Überraschend gab Weihbischof Ulrich Boom im November bekannt, dass er auf eigenen Wunsch seine Aufgaben als Bischofsvikar für die Pastoral und Leiter der Hauptabteilung Seelsorge der Diözese Würzburg abgibt. Mit ein Grund sei die finanzielle Lage. Im Gespräch äußert der 73-Jährige seine Bedenken - und verrät seine Weihnachtsbotschaft.
Ulrich Boom: Zehn Jahre war ich Leiter der Hauptabteilung Seelsorge. Ich habe die Aufgabe sehr gerne gemacht. Ich hätte es nicht tun können ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Abteilungen und meinem Stellvertreter Domkapitular Christoph Warmuth. Ich bin sehr dankbar dafür. Aber jetzt stehen wegen der schwierigen Finanzlage der Diözese viele Gespräche und schnelle Veränderungen an. Das fällt mir schwer. Ich bin einfach nicht der Mensch, der die Dinge schnell entscheidet.
Boom: Ich glaube, in meinem Leben habe ich mich immer richtig entschieden, wenn es auch manchmal etwas länger gedauert hat. Doch jetzt ist mir das einfach zu viel. Arbeitslos bin ich aber nicht. Ich bleibe Weihbischof im Bistum und in den Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz.
Boom: Wir wissen in der Diözese schon lange, dass wir nicht so weitermachen können. Deshalb gab es in den zehn Jahren, in denen ich die Hauptabteilung Seelsorge leite, keine wirkliche Stellenerweiterung. Wir haben bestenfalls wiederbesetzt. Und das war oft ein schwieriges Kapitel. Normalerweise wäre mir als Weihbischof ein Referent oder eine Referentin hilfreich gewesen. Meine Lösung war, dass ich die Aufgaben auf viele Schultern verteilt habe. Das war manchmal etwas mühselig. Aber ich habe bewusst nicht noch eine Stelle geschaffen. Eben weil ich frühzeitig sparen wollte. In anderen Bereichen der Diözese wurde, was die Zahl des Personals anbelangt, einiges anders gehandhabt. Jetzt müssen wir insgesamt streng sein und schauen: Können wir so weitermachen? Nein!
Boom: Deshalb wird man weiter abwägen müssen. Man wird aber nicht mit einer Leichtigkeit sagen können: Jetzt bauen wir mal in diesem und jenen Bereich zügig Personal ab. Solche Gespräche zu führen, das ist mir, wie gesagt, zu viel. Ich bin im Herbst 73 Jahre alt geworden, und Gott sei Dank immer noch gesund. Aber ich möchte nicht mehr alle Dinge mitentscheiden müssen.
Boom: Ich hätte diese Gespräche nicht führen können. Denn ich will ehrlich sagen können: So und so ist die Lage. Aber wenn ich nicht alles verstehe und auch nicht zu allem stehen kann, dann lasse ich es.
Boom: Es sind vor allem viele Stellen in den Hauptabteilungen Finanzen und Immobilien und Zentrale Aufgaben geschaffen worden. Gewiss weiß ich, dass Transparenz, Controlling und Digitalisierung viel Personal brauchen. Aber wenn dies auf Kosten der Pastoral geht?
Boom: Ja, aber die sind jetzt wieder weg.
Boom: Sicher höre ich davon, wenn ich in Gemeinden unterwegs bin, etwa zu den Firmungen. Da sitze ich nicht nur mit dem Pfarrer oder dem pastoralen Personal zusammen, sondern oft auch mit den einzelnen Gremien. Und da wird schon gesagt, was gedacht wird. Ich weiß, dass eine Unzufriedenheit wegen der Sparmaßnahmen und manchem Personalzuwachs in Würzburg vorhanden ist. Wir müssen uns neu aufstellen.
Boom: Es geht in der Diözese unter anderem um eine Neuverteilung der Gelder - der Kirchensteuermittel. Wenn sich nach einer Kirchenrenovierung Kirchenverwaltungsmitglieder und Pfarrgemeinderäte beim Bischof oder beim Finanzdirektor für die Unterstützung bedanken, dann sage ich immer: Beim Bischof und Finanzdirektor brauchen wir uns nicht bedanken. Sie verteilen nur die Gelder. Es sind die Kirchensteuerzahler, die es ermöglicht haben, dass die Kirche renoviert und dieses oder jenes angeschafft werden konnte. Das ist mein Werbeblock für die Kirchensteuer. Wobei ich mich auch frage, ob der Begriff Kirchensteuer richtig ist.
