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Würzburg
Überraschend gekündigt: Der "Freiraum" in Würzburg muss schließen und hofft jetzt auf die Hilfe der Stadt
Der Umsonstladen und Treffpunkt "Freiraum" muss die Maiergasse verlassen. Vier Mitglieder erzählen, wie es dazu kam und warum sie trotz Fristablauf noch bleiben.
Käthe, Dietmar, Melanie, Muffin und Hund Luba (von links) bei der Abschiedsparty am vergangenen Wochenende  im 'Freiraum'. Sie müssen den jetzigen Standort, die Maiergasse 2, verlassen.
Foto: Patty Varasano | Käthe, Dietmar, Melanie, Muffin und Hund Luba (von links) bei der Abschiedsparty am vergangenen Wochenende im "Freiraum". Sie müssen den jetzigen Standort, die Maiergasse 2, verlassen.
Martin Johannes Portz
 |  aktualisiert: 09.02.2024 22:23 Uhr

Als Käthe vor einigen Jahren zum ersten Mal die gläserne Tür in der Maiergasse 2 öffnete, wusste sie nicht, was sie dahinter erwartet. Heute ist Käthe ein regelmäßiges Mitglied der offenen Gruppe, die organisiert, was im "Freiraum" passiert. Gemeinsam mit Dietmar, Annalena und Muffin musste sie sich aber in den vergangenen Wochen um den Abschied aus dem Raum in der Maiergasse 2 kümmern, der an diesem Ort sechs Jahre bestand.

Was ist eigentlich der "Freiraum"?

Für den Freiraum hätten sich die Gründer und Gründerinnen das "Luftschloss" zum Vorbild genommen, erklärt Ideengeber Dietmar, der wie die anderen seinen Nachnamen nicht veröffentlichen möchte. Das Luftschloss ist ein Umsonstladen in Würzburg, in dem alle Menschen kostenlos Kleidung und Dinge mitnehmen und spenden können.

Der Freiraum sollte eine Erweiterung dieses Konzepts sein, bei der nicht nur das Inventar, sondern auch der Raum selbst für alle Menschen umsonst zur Verfügung steht. "Wir hatten auch einen Umsonstladen, aber man durfte hier eben auch umsonst ein Konzert machen." Gleiches galt für Yogakurse, Vorträge, Kunstausstellungen oder Gruppen, die einfach nur einen Kaffee trinken oder etwas kochen wollten. Dafür bot der große Raum mit Küche genug Platz.

"Da saß eine stadtbekannte Flaschensammlerin neben einem Lehrer, neben einem Hippie und irgendjemand hat für alle gekocht"
Dietmar, Ideengeber und Vereinsmitglied des "Freiraum"

Besonders sei der Raum aber erst durch die buntgemischten Treffen geworden, so Dietmar. Sie ergaben sich zufällig und wie von selbst zu den Öffnungszeiten in dem Raum hinter den runden Schaufenstern, auf die jemand mit gelber und grüner Farbe das Wort Freiraum gemalt hatte. "Da saß eine stadtbekannte Flaschensammlerin neben einem Lehrer, neben einem Hippie und irgendjemand hat für alle gekocht", erinnert sich Dietmar. "Hier hat soziale Nähe stattgefunden." Am Ende sei es meist "eine gesunde Mischung" gewesen, erzählt Annalena, eine Mischung "aus Links und Öko und dann auch vielen Leuten, die sonst in einer Wärmestube oder so wären."

Ein Beispiel für die bunten Treffen im Raum: Im August gab es einen Vortrag zum Thema Klimawandel zu hören.
Foto: Patty Varasano | Ein Beispiel für die bunten Treffen im Raum: Im August gab es einen Vortrag zum Thema Klimawandel zu hören.

"Unser Ziel war es auf jeden Fall, alle einzuladen", betont Käthe. Doch Ende August, sechs Jahre, nachdem man mit dem Freiraum aus dem Inneren Graben in die Maiergasse gezogen war, fand das Team ein Schreiben der Vermieterin im Briefkasten. "Sie hat uns zwei Wochen gegeben, den Raum zu verlassen", erzählt Dietmar. Die fristlose Kündigung berufe sich darauf, dass die im Vertrag verankerte Staffelmiete nicht korrekt gezahlt wurde.

