Michael Wolf aus Schmerlenbach (Lkr. Aschaffenburg) steht seit Oktober 2018 an der Spitze des höchsten Laiengremiums im Bistum Würzburg. Der 60-jährige Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken nahm das Amt in einer Zeit des Umbruchs an: weniger Priester, viele Kirchenaustritte, massive Finanzprobleme, umfassende Strukturreform. Wolf sieht sich als Moderator zwischen den Laien und der Bistumsleitung. Sein konziliantes Auftreten war zuletzt auch auf der Vollversammlung des Diözesanrats gefragt, bei der heftig diskutiert wurde.
Wolf: Ohne Herausforderungen wäre es langweilig. Zeiten der Umbrüche sind immer relevante und auch interessante Phasen. Gerade dann muss man sich zu Wort melden und versuchen, die Richtung so zu beeinflussen, wie es uns, dem Laiengremium, wichtig ist.
Wolf: Natürlich gab es auch Meinungsverschiedenheiten. Die Sitzung war eigentlich angesetzt, um die Satzungen zu behandeln. Es gab einen Antrag des Würzburger BDKJ (Anm. der Red.: Bund Der Deutschen Katholischen Jugend), der gleich zu Beginn emotional diskutiert wurde. Er betrifft die Wiederbesetzungssperre in der Hauptabteilung Seelsorge. Darüber hinaus ging es um die Zusammenarbeit bei der Strukturreform "Gemeinsam Kirche sein - Pastoral der Zukunft". Es gibt Richtlinien. Aber in letzter Zeit sind aufgrund des Tempos Prozessabläufe, insbesondere Fristen nicht eingehalten worden. Ich kann beide Seiten gut verstehen. Die eine Seite will weiterkommen, die andere will Zeit haben, die Dokumente zu lesen. Es ist mehrfach passiert, dass Unterlagen extrem knapp verschickt oder sogar erst während einer Veranstaltung vorgelegt worden sind. Daran hat sich die Kritik der ehrenamtlichen BDKJ-Diözesanvorsitzenden Vanessa Eisert entzündet.
Wolf: Es gibt immer welche, die kritisieren und sagen, es soll alles beim Alten bleiben. Das ist unrealistisch. Man muss sich den Gegebenheiten anpassen, etwa bei der Neugliederung der Diözese. Über die geplanten 40 pastoralen Räume wurde in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert. Aber es allen Recht zu machen, das ist eine Kunst.
Wolf: Ich denke, die meisten haben sich damit arrangiert. In den einzelnen Dekanaten gab es überwiegend Zustimmung, auch wenn sie manchmal knapp ausfiel. In einigen wenigen Dekanaten gab es jedoch keine. Dort musste Überzeugungsarbeit geleistet werden. Das ist ganz gut gelungen, finde ich. Der Diözesanrat hat jedoch Wert darauf gelegt, dass die jetzt festgelegten Raumgrenzen regelmäßig überprüft werden, ob sie in sich schlüssig sind. Was wir jetzt beschlossen haben, ist nur für einen gewissen Zeitraum und nicht für die Ewigkeit.
Wolf: Wir wissen im Augenblick, wie die Grenzen aussehen. Die 40 Räume sind umschrieben, errichten kann man sie erst, wenn sie mit Leben gefüllt sind, wenn klar ist, wie die Leitungsstrukturen aussehen sollen. Es gibt noch Diskussionen, was die innere Gestaltung betrifft. Hier gehen die Sichtweisen auseinander. Wir als Laiengremium möchten eine Partizipation, wir möchten beteiligt werden. Dies hat uns die Diözese zugesagt.
Wolf: Das Kirchenrecht sieht den Priester in der Verantwortung. In Würzburg wird es ein "in solidum"-Modell geben - ein Team aus Priestern, das sich die Verantwortung teilt. Daran kommen wir nicht vorbei.
Wolf: Es wird nicht ohne engagierte Laien gehen. Die Zahl der Priester nimmt stark ab. Zudem sind die Pastoralkurse an der Uni für hauptamtliche Laien nicht gerade überfüllt. Die ehrenamtlichen Laien spielen also eine entscheidende Rolle, um die Kirche zusammenzuhalten. Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen. Das heißt, wir müssen entsprechende Leitungsstrukturen einführen. Die teamorientierte Führung wird kommen. Ansonsten sind größere pastorale Räume bei der abnehmenden Zahl der Hauptamtlichen nicht mehr steuerbar. Der Bischof und auch der Generalvikar sind Realisten genug um zu sehen, dass die Teilhabe der Laien an der Leitung die Methode ist, mit der sichergestellt werden kann, dass – salopp gesagt – der Laden läuft.
Wolf: Das ist im Augenblick schwer zu sagen. Ich könnte mir einen betriebswirtschaftlichen Ansatz vorstellen. Doch den hat die Diözese nicht im Fokus. Aber so weitergehen kann es auch nicht mehr. Die Corona-Pandemie hat die Finanzlage noch verschärft. 2020 war bereits mit einem Fehlbetrag in Höhe von über 13 Millionen geplant. Er wird sich deutlich erhöhen. Darauf muss man sich einstellen. Die Frage ist: Was kann sich die Diözese überhaupt noch leisten? Alle Hauptabteilungen müssen aufgrund der Haushaltssperre kräftig sparen. Überall muss geprüft werden: Was kann ich und was kann ich nicht? Dies wird für jedes Aufgabengebiet innerhalb der Diözese individuell zu lösen sein.
Wolf: Die Seelsorge ist das Kerngeschäft der Kirche. Und wenn man dort einen Einstellungsstopp verhängt und in anderen Abteilungen nicht, dann ist das einseitig und taktisch äußerst ungeschickt. Zur Hauptabteilung Seelsorge gehört auch die Jugendarbeit. Damit verbunden ist eine hohe Fluktuation. Es sind junge Leute, es ist ein Kommen und Gehen, etwa, weil sie Familien gründen oder in andere Positionen innerhalb der Kirche wechseln. Wenn dort nicht nachbesetzt wird, blutet die Jugendarbeit - die Zukunft der Kirche - schnell aus.
Wolf: Die Kirche ist feudal-hierarchisch strukturiert. Der Bischof steht an der Spitze, alle müssen ihm gehorchen. So will es das Kirchenrecht. Das ist ein bisschen ein Widerspruch zum Selbstverständnis der unterfränkischen Gläubigen. Die Frage ist: Wie weit kann man auf der einen Seite etwas abgeben? Und wie weit ist man auf der anderen Seite bereit zu akzeptieren, dass eben Dinge nicht abzugeben sind?
Wolf: 1983 war die letzte Überarbeitung, sie wäre also überfällig. Wir müssen weiß Gott nicht jedem Zeitgeist folgen. Aber grundlegende Veränderungen, die wir gerade erleben und in die wir hineingewachsen sind, müsste auch das Kirchenrecht zur Kenntnis nehmen. Etwa beim Thema Frauen in der Kirche. Für mich zählt: Wie viel ist Tradition, und wie viel steht tatsächlich in der Bibel. Wir legen meiner Meinung nach oft zu viel Wert auf die Tradition und zu wenig auf das, was in der Bibel steht.