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Würzburg/Schweinfurt
Homeoffice in Unterfranken: Warum es damit oft nicht klappt
Immer mehr Berufstätige in der Region arbeiten zuhause. Doch für Familien bedeutet Heimarbeit oft puren Stress. Und nicht alle Chefs machen mit. Arbeitnehmer berichten.
Vor allem für Eltern von Kindern, die derzeit nicht in die Kita oder Grundschule dürfen, kann das Homeoffice zu einer gewaltigen Herausforderung werden.
Foto: ljubaphoto | Vor allem für Eltern von Kindern, die derzeit nicht in die Kita oder Grundschule dürfen, kann das Homeoffice zu einer gewaltigen Herausforderung werden.
Folker Quack
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:42 Uhr

Ab diesem Mittwoch, 27. Januar, soll Homeoffice in ganz Deutschland zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verpflichtend werden. Schon während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 hatten viele Unternehmen in Unterfranken Heimarbeit ermöglicht. Welche Vor- und Nachteile hat das Arbeiten im Homeoffice? Wie viele Büro-Arbeitsplätze wurden nach Hause verlegt? Unterstützt die Politik Firmen und Mitarbeiter genügend? Wir haben uns in Region umgehört.  

Rund 1000 Leserinnen und Leser haben sich an unserer nicht repräsentativen Online-Umfrage beteiligt. Fast genau die Hälfte von ihnen arbeitet demnach mittlerweile vorwiegend zuhause. Aber: 72 Prozent der Teilnehmer sind der Meinung, dass die Politik nicht genügend tue, um Homeoffice zu ermöglichen. Die häufigsten Gründe, die Homeoffice bislang verhindern, obwohl es von der Tätigkeit her möglich wäre, sind demnach fehlende technische Voraussetzungen sowie Arbeitgebern, die es nicht wollen. Ein weiterer Hinderungsgrund: die Mitarbeiter selbst, die nicht ins Homeoffice wollen. Begründet wird dies mit Angst vor Isolation und Einsamkeit sowie das Vermischen von Arbeit und Familie.  

Den Chef per Video ins Wohnzimmer lassen?

Über 70 Teilnehmer der Umfrage haben detailliertere Angaben gemacht. So teilt ein 42-jähriger Handwerker mit, selbst wenn er könnte, würde er nicht von zuhause aus arbeiten wollen: "Arbeit ist Arbeit und Privat ist Privat". Er brauche diese Trennung. "My home is my castle - Mein Haus ist meine Festung", meint auch eine Büroangestellte, die derzeit im Homeoffice arbeitet. Ihr sei schon unwohl, ihren Chef, Kunden oder Lehrer durch Videokonferenzen quasi in ihr Haus zu lassen. Im Homeoffice vermische sich die Trennung von Beruf und Privatsphäre, für sie bedeute das zusätzlichen Stress.

Wenn der Esstisch zum Arbeitsplatz wird. Doch nicht alle Arbeiten lasen sich von zuhause aus erledigen. 
Foto: Fabian Strauch, dpa | Wenn der Esstisch zum Arbeitsplatz wird. Doch nicht alle Arbeiten lasen sich von zuhause aus erledigen. 

Der Mitarbeiter einer öffentlichen Verwaltung aus Würzburg meint, er könne nur ein paar Tage von zuhause arbeiten und müsse dann auch mal wieder ins Büro. Er könne schlicht nicht alle Arbeiten von zuhause aus erledigen. Eine weiterer Mitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst ist aus eigener Erfahrung überzeugt, dass insbesondere Behördenleiter gegenüber Homeoffice sehr negativ eingestellt seien.   

Ein 29-jähriger Informatiker aus dem Landkreis Würzburg meint, dass die Technik oft nur vorgeschoben werde. In Wahrheit stecke die Angst des Arbeitgebers vor Kontrollverlust hinter der Ablehnung der Heimarbeit. Doch Mitarbeiter, die sich vor der Arbeit wegduckten, gebe es im Büro genauso, dann würden sie womöglich noch andere vom Arbeiten abhalten. 