Nach sechs Jahren läuft die Zeit in der Maiergasse 2 ab

Das sei auch der Fall gewesen, bestätigt Dietmar. Man habe jedoch vor Vertragsabschluss offen kommuniziert, dass es unmöglich sei, die gestaffelten Mieterhöhungen zu bezahlen und mehr als den Grundbetrag von 855 Euro aufzubringen. Dieser Betrag würde die Grenzen des ausschließlich durch Spenden finanzierten Raums bereits aufs Äußerste ausreizen.

Vom Verhalten der Vermieterin sei man nach Vertragsabschluss überrascht gewesen. "Uns wurde bei Vertragsabschluss ein Gespräch zugesichert. Sie hat gesagt: Klar, da sprechen wir nochmal drüber", berichtet Käthe. Nach dem Vertragsabschluss seien jedoch alle Anfragen für eine Aussprache unbeantwortet geblieben. "Und wir haben dann sechs Jahre lang diese 855 Euro bezahlt." Die Vermieterin der Räumlichkeiten wollte sich auf Anfrage dieser Redaktion nicht dazu äußern.

Der grün-gelbe Schriftzug 'Freiraum' zierte die Schaufenster des Raums.
Foto: Pat Christ | Der grün-gelbe Schriftzug "Freiraum" zierte die Schaufenster des Raums.

Es habe sogar Überlegungen gegeben, sich aufgrund der mündlichen Vereinbarung rechtlich gegen die Kündigung zu wehren. Bei den vergangenen Treffen der Organisationsgruppe sei man jedoch zu dem Schluss gekommen, den Raum zu verlassen. 

Die Suche nach einem neuen Raum läuft

Aktuell ist die Gruppe mit dem Auszug beschäftigt. Für die vielen gespendeten und geliehenen Instrumente, Klamotten und Möbel wollen die Macherinnen und Macher ein Zwischenlager finden – ein aufwändiges Unterfangen. Die geforderten zwei Wochen könne man nicht einhalten, eigentlich sei die Auszugsfrist Mitte September abgelaufen. "Das würde nicht zu uns passen: In einer Woche seid ihr raus und alles landet auf dem Müll", erklärt Käthe. Nun wollen sie bis Ende Oktober bleiben. Gleichzeitig läuft die Suche nach einem neuen Raum. Dazu wünscht sich das Freiraum-Team Hilfe, nicht nur von Privatpersonen.

"Jeder kennt den Freiraum. Die Stadt kennt den Freiraum und weiß auch was hier passiert. Ich fände es schön, wenn uns die Stadt einen kostenlosen Raum zur Verfügung stellt oder auch eine Privatperson. Ich halte das absolut nicht für unmöglich", sagt Käthe. Wie der aussehen soll, da ist das Orgateam offen – auch wenn eine Küche, ein Bad und ein möglichst barrierearmer Zugang von Vorteil seien. Mit Anregungen und Ideen könne man über die Website auf freiraumwuerzburg.wordpress.com melden.