Boom: Man sollte von einem Kirchenbeitrag reden. Der Bischof von Eichstätt meinte sogar einmal, man müsste die Kirchensteuer abschaffen. Doch so einfach ist das nicht.
Boom: Es hängen Tausende von Arbeitsplätzen dran. Wir müssten uns jedoch insgesamt anders finanziell aufstellen, ein anderes, ein gerechteres System finden. Ohnehin wird es anders werden. Viele treten aus der Kirche aus - nicht nur wegen des sexuellen Missbrauchs und der Schuld wie sich Verantwortliche dazu verhalten. Viele treten auch wegen ihrer persönlichen finanziellen Situation aus der Kirche aus - und sparen sich die Kirchensteuer.
Boom: Vorstellen könnte ich mir ein System wie in Ländern, wo es einen Kulturbeitrag gibt. In Italien können die Menschen sogar wählen, welcher Einrichtung sie ihren Beitrag zukommen lassen. Das wäre auch hierzulande ein gutes Modell: Jeder leistet einen Beitrag und entscheidet, für wen er gedacht ist. Wenn ich ein Christ bin, dann werde ich meiner Glaubensgemeinschaft schon etwas geben. Ich glaube, es würde uns insgesamt alle demütiger machen.
Boom: Da sind wir wieder beim Thema: hohe Personalkosten. Wir müssen schauen, wie wir das sozialverträglich regeln. Keine leichte Aufgabe für den Finanzdirektor und andere.
Boom: Es geht nicht um Verursachung und Schuldzuweisung, alle haben in ihrer Zeit das Beste gewollt. Wir sind vielleicht in der Vergangenheit zu blauäugig gewesen.
Boom: Wir haben uns immer gefragt, wo wir Personal zurückfahren können. Aber: Wir werden das zum Beispiel in der Diakonischen Pastoral nicht so leicht können, ebenso wenig in der Jugendseelsorge oder Familienseelsorge. Unser Seelsorge-Personal befindet sich ja nicht im Kilianshaus in Würzburg, in der Hauptabteilung, sondern in der Fläche. Wo und wie will man dort sparen? Es ist ja nicht so, dass für die Berufe von Priestern und pastoralem Personal zuhauf an unseren Türen geklopft und gesagt wird: Hier sind wir und wollen rein. Es fehlt Seelsorge-Personal. Wenn wir weiter an dem Personal sparen wollen, das sich um die Seele der Menschen kümmert, dann sind wir wieder an dem Punkt: Wer finanziert das? Das sind doch die Menschen in den Gemeinden mit ihrem Kirchenbeitrag. Es bleibt aber auch die Frage, ob wir die Not auch mit in das Gebet nehmen? Es geht nicht um "Wegbeten". Aber wir sind doch kein Konzern! Also muss es diese Dimension doch auch geben.
Boom: Ich werde künftig zwar immer noch sehr viele Termine haben, aber mir bleibt, was ich mir schon lange gewünscht habe, hoffentlich wieder mehr Zeit zum Nachdenken.
Boom: Wir haben als Kirche zu viel Angst, die Leute würden Weihnachten nicht richtig feiern. Sie werden es feiern. Auch in atheistischen Ländern. Auch dort stehen Christbäume. Manchmal sogar Krippen. Wir Christen haben auf Weihnachten nicht das Copyright. Wir haben aber eine besondere Verpflichtung, das zu leben, was Weihnachten bedeutet. Christus ist nicht Mensch geworden nur für die, die seinen Namen tragen. Sondern für alle Menschen. Und das finde ich einen ganz beglückenden Gedanken. Vielleicht sollten wir auch mehr die Sehnsucht der Menschen schätzen lernen, diesen Moment des Glücks und Friedens. Das verbinden sehr viele mit Weihnachten. Es gibt das berühmte Beispiel, als im Ersten Weltkrieg deutsche und französische Soldaten an der Front zusammen Weihnachten gefeiert haben. Und dann wieder miteinander kämpfen mussten, weil die Mächtigen sie dahin getrieben haben. So ist das Leben.