Zuhause mehr Ablenkung, mehr Auszeiten - und Angst vor Vereinsamung

Homeoffice sei nicht das Heilmittel, meint ein anderer Umfrage-Teilnehmer: In einigen Berufen würde dies funktionieren, der Großteil der Bürojobs aber sei im Büro effizienter. Man neige daheim zu mehr Ablenkung und Auszeiten. Auf Dauer trage es zur Vereinsamung bei und sei "unsozial".

Vor allem für Mütter werde durch Homeoffice die Trennung von Job und Familie aufgehoben, schreibt eine Leserin.  Diese Vermischung sei äußerst schwierig, "außer man hat superbrave, supergescheite und superorganisierte Kinder und man selbst ist ebenso superklug, superorganisiert und supergescheit." Doch diese perfekte Familie sei wohl eher die Ausnahme. 

Homeoffice ist eben nicht gleich Homeoffice. 
Foto: Zeichnung Klaus Stuttmann | Homeoffice ist eben nicht gleich Homeoffice. 

Ähnliches berichtet die Mitarbeiterin der Univerwaltung in Würzburg: Sie arbeitet wie ihr Mann im Homeoffice, die kleine Tochter darf derzeit nicht in die Kita. Neben ihrer Arbeit müsse sie also Hörspiele an- und ausschalten oder Puppen an- und ausziehen, schreibt die 44-Jährige. Ohne Familie sei Homeoffice super, mit Familie und kleinen Kindern werde es "zur Farce". Problematisch auch das Arbeiten am Küchentisch, vor allem wenn sich den zwei Homeoffice-Mitarbeiter teilen müssten. Da gehe man zum Telefonierten schon mal ins Schlafzimmer.

Welche Arbeitsplätze funktionieren ohne Präsenz? 

Die Mitarbeiterin einer Marketingabteilung schreibt, ihre Firma habe auch den Büroangestellten bislang Homeoffice untersagt. Begründung: Die Umstellung würde enorme Kosten verursachen, die Mitarbeiter könnten sich im Homeoffice nicht so gut konzentrieren. Ein 63-jähriger Ingenieur der Deutschen Bahn hingegen sagt, sein Unternehmen habe vorbildlich reagiert. Alle nicht vor Ort notwendigen Mitarbeiter hätten sofort nach Hause wechseln können, Besprechungen würden nur noch virtuell stattfinden. Großzügig sei man zudem Mitarbeitern entgegengekommen, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige haben. 

Unternehmer könnten besser als Politiker einschätzen, welche Arbeitsplätze in welchen Firmen auch ohne Präsenz funktionieren würden, sagt Ralf Jahn, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. Er kenne keinen Unternehmer, der seine Verantwortung für den Infektionsschutz nicht ernst nähme. Der überwiegende Teil der Betriebe, in denen Telearbeit möglich sei, habe ohnehin schon lange größtenteils auf mobiles Arbeiten umgestellt.

Homeoffice wird auch nach der Pandemie ein Thema bleiben:  DGB-Geschäftsführer Frank Firsching. 
Foto: Thomas Obermeier | Homeoffice wird auch nach der Pandemie ein Thema bleiben:  DGB-Geschäftsführer Frank Firsching. 

Dem Gewerkschaftsbund DGB in Unterfranken sind laut Geschäftsführer Frank Firsching aus den Unternehmen mit Mitbestimmung keine gravierende Probleme mit dem Homeoffice bekannt. Für ihn sei wichtig, dass die Heimarbeit für den Arbeitnehmer freiwillig sei, so Firsching. Niemand dürfe dazu gezwungen werden. Er selbst arbeite lieber im Büro, für ihn sei der Betrieb auch ein Ort der Zusammenkunft. 

