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Giebelstadt
Neuer KVB-Chef kommt aus Unterfranken: Sind Patienten auf dem Land künftig medizinisch abgehängt, Dr. Pfeiffer?
Was der Giebelstädter Hausarzt Christian Pfeiffer als Vorstandsvorsitzender der bayerischen Kassenärzte bewegen will. Und was er von Karl Lauterbachs Reformplänen hält.
Es gebe wohl leider bald nicht mehr den 'Hausarzt um die Ecke', warnt der neue Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), Dr. Christian Pfeiffer aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg).
Foto: Thomas Obermeier | Es gebe wohl leider bald nicht mehr den "Hausarzt um die Ecke", warnt der neue Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), Dr. Christian Pfeiffer aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg).
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:26 Uhr

Der unterfränkische Allgemeinmediziner Dr. Christian Pfeiffer aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg) ist neuer Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Die Liste an Themen, die auf den 55-Jährigen warten, ist lang. Übervolle Praxen, stockende Digitalisierung, monatelange Wartezeiten auf Facharzttermine und Nachwuchssorgen auf dem Land. Er sehe, sagt Pfeiffer, "die große Gefahr, dass die Versorgung nicht mehr gesichert ist". Ein Gespräch über das Ende der Hausarztpraxis um die Ecke, über Medizinische Versorgungszentren und Finanzinvestoren - und die Zukunft für Patientinnen und Patienten in Unterfranken. 

Frage: Herr Dr. Pfeiffer, statt in Ihrer Praxis in Giebelstadt erreicht man Sie jetzt in München. Wie viel Zeit bleibt im neuen Amt noch, um Hausarzt zu sein?

Dr. Christian Pfeiffer: Ich werde auf jeden Fall einen Tag pro Woche in der Praxis tätig bleiben. Denn Hausarzt ist man mit Leib und Seele, das lässt sich nicht wegwischen. Und es würde weh tun, die Behandlung von Patienten ganz aufzugeben. Daneben muss man natürlich merken, wie sich die Entscheidungen der Gesundheitspolitik oder der Kassenärztlichen Vereinigung in der Praxis auswirken.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, bei der Wahl zum KVB-Chef anzutreten?

Pfeiffer: Schon als ich 1997 bei meinem Vater in die Praxis eingestiegen bin, habe ich mich für Berufspolitik interessiert. Ich war von Anfang an im Hausarztverband tätig und später in der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Entscheidung für den Vorstandsposten war deshalb für mich ein logischer Schritt in meinem Leben, von dem ich sagen kann: Ja, das wird mir Spaß machen und das interessiert mich.

Was müssen Sie als KVB-Chef für die Hausärzte verbessern?

Pfeiffer: Wichtig ist, dass ich als Vorstandsvorsitzender der KVB für alle bayerischen Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten da bin. Aber ganz klar: Gerade im hausärztlichen Bereich gibt es viele Probleme, zum Beispiel den Hausarztmangel, den wir dringend angehen müssen und der uns vor Herausforderungen stellt. Bei Fachärzten besteht übrigens ebenfalls ein gewisser Mangel, nur ist dieser für die Menschen noch nicht so spürbar.

An Ärzten mangelt es vor allem auf dem Land - wie hier in Unterfranken. Was konkret wollen Sie dagegen tun?

Pfeiffer: Die Kassenärztliche Vereinigung und die Berufsverbände wollen schon bei den Medizinstudenten Interesse für die Arbeit auf dem Land wecken. Deshalb gibt es zum Beispiel ein Famulatur-Programm und wir haben erreicht, dass an fast allen Universitäten in Bayern ein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet wurde. Das ist wichtig, damit die Studenten schon früh die Verwurzelung zur Allgemeinmedizin spüren. Daneben gibt es finanzielle Förderungen für Ärzte, die sich in Regionen mit bestehender oder drohender Unterversorgung niederlassen.

Trotzdem scheint das nicht zu reichen, nach wie vor suchen Landärzte teils verzweifelt und vergeblich nach Nachfolgern.

Pfeiffer: Mittlerweile spricht auch unser Bundesgesundheitsminister über mehr Studienplätze, die bayerische Staatsregierung hat die Studienplatzanzahl erhöht. Zudem kommen aus der Politik Signale, dass der "Masterplan Medizinstudium 2020", der die Allgemeinmedizin stärken soll, endlich umgesetzt werden soll – wie es eigentlich schon für 2020 geplant war. Ich denke, es ist jetzt auch in Berlin angekommen, dass der Mangel, der uns bevorsteht, erhebliche Auswirkungen haben wird.

Auf die Patientenversorgung?