 
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Kommentare
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  • U4564@gmx-ist-cool.de
    Rainer Langhans und Uschi Obermaier von der Kommune 1 lassen grüßen 😉
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  • klafie
    diejenigen, wie einwohner und Co die meinen, braucht kein mensch, sollten sich mal fragen: warum viele menschen in solche nöte geraten sind, die sich nicht mal ein neues hemd oder schuhe usw. leisten können. Es war einmal, dass Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt zählte. Wir haben momentan mehrere Billionenen !!! von Schulden in unserem Vater Staat. Warum unterstützt man dann nicht solche Menschen, die anderen helfen und erstattet ihnen die monatliche Miete von 855,-- Euro? das wäre doch wirklich eine gute Sache. -wir haben in diesem Jahr auch schon sehr viele Kleidung gespendet, da meine Mutter verstorben ist, und sie mindestens 2 Schränke voll von gut erhaltenen Sachen hatte. Denke jeder Mensch, der Hilfe braucht ist froh, wenn er auch nur ein paar Teile zum lebensnotwendigen hätte. Die 7 fetten Jahre sind auch in deutschland vorbei. Begreift das endlich einmal ihr Eogisten!
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  • Eos123456
    Die Schulden rühren auch daher, dass Geld ausgegeben wurde als gäbe es kein Morgen und als wüchsen die Scheine an den Bäumen.
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  • Einwohner
    Wir sind selbst Schuld an unserer aktuellen Situation. Man kann nicht völlig naiv und unabhängig vom Rest der Welt den links-grünen Oberlehrer und Samariter spielen, immer nur gegen jeglichen Fortschritt sein und die Wirtschaft gängeln und glauben der Wirtschaftsstandort Deutschland wird weiter gut laufen und Steuern abwerfen. Die Welt zieht längst links und rechts an uns vorbei. Es wird noch richtig bitter bis alle das kapiert haben.
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  • info@softrie.de
    Also 2 Wochen ist nicht möglich. Sollten sie lieber zum Mieterbund gehen. Wenn man aber nachweislich nicht die Miete zahlen kann, dann passiert das. Mir ist das tatsächlich mal passiert und habe innerhalb von wenigen Wochen alles nachgeholt. Es war bei mir aber eher ein Versehen.
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Kann man leicht sagen

    "warum sollte irgendjemand so etwas finanzieren (und am Ende auch noch auf Kosten der Allgemeinheit)?"

    Auf der anderen Seite kosten heutzutage Dinge Geld, die einmal "frei" waren. Ich hoffe nur, ich muss den Tag nicht mehr erleben, wo es nichts mehr gibt, was noch in Geldwert umgemünzt werden könnte...
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  • marent1@hotmail.de
    Mal ganz ehrlich: nice to have, aber absolut nicht lebensnotwendig. Aktuell geht es mir eher um Strukturen, die im sozialen Bereich bestehen wie Hilfsangebote , Beratungsstellen und Einrichtungen, die über die Runden kommen müssen. Ein Raum , wo jeder machen kann was er will, wie er will und wann er will sollte im privaten möglich sien, was hat die Finanzierung der Stadt damit zu tun?
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  • Eos123456
    Die Zeiten werden wirtschaftlich härter. Private Vermieter können sich eine "soziale Ader" immer weniger leisten. Auch die öffentlichen Haushalte sind trotz der Schaffung von "Sondervermögen" und einer gesteigerten Kreditaufnahme nicht unbegrenzt belastbar.

    Die Knappheit der Mittel wird wie immer zuerst im freiwilligen Sozialbereich sichtbar. Ich fürchte, wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung, die sich bisher in unserem reichen Land niemand vorstellen konnte.
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  • MP-Ultra
    Aktivisten, die ihren Klarnamen nicht in der Öffentlichkeit nennen möchten, aber dann gerne öffentlich finanzierte Flächen für ihr Projekt hätten - das ist eigentlich eine nette Ironie!

    Aufgrund der wie gewohnt unreflektierten Unterstützung der MP kann man aber wohl erwarten, dass die Gruppe um „Muffin“ tatsächlich Erfolg haben wird!
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  • Gregorino
    Leute die einfach Kommentare schreiben ohne ihren Klarnamen zu nennen. Ganz schön ironisch.
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  • Albatros
    Genau "Gregorino"!
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  • U4564@gmx-ist-cool.de
    Der Unterschied ist, das MP-Ultra für seine Kommentare keine öffentlichen Gelder braucht
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  • k.a.braun@web.de
    Hoffentlich wird die Stadt Würzburg hier schnell und unbürokratisch helfend aktiv! Ein so engagiertes Projekt, das eine wichtige soziale Aufgabe in der Kommune erfüllt - und der Stadt diese Arbeit abnimmt - darf nicht untergehen!
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  • Einwohner
    Braucht kein Mensch. Hoffentlich wird sowas nicht mit öffentlichen Geldern finanziert.
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  • Einwohner
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