Privat- und Arbeitsleben nicht vermischen

Allerdings glaubt auch der DGB-Geschäftsführer, dass Homeoffice nach der Pandemie ein Thema bleiben werde. Dann müsse man darauf achten, in Sachen Kindererziehung und Haushalt nicht wieder in die alte Rollenverteilung zurückzufallen. Und der Heimarbeitsplatz müsse ergonomisch und technisch vom Unternehmen so ausgestattet werden, dass weder die Gesundheit, noch die Sicherheit leide. Privat- und Arbeitsleben dürften sich nicht vermischen, der Arbeitnehmer dürfe nicht ständig erreichbar sein müssen, fordert Firsching. 

Bleibt die junge Umfrage-Teilnehmerin aus Würzburg, deren Arbeitgeber erst jetzt durch den politischen Druck Homeoffice erlaubt. Seitdem arbeite sie in Ruhe zuhause und viel effektiver. Und sie spare jeden Tag zwei Stunden Fahrzeit auf der Autobahn. Sie freue sich über die gewonnene Freizeit - und die Umwelt freue es auch.  

Homeoffice-Verordnung

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat die Bundesregierung eine zunächst bis 15. März befristete Homeoffice-Pflicht erlassen. Diese Verpflichtung gilt für alle Arbeiten, die von zuhause aus erledigt werden können – also für Bürojobs und vergleichbare Tätigkeiten. Arbeitgeber müssen ihren Mitarbeitern in diesen Fällen anbieten, ihre Arbeitsleistung nicht mehr vor Ort im Betrieb zu erbringen. Ausnahmen sind lediglich aus „zwingenden betriebsbedingten Gründen“ vorgesehen. Zwar regelt die Verordnung nicht im Einzelnen, wann Präsenzarbeit notwendig ist. Die Absage ans Homeoffice muss laut Verordnung jedoch sehr gut begründet werden. Ein Recht auf Homeoffice, das der einzelne Mitarbeiter einklagen könnte, ist allerdings nicht vorgesehen. Auch sind Mitarbeiter nicht verpflichtet, im Homeoffice zu bleiben.
Quelle: fqu
 
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  • 1958kosb
    Tja, ist halt so, wenn die Kinder mehr Zeit mit den Betreuerinnen verbringen als mit den Eltern.
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  • jebusara@web.de
    Homeoffice ist eine super Sache. Man bekommt sogar extra Geld dafür obwohl man im Grunde bei Homeoffice Geld einspart. Doppelte Belohnung für Bequemlichkeit.

    Eigentlich müssten Eltern froh sein ihren Nachwuchs bei sich zu haben. Es wird ja stets gejammert man hätte so wenig von seinen Kids. Nun rächt es sich jedoch, dass schon Säuglinge in die Betreuung abgeschoben und dort ständig bespasst werden. Im Urlaub gibt es natürlich Animation für die Kids, selbst für die allerkleinsten, man braucht schliesslich Erholung. So lernt kein Kind sich selbst zu beschäftigen. Nun sollen sich die selben Kinder plötzlich selbst bespassen. Nun sollen die selben Kinder allein lernen und sich den Stoff erarbeiten. Das kann ja nichts werden. Diese Kinder wissen gar nicht wie das geht! Eltern ernten nur das was sie selbst gesät haben! Selbstverwirklichung und Geld hinterherjagen für Dinge die man laut Werbung haben muss aber im Grunde nicht braucht haben nun mal ihren Preiss. Die Kinder zahlen ihn.
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  • chrihand
    Ein Für und Wider, keine Frage.
    Meine Arbeit lässt sich nicht im Homeoffice erledigen.
    Das macht aber nichts. Gerade in der aktuellen Lage genieße ich die soziale Interaktion mit meinen Kollegen. Trotzdem wir Termindruck haben bleibt genügend Zeit für die üblichen freundschaftlichen Sticheleien unter Kollegen und das gemeinsame Lachen.
    Darauf möchten wir nicht auch noch verzichten müssen!
    Natürlich hat HomeOffice auch seine Vorzüge. Sofern man in Ruhe entsprechend Tätigkeiten erledigen kann, ganz ohne "ach weil ich Dich gerade sehe" etc., ganz klarer Effizienzvorteil!
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