Pfeiffer: Ja. Es gibt wohl leider bald nicht mehr den Hausarzt um die Ecke. Die vorhandenen Hausarztpraxen sind ausgelastet. Ich sehe die große Gefahr, dass die Versorgung nicht mehr gesichert ist. Auf diese Situation steuern wir zu.

Warum ist denn die Praxistätigkeit auf dem Land nicht mehr attraktiv für junge Mediziner?

Pfeiffer: Vielleicht existiert eine falsche Vorstellung von dem Beruf als Hausarzt. Aus meiner Sicht gibt es nichts, was abwechslungsreicher ist und einfach Spaß macht.

Würden Sie selbst noch einmal Hausarzt werden?

Pfeiffer: Gar keine Frage: Ich würde nichts anderes wollen und wählen.

Und was erwarten Sie als Hausarzt von der geplanten Gesundheitsreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – Stichwort Krankenhausreform und Ambulantisierung? Macht das die Gesundheitsversorgung besser?

Pfeiffer: Die Ambulantisierung ist ein wichtiger Punkt. Die Krankenhäuser verbrauchen viel Geld und kämpfen mit erheblichem Personalmangel. Deshalb ist es wichtig, den ambulanten Bereich zu stärken und ihm die Wertschätzung zu geben, die er verdient. Da appelliere ich an die Politik, die finanzielle Vergütung von ambulanten Leistungen zu verbessern und damit die Versorgung sicher zu stellen.

Wenn die geplanten Maßnahmen umgesetzt werden, könnte es sein, dass Menschen auf dem Land für manche Behandlungen oder Eingriffe deutlich weiter fahren müssen.

Pfeiffer: Grundsätzlich darf man den Klinikbereich nicht so ausdünnen, dass die Leute vor Ort keine Basisversorgung mehr haben. Gleichzeitig ist ein Punkt richtig: Wir brauchen Schwerpunktzentren, große Kliniken, die Spezialeingriffe durchführen – und dafür muss man auch einen weiteren Weg in Kauf nehmen.

Wie sieht dann die Zukunft der ärztlichen Versorgung in Unterfranken aus? Und welche Rolle spielen dabei Medizinische Versorgungszentren, sogenannte MVZs?

Pfeiffer: Ich denke, es wird vermehrt größere medizinische Einheiten an größeren Standorten geben, die die Umgebung mitversorgen. Und das ist völlig in Ordnung. Das können sogenannte Medizinische Versorgungszentren oder Gemeinschaftspraxen sein. Problematisch sind hingegen investorengetragene MVZs, die renditeorientiert arbeiten. Denn die Gefahr dabei ist, dass dort Rosinen, die Geld bringen, herausgepickt werden – und die Basisversorgung nicht mehr ausgeübt wird.

Kassenärztliche Vereinigung Bayern

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind für die gesetzlich Krankenversicherten zuständig und sorgen dafür, dass die ambulante medizinische Versorgung funktioniert und überall rund um die Uhr medizinische Hilfe verfügbar ist. Sie verhandelt mit den Krankenkassen zum Beispiel über die Ärzte-Honorare und die Arzneimittelbudgets, prüfen die Abrechnungen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten und verteilen das zur Verfügung stehende Honorar.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) hat rund 1650 Mitarbeiter und vertritt die Interessen von rund 28.000 in Bayern niedergelassenen Vertragsärzten und Psychotherapeuten gegenüber Politik, Krankenkassen und Öffentlichkeit. Sie hat den Gewährleistungsauftrag, dass die in der ambulanten Versorgung tätigen Ärzte und Psychotherapeuten gut aus- und fortgebildet sind, moderne Medizintechnik einsetzen und wirtschaftlich mit den finanziellen Mitteln der GKV umgehen. Und die KVB organisiert den Notarztdienst in Bayern.
sp
 
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    Man sollte offen legen, dass der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns pro Jahr 316.000 € verdient - da fällt der Wechsel von der Hausarztpraxis in Giebelstadt nach München zur KV leicht.
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    Und was genau wollen Sie und mit diesem Kommentar mitteilen ? Außer Sozialneid natürlich. Ich denke nicht, dass Dr. Pfeiffer als Allgemeinarzt weniger verdient, alldieweil er ja jetzt auch angestellte Ärzte bezahlen muss, die ihn in seiner Abwesenheit vertreten.
    Oder meinen Sie Ärzte oder KV-Vorsitzende sollten zukünftig umsonst arbeiten ?
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  • W. S.
    Die KVB ist eine Standesvertretung die ausschließlich auf sich schaut. Krankenhäusern mit blendender Diagnostik z. B. Magen- Darmspiegelung bekommen keine Zulassung ambulante Patienten zu behandeln da es ja Fachärzte in der Umgebung gibt. Das man als Kassenpatient bei diesen ewige Wartezeit hat interessiert nicht.
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