Barbara Stamm ist tot. Die bekannte und beliebte Sozialpolitikerin starb am Mittwoch, 5. Oktober 2022, in der Würzburger Universitätsklinik. Fast 15 Jahre lang hatte sie unverdrossen gegen ihre Krebserkrankung gekämpft – und ging offensiv damit um. So wurde sie zum Vorbild für andere Patientinnen und Patienten.
Zum Weltkrebstag Anfang Februar 2021 sprach sie in diesem Interview offen über Tumorerkrankungen, kritische Phasen – und Kraftquellen.
Barbara Stamm: Eigentlich gut. Und wenn die Stimmung mal am Kippen ist, dann schaue ich auf mein Geburtsdatum und kann für jeden Tag froh und dankbar sein.
Stamm: Dass man in einem relativ langen Leben viele Chancen und Möglichkeiten hatte – aber natürlich auch persönliche Prüfungen auferlegt bekommen hat, nicht nur durch Krankheiten.
Stamm: Ich hatte 2001 schon eine schwere Hirnoperation hinter mich gebracht, einen gutartigen Tumor. Von daher war ich auf eine solche Situation durchaus eingestellt. Trotzdem war die Diagnose Krebs 2008 schwierig.
Stamm: Es war am Anfang eines Urlaubs, ich war mit meinem Mann und Freunden unterwegs. Da habe ich beim Abtasten gemerkt, dass etwas anders ist. Geredet habe ich darüber erstmal nicht, ich wollte niemanden belasten. Im Anschluss bin ich gleich zum Arzt. Dort kam die Diagnose.
Stamm: Man denkt, die Welt bricht zusammen und es geht auf das Ende zu. Zu dieser Zeit stand ich auf der Liste für die erneute Landtagskandidatur. Da hat die Diagnose natürlich Fragen aufgeworfen: Weitermachen oder zurückziehen? Ich habe mich entschieden, auf der Liste zu bleiben, und wollte die Erkrankung nicht öffentlich machen, sondern sie im Kreis meiner engsten Angehörigen belassen. Ich dachte, das ist meine persönliche Sache.
Stamm: Das war für mich keine schöne Geschichte. Wir waren mitten im Wahlkampf, ich fühlte mich nach der OP und Therapie voller Tatendrang, bin nicht in Reha gegangen. Ich wollte damals nicht von Krebskranken umgeben sein – was ich heute wahrscheinlich anders entscheiden würde. Aber damals hat mir meine Familie wahnsinnig geholfen. In solchen Situationen spürt man, wie wertvoll Familie und Freunde sind. Das kommt mir übrigens in der aktuellen Pandemie-Diskussion völlig zu kurz: wie wichtig und stützend das soziale Umfeld ist!
Stamm: Es ist auf jeden Fall die Nähe. Man wird hochgezogen, wenn man sich am Boden fühlt. Beispiel Perücke: Das war für mich ganz schlimm, meine Tochter hat mir dabei geholfen. Ich zucke immer noch zusammen, wenn ich Bilder von damals sehe. Und auch der Selbsthilfebereich, in den ich eingebunden bin, hat mich sehr gestützt – speziell die Initiative "mamazone" zum Thema Brustkrebs. Selbsthilfegruppen kann ich allen Krebspatienten nur empfehlen.
Stamm: Im Sommer 2008 war klar, dass Alois Glück nicht mehr als Landtagspräsident kandidieren würde. Und ich habe intern mein Interesse an diesem Amt kundgetan – mitten in meiner Erkrankung, bei der letzten Landtagssitzung. Danach kam ein Journalist der "Bild"-Zeitung auf mich zu und meinte: Er habe von Bedenken gehört, eine schwer krebskranke Frau zur Präsidentin zu machen. Ich habe abgewehrt, wollte das als persönliche Angelegenheit behalten. Doch der Journalist wollte mit Hinweis auf das öffentliche Interesse unbedingt berichten. Da habe ich sehr schnell den Schritt nach vorne gemacht und von mir aus die Medien informiert.
Stamm: Aus heutiger Sicht ja. Es ist unglaublich, welche Resonanz man bekommt. Ich bin von so vielen Menschen positiv angesprochen worden, mit Zuspruch, Erfahrungen, guten Hinweisen. So fühlt man sich nicht allein. Das hat mir Kraft gegeben und umgekehrt konnte ich andere ermutigen.
