Rettungskräfte helfen in der Not – und beziehen dafür Beschimpfungen und Prügel. Häufiger als gedacht und auch in Unterfranken. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Deutsche Rote Kreuz (DRK) durch seinen Bundesarzt Dr. Peter Sefrin im Jahr 2019 erstellen ließ. 415 Rettungskräfte berichteten dem erfahrenen Würzburger Notarzt in Fragebögen von ihren Erfahrungen aus den vorangegangenen zwölf Monaten. Die jetzt veröffentlichte Studie zeigt: Verbale und körperliche Attacken sind keine Ausnahme, sondern alltägliche Realität für die Rettungsdienste und Ersthelfer.
"Tatort" kreiste um Übergriffe auf Ersthelfer
Mit der Folge „Rettung so nah“ hatte die „Tatort“-Reihe in der ARD kürzlich eindrucksvoll den Blick auf das Problem gelenkt. In Unterfranken ist das Thema nicht neu. Beim Faschingszug im März 2019 in Rimpar beispielsweise waren zwei Sanitäter von Umstehenden attackiert worden, als sie einer alkoholisierten Frau helfen wollten. In Würzburg-Versbach wurden nur wenige Wochen später Helfer angegriffen und beschimpft, als sie eine Frau in den Rettungswagen luden. Und in Volkach griff ein 28-Jähriger Ende Juni 2018 ohne erkennbaren Grund einen BRK-Rettungswagen und seine Besatzung an, die ihm zu Hilfe eilen wollte.
Beschimpfungen und Übergriffe erlebt
Nun zeigt Sefrins Erhebung für das DRK: Das sind keine Einzelfälle. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst erlebten binnen zwölf Monaten mindestens eine Gewaltanwendung im Einsatz“, sagt der 79-jährige „Vater der Notärzte“, der den heute bestehenden Nothelfer-Dienst jahrzehntelang mit aufgebaut hat.
In rund 40 Prozent der geschilderten Fälle mussten sich die Helfer "nur" Beschimpfungen gefallen lassen. Aber 14 Prozent der Sanitäter nannten auch körperliche Übergriffe wie Treten, Schlagen, Schubsen, die sie erlebt hatten. Beleidigungen und Beschimpfungen musste fast jeder fünfte Umfrage-Teilnehmer (18,4 Prozent) sogar mindestens ein- bis zweimal pro Woche ertragen.
Als Angreifer nennt die Sefrin-Studie in drei Vierteln der Fälle die Patienten selbst, oftmals aber auch deren Freunde oder Angehörige. „Die häufigsten Gewaltanwendungen spielten sich mit 52 Prozent im innerstädtischen Bereich ab, gefolgt von sozialen Brennpunkten. An dritter Stelle kommen bürgerliche Wohngegenden und Großveranstaltungen“, bilanziert der DRK-Bundesarzt.
Überzogenes Anspruchsdenken als Ursache
Die häufigste Form bei den tätlichen Übergriffen sei Schlagen und Treten (32,7 Prozent) gleichauf mit Schubsen (31,5 Prozent). Man stelle "seitens der Patienten in zunehmendem Maße ein teilweise überzogener Anspruch gegenüber dem Rettungspersonal fest", betont Sefrin mit Blick auf die Ursachen. „Ein Anspruchsdenken hat es schon immer gegeben“, ist seine langjährige Erfahrung. Aber früher sei nicht versucht worden, dies mit Gewalt durchzusetzen.
"Die Ergebnisse sind erschreckend. Wir müssen leider feststellen, dass Beleidigungen, Beschimpfungen und auch körperliche Übergriffe mittlerweile zum Alltag im Rettungsdienst gehören", kommentierte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt die Ergebnisse. Mitarbeiter müssten noch besser für solche Situationen geschult und Straftäter konsequent verfolgt werden. Auch drei Viertel der Befragten wünschen sich Schulungen.
Bundesweit wurden 2019 etwa 700 tätliche Angriffe auf Rettungskräfte offiziell registriert - Tendenz steigend. Das geht auf eine Auskunft der Bundesregierung zu einer Anfrage des Parlaments hervor. Das Ergebnis der DRK-Erhebung deckt sich auch mit Untersuchungen der Ruhr-Universität Bochum zu Gewalterfahrungen von Rettungskräften im Einsatz.