherstellung.
Höhepunkte der Firmengeschichte:
1948: Gründung des Unternehmens durch Alfred Herrhammer
1951: Bau der ersten „Herrhammer“-Kerzenmaschine
1973: Herstellung der ersten vollautomatischen Kerzenproduktionslinie
1983: Kauf der Gunst GmbH
1987: Einstieg ins Verpackungsmaschinengeschäft
1998: Übernahme des Programms der Gunst GmbH, Liquidation derselben und Verlagerung der Produktion nach Ochsenfurt
2004: Verleihung des „Ikea Award 2003“ für Teelichtverpackung im Block-Design
2005: Übernahme der heutigen Kürschner Maschinen-Service GmbH
Peter Herrhammer vor dem Modell der ersten Herrhammer-Kerzenmaschine, die – nachdem sie sein Vater Alfred Herrhammer 1951 entwickelte hatte – zum Verkaufsschlager wurde.
Foto: Dita Vollmond | Peter Herrhammer vor dem Modell der ersten Herrhammer-Kerzenmaschine, die – nachdem sie sein Vater Alfred Herrhammer 1951 entwickelte hatte – zum Verkaufsschlager wurde.
 
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