Boom: Ja. Was ich auch sagen möchte, im Hinblick auf Corona. Ein kleines Virus wird die Botschaft von Weihnachten nicht zerstören. Vielleicht gehört zu Weihnachten in diesem Jahr auch, dass Gott uns impfen will. Wir dürfen Vertrauen haben, dass er mit uns geht, dass der, der Liebe ist, Hand und Fuß hat, Mensch geworden ist. Das ist für mich im Letzten die Antwort auf alle Fragen. Aber das kann ich nicht verordnen. Ich hoffe, dass die Welt nach der Corona-Pandemie eine menschenfreundlichere geworden ist. Die Menschenfreundlichkeit Gottes zeigt sich, dass er auf Seiten der Armen, Schwachen, Ohnmächtigen ist - und nicht auf Seiten der Alleswisser und Alleskönner.
Mit diesen ausgeprägten Eigentschaften war er wohl wirklich fehl am Platze als "Leiter der Hauptabteilung Seelsorge" - erst recht jetzt wo harte Maßnahmen notwendig sind.
Allerdings werden solche Leute wie Herr Boom in der Kirche dringend gebraucht! - allerdings an Stellen die zu ihnen passen.
In der Fläche, der Seelsorge in den Gemeinden will sie nicht sparen, sondern da kann sie schlicht die vorhandenen Stellen nicht besetzen, weil zu wenig Bewerber/-innen da sind
Die ‚christliche’ Seelsorge hat jedenfalls diesen ‚Wirksamkeitsnachweis’ aus meiner Sicht zu keiner Zeit erbracht. Jedenfalls haben 2000 Jahre ‚christliche Seelsorge’ Auschwitz nicht verhindert.
Wenn die Lobby nicht so stark wäre (siehe Homöopathie), wäre es logische Konsequenz das Geld sinnvoller zu verwenden …
Aber man sollte auch das Positive sehen: Wie der Fall Woelki zeigt, arbeitet das römisch-katholische Führungspersonal schon mit Volldampf an der Selbstauflösung dieses Vereins.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es diese überhaupt geben kann- aber klären Sie mich gerne auf!
Seelsorge ist kein Medikament dass ich in jemanden hineinwerfe! Seelsorge ist auch keine Form des geistigen Missbrauchs, so dass ich den "Anderen" dann in die Ecke schiebe wo ich ihn haben will. Seelsorge geschieht auch nicht so, dass man es Jahr für Jahr auftürmen könnte wie einen Berg Runkelrüben. Seelsorge im christlichen Sinne ist schlicht "den Menschen nahe sein". Ich kenne eine Reihe von Priestern und noch mehr Laien, die in der Seelsorge den Menschen begegnet sind. Sie waren für sie da, haben mit ihnen auch gebetet und sie begleitet. Da werden sie nicht einfach eine Messlatte anlegen, da können sie auch nichts berechnen. Da wird gesät ohne dass man die Frucht sofort sieht.
Johann Wolfgang von Goethe sagte:
"Der Worte sind genug gewechselt,
Laßt mich auch endlich Taten sehn!
Indes ihr Komplimente drechselt,
Kann etwas Nützliches geschehn."
Die Kirche ist schwerfällig, was Veränderungen betrifft. Dass sie aber wirklich noch mit Mark rechnet, könnte das Defizit vielleicht erklären, 20 Jahre nach Einführung der €uro.
Herzlichen Dank für den Hinweis. Der Fehler ist korrigiert.
Freundlicher Gruß aus der Redaktion
Christine Jeske
Wie pädokriminelle Geistliche den christlichen Glauben mit ihren Verbrechen zusammenkriegen, kann ich mir schlechterdings nicht vorstellen. Kein gesunder Geist wird eine theologische Interpretation hinbringen, die solches rechtfertigt. Aber das wussten Sie auch vorher schon.
"Alle Menschen" zitiert den Weihbischof und seine Interpretation der Weihnachtsbotschaft (im Übrigen dürfte so ziemlich alles Interpretation sein, was in den Bereich menschlicher Kommunikation gehört, aber das nur am Rande).