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Würzburg
Wie Helfer angegangen werden: Drei Notfallsanitäter aus Unterfranken über Gewalt und Pöbeleien im Einsatz
Immer wieder werden sie beschimpft, beleidigt oder sogar attackiert. Was erleben Rettungskräfte in der Region – und wie gehen sie damit um? Drei Helfer berichten.
Der Umgang mit aggressiven Patienten oder Bürgern  gehört für die Notfallsanitäter (v. l.)  Manuel Schmitt (Malteser), Lukas Demling (Bayerisches Rotes Kreuz) und Jan Heilos (Johanniter) oft zum Alltag.
Foto: Benjamin Brückner | Der Umgang mit aggressiven Patienten oder Bürgern  gehört für die Notfallsanitäter (v. l.)  Manuel Schmitt (Malteser), Lukas Demling (Bayerisches Rotes Kreuz) und Jan Heilos (Johanniter) oft zum Alltag.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:25 Uhr

Schläge, Tritte, Beleidigungen und Beschimpfungen: Gewalt gegen Rettungskräfte ist nicht erst durch die Silvester-Krawalle in Berlin in den Fokus gerückt. Laut Studien des Deutschen Roten Kreuzes und der Malteser gehören Angriffe und Aggressionen inzwischen zum Alltag im Rettungsdienst. Was heißt das für die, die eigentlich Menschen helfen und Leben retten wollen? Wie ist es, angepöbelt oder attackiert zu werden? Die drei Würzburger Notfallsanitäter Jan Heilos (34) von den Johannitern, Manuel Schmitt (39) von den Maltesern und Lukas Demling (31) vom Bayerischen Roten Kreuz berichten, wie sie mit Gewalt umgehen - und warum sie ihren Job nicht an den Nagel hängen.

Frage: Haben Sie persönlich schon Gewalt bei einem Einsatz erlebt?

Manuel Schmitt: Ich wurde einmal zu einem Polizeieinsatz gerufen, bei dem eine Person wahllos Fensterscheiben eingeworfen und sich dabei verletzt hat. Der Mann war stark alkoholisiert und als ich mich um seine Wunden kümmern wollte, ist er ausgerastet und hat mich getreten.

Jan Heilos: Mit Absicht tätlich angegriffen wurde ich noch nicht. Aber es kommt vor, dass man von Patienten aufgrund ihrer Erkrankung angegangen wird. Zum Beispiel wollte mich einmal eine junge Frau mit Diabetes, die stark unterzuckert war, beißen. Und verbale Aggressionen gibt es häufig, vor allem in den Abend- und Nachtstunden und wenn Alkohol im Spiel ist.

Lukas Demling: Aus unserer Sicht muss man bei Gewalt unterscheiden, was der Auslöser ist. Manche Patienten können aufgrund ihrer Erkrankung nichts dafür, dass sie gewalttätig werden, beispielsweise weil sie dement oder psychisch krank sind. Das ist aber etwas anderes, als wenn jemand gezielt und aktiv den Rettungsdienst angreift.

Das heißt, je nach Ursache nehmen Sie Gewalt anders wahr?

Schmitt: Nach 20 Jahren im Rettungsdienst kann man gut einschätzen, ob jemand aggressiv auf einen Helfer losgeht – oder ob der Mensch einfach Angst hat und nicht weiß, wie er sich verhalten soll. Letzteres kann man eher verstehen und besser damit umgehen, es leichter abhaken. Pure Aggression wie an Silvester in Berlin haben wir in Unterfranken zum Glück noch nicht erlebt. Ob das allerdings so bleibt, dafür würde keiner von uns die Hand ins Feuer legen.

Kommt Gewalt bei Einsätzen auch hier häufiger vor als früher?

Schmitt: Ich würde sagen, ja, vor allem die verbale Gewalt gegen uns hat zugenommen. Die Folge ist, dass präventives Handeln und das Verhalten in Gewaltsituationen heute sogar in der Notfallsanitäter-Ausbildung geschult werden. Es gibt Angebote vom Selbstverteidigungskurs bis zum Kommunikationstraining. Zu Beginn meiner Karriere war das kein Thema. Da ist niemand auf die Idee gekommen, dass man als Rettungsdienstler einen Selbstverteidigungskur braucht. Jetzt wird bereits über stichsichere Westen diskutiert.

Gibt es denn Einsätze, in die Sie mit Angst gehen?

Schmitt: Mit Angst würde ich nicht sagen, aber mit Vorsicht. Wenn ich Angst hätte, würde ich nicht in ein Einsatzgeschehen gehen. Eigenschutz steht immer an erster Stelle.

Heilos: Man weiß nie, was einen am Einsatzort erwartet. Sicher kann man sagen, je später die Nacht und je größer die Gruppe, umso mehr besteht die Gefahr, dass eine Situation eskalieren kann. Dann ist man als Rettungsdienst zu zweit schnell in der Unterzahl.

