18 Uhr. Im Ratskeller starren die Spitzen der Würzburger CSU gebannt auf den Bildschirm. Wie fällt die Prognose aus? Ist sie ein erstes Stimmungsbild für den Wahlausgang? Ein Blick in die Gesichter verrät nicht viel. Aufregung beim Kandidaten Paul Lehrieder. Zuversicht bei den CSU Kreisvorsitzenden, und ganz viel Hoffnung bei den rund 60 CSU-Anhängern und Funktionären.
Dann kommt der schwarze Balken ins Bild. Bei 24,5 bleibt er stehen. Keine Reaktion. Denn auch die SPD liegt in dieser ersten Prognose gleichauf. Betretenes Schweigen trifft diesen Moment am besten. In der ersten Reihe, hier sitzt Paul Lehrieder zusammen mit seinen engen Parteifreunden, bemühen sich alle darum, sich nichts anmerken zu lassen. Denn die Kameras sind in diesem Moment auf sie gerichtet. CSU-Kreisvorsitzender und Landrat Thomas Eberth bringt es auf den Punkt: "Net so schlimm wie befürchtet, net so gut wie erhofft."
Zaghafter Applaus bei der CSU
27 Prozent hatte Paul Lehrieder als Gesamtergebnis für die CDU getippt, ein Prozent weniger für die SPD. "Wir brauchen doch einen klaren Regierungsauftrag", sagt er und schaut wieder auf den Bildschirm. Dann die Nachricht, dass es für eine Koalition aus SPD, Grüne und Linke wohl nicht reichen wird. Zaghafter Applaus kommt auf. Aber die blau-weißen CSU-Fähnchen bleiben auf den Tischen liegen.
Gegen 19.30 Uhr zeichnet sich auch für Paul Lehrieder langsam ab, dass er gute Chancen hat, zum fünften Mal in den Bundestag einzuziehen. Ein Viertel der Wahlkreise in Stadt und Landkreis Würzburg sind da schon ausgezählt und der 61-Jährige aus Gaukönigshofen liegt mit zehn Prozent vor seinem wohl größten Herausforderer, dem Grünen Sebastian Hansen. "Das ist ein solides Ergebnis", kommentiert Lehrieder und glaubt, dass er am Ende dieses spannenden Abends vielleicht mit etwa 35 Prozent nach Hause geht – deutlich weniger als 2017, wo Lehrieder mit 42,2 Prozent eindeutig vorne lag.
Jubel bei der SPD
Rund 50 Genossinnen und Genossen hatten sich zur Wahlparty der WürzburgSPD im Hanns Heinz Bauer Haus in der Würzburger Semmelstraße angemeldet, wusste die SPD-Direktkandidatin Freya Altenhöner. "Wenn wir in Bayern 21/22 Prozent erreichen, sollte es langen", schätzte sie ihre Chancen eine halbe Stunde vor dem Ende der Stimmabgabe ein. Die Vorsitzende der WürzburgSPD war auf Platz 30 der Landesliste ins Rennen gegangen. Für ihre Vorgängerin Eva Maria Linsenbreder hatte 2017 Listenplatz 24 nicht gereicht.
Als das Ergebnis der ersten Prognosen um 18 Uhr per Beamer an die Wand geworfen wurde, brandete in der Semmelstraße Jubel auf. "Die Rückmeldungen im Wahlkampf waren wahnsinnig gut", freute sich Altenhöner, "so etwas habe ich noch nie erlebt und ich bin schon lange dabei". Langsam sei der Wahlkampf nun schon an die Substanz gegangen, gestand sie. "Ich habe ja auch noch einen Vollzeitjob, und habe den Wahlkampf sehr ernst genommen und bin froh, dass es ein Ende hat."
"Aufgeregt wie ein kleines Mädchen", war auch Marion Schäfer-Blake, die "Grande Dame" der WürzburgSPD. "Schließlich haben wir nach so vielen Jahren endlich wieder die Möglichkeit, etwas zu feiern", zeigte sich die frühere Würzburger Bürgermeisterin zuversichtlich. "Das wird bis zum Ende sehr sehr spannend", fügte Altenhöner hinzu. "Ich hoffe schon, dass sich um 18 Uhr etwas Klares abzeichnet." Das tat es aber nicht. Erste Prognosen für die Bayern SPD am Abend lassen vermuten, dass es für Altenhöner nicht reichen wird.
Verhaltene Freude bei den Grünen
Um Punkt 18 Uhr schauen die Teilnehmenden der Grünen Wahlparty im Zaubergarten gebannt auf die große Leinwand. Doch der große Jubel bleibt aus. Einige klatschen, einige lächeln, die Freude ist verhalten. 15 Prozent für die Grünen, sagt die 18 Uhr-Prognose der ARD. "Ich hoffe, dass viele Menschen für einen guten Klimaschutz gestimmt haben, mal sehen, was sich umsetzen lässt", sagt Sebastian Hansen, Direktkandidat der Grünen in Würzburg.