Wie schützen Sie sich?

Heilos: Wenn die Stimmung kippt, zieht man sich zurück. Es gab Einsätze, bei denen ich mich im Rettungswagen eingeschlossen und darauf gewartet habe, dass die Polizei kam. Und wenn ich in eine Wohnung hineingehe oder durch ein Treppenhaus hochlaufe, lasse ich zum Beispiel immer unten die Tür offen. Ich achte darauf, dass es einen Fluchtweg gibt.

Hat es zugenommen, dass Sie angepöbelt werden, obwohl sie als Helfer kommen?

Heilos: Ich würde sagen, das Anspruchsdenken an den Rettungsdienst hat massiv zugenommen. Auch, weil Haus- und Fachärzte überlastet sind und wenn man nicht mehr weiterweiß, wählt man einfach die 112. Hinzu kommt, dass zunehmend junge Menschen weniger Verantwortung für den eigenen Körper übernehmen. Wenn sie Kopfschmerzen haben, wählen sie lieber den Notruf, um einen medizinischen Ratschlag zu bekommen, statt einfach eine Kopfschmerztablette zu nehmen.

Demling: Der Rettungsdienst wird dadurch viel häufiger zu Einsätzen gerufen, die medizinisch nicht nötig sind und die Erwartung ist ganz klar, dass man als Notfallsanitäter etwas tut, egal um was es geht. Erfüllt man diesen Anspruch nicht, wird man angepöbelt oder angeschrien.

Wenn sie im Notfalleinsatz eine Straße zuparken, müssen sich Rettungskräfte wie Jan Heilos, Lukas Demling und Manuel Schmitt (von links) manchmal beschimpfen lassen.
Foto: Benjamin Brückner | Wenn sie im Notfalleinsatz eine Straße zuparken, müssen sich Rettungskräfte wie Jan Heilos, Lukas Demling und Manuel Schmitt (von links) manchmal beschimpfen lassen.
Haben Sie das schon erlebt?

Demling: Ich hatte jetzt am Wochenende eine Patientin, die uns mit den Worten begrüßt hat: "Endlich sind Sie mit einem warmen Auto da und können uns zum Bahnhof fahren."

Ernsthaft?

Demling: Ja und das ist natürlich kein rettungsdienstlicher Einsatz. Wenn man dann fragt, was der Grund für ihren Anruf beim Rettungsdienst ist, werden die Bürger – weil Patienten sind es nicht – ausfällig.

Was macht das mit Ihnen?

Demling: Ich versuche, das nicht so nah an mich heranzulassen. Es bringt nichts, wenn ich mich zuhause noch drei Stunden darüber aufrege. Solche Erlebnisse muss man nach dem Einsatz hinter sich lassen. Klar wäre es besser, wenn sie nicht passieren. Aber ich kann das nicht ändern – das kann nur jeder Einzelne.

Schmitt: Man lernt mit der Zeit, mit allen Einsätzen umzugehen – egal, ob sie medizinisch hart sind, ob man in eine eskalierende Familiensituation gerät oder ob es um verbale oder körperliche Attacken geht. Ich persönlich versuche, all das auf der Arbeit zu lassen. Abschalten kann ich mit meiner sechsjährigen Tochter, sie bringt mich auf komplett andere Gedanken. Natürlich gibt es Einsätze, die man im Kopf nicht sofort beenden kann und noch den ein oder anderen Tag darüber nachdenkt.

Sind Sie da manchmal wütend?

Demling: Ich glaube schon, alles andere wäre gelogen. Wenn ich etwa an meinen Einsatz und die gewünschte Fahrt zum Bahnhof denke: In dem Moment ist man tatsächlich wütend. In dieser Zeit hätte ich mich auch um einen echten Notfall kümmern können – warum muss ich mich mit so etwas beschäftigen und zum Schluss noch beleidigen lassen? Aber abends hängt man seine Jacke in den Spind und macht einen Haken dahinter. Das gelingt nicht immer, etwa bei belastenden Einsätzen. Dann verarbeitet man das im Gespräch mit Kameraden oder mit besonders geschulten Kollegen. Falls nötig, erhalten wir auch professionelle Hilfe.

Schmitt: Wir können natürlich nicht sagen, wie es wäre, wenn wie an Silvester in Berlin ein Mob mit Feuerlöscher auf uns losgehen würde. Niemand kann behaupten, dass ihn das nicht belasten würde.

Und wie empfinden Sie es, wenn Sie bei Unfällen oder Behandlungen von Gaffern bedrängt werden?

Heilos: Das gibt es immer wieder, der Bürger ist da sehr wissbegierig. Oft gehen die Betroffenen weiter, wenn man sie dazu auffordert – andere sind da penetranter, wenn man zum Beispiel bei der Behandlung gefilmt wird. Manchmal kommt es auch vor, dass man mit dem Rettungswagen auf Grund der örtlichen Gegebenheit eine Straße zuparken muss, um zu einem Patienten zu gelangen. Dann staut sich der Verkehr und mitunter wird man aggressiv von wartenden Autofahrern angegangen

Demling: … oder es entstehen wilde Hupkonzerte oder Straßenbahnfahrer fangen an zu klingeln.

Heilos: Ich frage dann meistens: Was würden Sie machen, wenn Ihre Tochter oder Ihr Vater oben in der Wohnung liegt, und es würde jemand wie Sie vor mir stehen und schimpfen? Das erstickt die Aggression oft im Keim. Man muss den Menschen öfter einen Spiegel vorhalten.

Schafft das Verständnis?

Heilos: In vielen Fällen schon. Einmal wurde ich zum Beispiel nachts von einer Frau zu ihrer Mutter gerufen, die einen fiebrigen Infekt hatte. Den behandelt eigentlich der Hausarzt und die Patientin wurde schließlich an den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst weitergeleitet. Aber bis es so weit war, musste ich mich rechtfertigen und erklären, dass sonntagnachts in Würzburg nur drei Rettungswagen zur Verfügung stehen – und wenn ich durch einen solchen Bagatelleinsatz gebunden bin, wartet vielleicht ein ernsthaft kranker Patient vergeblich auf Hilfe. Das hat die Frau verstanden.

Wird Ihnen als Rettungsdienstler bei Einsätzen heute weniger Respekt als früher entgegengebracht?

Demling: Das kommt auf die Gruppe an. Früher waren Rettungsdienstler immer die "Guten" und Menschen traten eher der Polizei gegenüber aggressiv auf – heute macht es für Aggressoren oft kein Unterschied mehr, wer da vor ihnen steht.

Müssen Sie eigentlich helfen, wenn Sie angepöbelt werden?

Schmitt: Wir müssen helfen, aber nicht, wenn wir uns selbst gefährden.

Und gibt es Momente, in denen Sie den Job hinschmeißen wollen?

Schmitt: Nein.

Heilos: Man macht diesen Beruf, weil er Spaß macht – und oft ist er eine Berufung. Wenn man einem Patienten wirklich helfen kann, erzeugt das große Zufriedenheit und man vergisst so manches.

Schmitt: Genau darum geht es, um Einsätze, nach denen man sagen kann: Diesem Menschen ginge es schlechter, wenn ich nicht da gewesen wäre. Das ist es, was den Job ausmacht. Und wenn Leute später gesund bei uns vorbeikommen oder sich bedanken.

Demling: Es gibt hier einen Patienten, der schreibt jährlich eine Dankeskarte an dem Tag, an dem wir ihm geholfen haben. Das sind die Momente, in denen man sagt: Deswegen tut man das.

 
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  • isabellaihrig@web.de
    Danke allen, die diesen Job machen. Ich musste eure Dienste leider auch schon für einen Angehörigen mal in Anspruch nehmen und ich kann nur sagen: Hut ab, um 16.30 im dichten Berufsverkehr mit Blaulicht durch die Stadt, das war der Wahnsinn (war noch vor Corona, mittlerweile ist das Mitfahren von Angehörigen wenn der Patient nicht ein kleines Kind ist glaube ich nicht mehr üblich). Was mir auch oft durch den Kopf geht: bekommt ihr eigentlich eine Erschwerniszulage, wenn ihr Übergewichtige durch enge Flure oder Treppenhäuser wuchten müsst? Vermutlich eher nicht....
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  • Mainheini
    Ich war viele Jahre aktiv bei der Freiw.Feuerwehr. Die Betonung liegt auf Freiwillig d. h. bei Alarm dauert es eine Weile, bis man ausrückt. Aber jeder war für die Hilfe dankbar. Heute erzählen mir Kameraden, dass sie angepflaumt werden, warum sie nicht schneller kamen. Aber fliegen geht halt nicht und von Rettungsgassen halten auch viele nichts.
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  • kratz.obersinn@web.de
    Vielen Dank an Euch .. an alle " Rettungsdienstler ".. HvO Gruppen.. Blaulichtorganisationen ..usw.ihr macht alle einen Superjob!!

    Laßt Euch von einigen Vollpfosten nicht entmutigen..Der größte Teil der Bevölkerung ist Euch dankbar für Eure Hilfe !

    Der Dame die eine Fahrt zum Bahnhof wünschte möchte ich sagen.. hoffentlich haben Sie nie einen Medizinischen Notfall ..den es könnte sein der RTW fährt gerade Vollpfosten zum Sonntagsspaziergang in die Weinberge.. grinsen

    Da frage ich mich schon wo da das Hirn ist..vermutlich in der Geburtsklinik vergessen.. grinsen

    Trotz allem herzlichen Dank für Euren Dienst..
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