Es sei noch alles volatil, betont er. Die 18 Uhr-Prognose müsse man mit Vorsicht genießen, da viele Bürgerinnen und Bürger per Brief gewählt haben. Auf die Frage, welche Koalition er sich zum jetzigen Zeitpunkt vorstellen kann, antwortet Hansen entschlossen: "Eine ohne die Union. Das Ergebnis zeigt recht deutlich, dass die Union abgewählt ist."
Wenige Minuten später brandete dann doch noch Jubel und Applaus im Zaubergarten auf. Die Grünen legen in Berlin deutlich zu und werden mit 23,5 Prozent bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl stärkste Kraft (2016: 15,2 Prozent).
Freude bei der FDP
Jede Menge Jubel gab es um 18 Uhr auch bei der FDP-Wahlparty in der Würzburger Marina-Hafenbar. Hier hatten sich etwa 100 Parteimitglieder und Anhänger versammelt, um den erneuten Einzug ihrer Partei in den Bundestag zu feiern. "Es ist das erste Mal, dass wir zweimal hintereinander bei einer Bundestagswahl ein doppelstelliges Ergebnis verzeichnen", freute sich der Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann.
Schon nach den ersten Prognosen war es relativ sicher, dass der Würzburger Infektiologe, Stadtratsmitglied und Vorsitzende der FDP Würzburg-Stadt – auf dem Listenplatz zehn – wieder in den Bundestag gewählt ist. Anders als 2017 war es diesmal für ihn keine Zitterpartie. "Das freut mich natürlich sehr", sagte Ullmann und bedankte sich vor allem bei seinem Helferteam, aber auch bei seiner Frau Birgit für die "tolle Unterstützung in den vergangenen Wochen und Monaten". Es mache ihn stolz, dass die Wähler seiner Partei und auch ihm das Vertrauen geschenkt haben.
Und: "Nun bin ich ja auch kein Neuling mehr, sondern habe schon Erfahrung, die Politik in Berlin mitzugestalten." Ampel oder Jamaika? Was eine favorisierte, mögliche Regierungsbildung angeht, hielt sich der 58-Jährige bedeckt. Man müsse für alles offen sein und Gespräche suchen.
Enttäuschung bei der Linken
Enttäuschte Gesichter gab es bei der Wahlparty der Linken in der Zellerauer DJK-Sportgaststätte. Fünf Prozent aus der ersten Hochrechnung sind nicht das Ergebnis, das sich die rund 30 Anhänger von Simone Barrientos erhofft hatten. Dass die Abgeordnete wieder ins Parlament einziehen kann, ist unwahrscheinlich.
"Das Bitterste an dem Ergebnis ist, dass im Wahlkampf so spürbar war, dass ein Politikwechsel nötig ist," sagt Barrientos. Das schlechte Ergebnis der Linken schreibt sie der Zuspitzung des Wahlkampfs auf die drei Kanzlerkandidaten zu. "Viele progressive Wähler haben sich für SPD oder Grüne entschieden, um Laschet als Kanzler zu verhindern", sagt sie. Dominik Kuzmek, neben Simone Barrientos Co-Vorsitzender im Linken-Kreisverband, zieht positive Lehren. "Wir haben einen extrem guten Wahlkampf gefahren, mit vielen guten Gesprächen und regem Interesse an unserer Politik."
Zufriedenheit bei AfD und Freien Wählern
Trotz leichter Verluste zeigt sich Mario Cerdini, stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverband Würzburg, zufrieden mit dem AfD-Ergebnis von rund elf Prozent laut ARD-Hochrechnung. Einen Direktkandidaten hatte die AfD in Würzburg nicht aufgestellt, da der vorgesehene Kandidat Hansjörg Müller formale Bedingungen nicht eingehalten hatte. Er hoffe nun, so der stellvertretende AfD-Kreisvorsitzende mit Blick auf zukünftig denkbare Koalitionen, dass sich die CDU nach einem "katastrophalen" Ergebnis auf "konservative" Werte zurückbesinne.
Auch Robert Starosta, Direktkandidat der Freien Wähler für Würzburg, ist mit dem Ergebnis seiner Partei zufrieden, obwohl diese mit rund vier Prozent wohl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern wird. "Wenn man sich anschaut, dass wir vor vier Jahren bundesweit bei gut einem Prozent lagen, sind die vier Prozent ein sensationelles Ergebnis", so Starosta. Als Grund für das voraussichtliche Nichterreichen der fünf Prozent nennt Starosta die ausbaufähige bundesweite Vernetzung: "Wenn wir in jedem Bundesland in den Landtagen vertreten wären, wäre das einfacher gewesen."