Stamm: Nun ja, Fakt ist: Ich wollte es wirklich nicht an die Öffentlichkeit tragen. Ich war mir unsicher, wie es aufgenommen würde. Im Nachhinein aber sehe ich es nur positiv. Ich bin ja immer schon Netzwerkerin. Und aus dieser Geschichte sind Netzwerke entstanden, an die ich vorher nie gedacht hätte.
Stamm: Da sollte jeder seinen eigenen, persönlich richtigen Weg finden. Die einen ziehen sich zurück, machen das mit sich aus. Andere, wie etwa Manuela Schwesig oder Margot Käßmann, die kämpfen offen, zielorientiert und mit Vertrauen gegen Krebs an. Ich glaube, das ist ein guter Weg. Mir hat er sehr geholfen.
Stamm: Ich habe meine Bestrahlung in der Woche begonnen, als ich Präsidentin wurde. Morgens war ich in der Bestrahlung, mittags im Landtag. Aber für mich war das gut – ich war beschäftigt, konnte gar nicht länger über mich nachdenken.
Stamm: Ich hatte ihn für zehn Jahre gewonnen – und eine wunderbare Zeit. Vor allem am Anfang, bei der Nachsorge, war ich noch lange verunsichert und hatte Angst vor einer Streuung oder einer neuerlichen Diagnose. Aber von Jahr zu Jahr bin ich freier und gelöster geworden.
Stamm: Natürlich war ich niedergeschlagen, als das Rezidiv festgestellt wurde. Aber ich habe es nicht mehr in der Dramatik erlebt wie beim ersten Mal. Ich war zehn Jahre älter, hatte noch tolle Jahre mit großer Verantwortung und einer Riesenakzeptanz.
Stamm: Er war wieder da. Aber ich konnte anders damit umgehen. So hatte ich den festen Entschluss, nie mehr in meinem Leben eine Chemotherapie zu machen. Die hatte mich 2008 sehr geschlaucht. Bestrahlung ja, aber keine Chemo. Dadurch, dass sich die Forschung in den zehn Jahren so weiterentwickelt hat, habe ich jetzt die Möglichkeit einer Immuntherapie. Sie gibt mir Lebensqualität, wenn auch mit Nebenwirkungen für Gelenke und Haare.
Stamm: (lacht) Ach, ich sage jetzt nicht mehr Kampf. Ich tue was dagegen und habe gelernt, dass eine Krebsdiagnose kein Todesurteil ist. Im Lauf der Jahre habe ich beobachtet, dass wir Älteren eher mit der Krankheit zurechtkommen als junge Patienten, die oft viel dramatischere Verläufe erleben.
Stamm: Als Vorsitzende der Lebenshilfe oder auch ehrenamtlich in der Caritas bekomme ich viele Probleme mit. Mir ist aus eigener Erfahrung klar: Egal welche schwere Krankheit Sie haben, ob Krebs oder Corona – das schaffen Sie nicht allein, auch nicht bei bester medizinischer Versorgung. Je mehr Kraft ich brauche, desto mehr benötige ich Nähe und ein mir vertrautes Umfeld, auf das ich mich verlassen kann. Und das wird mir in dieser Pandemie viel zu wenig gesehen. Es darf nicht sein, dass in den Heimen trotz der Möglichkeit von Schnelltests immer noch engste Verwandte und Freunde ferngehalten werden. Dass nicht gesehen wird, wie wichtig diese sozialen Kontakte sind – darüber bin ich mittlerweile zutiefst traurig.
Stamm: Wenn ich neben der medizinischen Versorgung mein soziales Umfeld nicht gehabt hätte, hätte ich das nicht so überstanden. Das war meine Kraftquelle. Und dazu die Arbeit. An einem Tag war Chemo, am nächsten Wahlkampfveranstaltung.
Stamm: Das ist das Schlimmste. Ich glaube nicht, dass man eine solche Erkrankung damit überstehen kann – auch wenn es bei Einzelnen funktionieren mag.
Stamm: Ich bin aus der eigenen Erfahrung heraus vielleicht ein Stück sensibler geworden für Menschen, die es in einer solchen Situation noch viel schwerer haben – weil sie weniger Privilegien haben oder sich weniger zum Ausdruck bringen können. Mich zum Sprachrohr für sie zu machen, das empfinde ich als meine Aufgabe.
es tut vielen anonymen Betroffenen sicherlich gut, wenn sie feststellen, dass es auch bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und starke Frauen wie sie, treffen kann.
Sie haben sich in ihrem Leben für viele Menschen eingesetzt und einiges bewegen können.
Möge diese Energie zurückfließen, damit sie die Kraft haben, diese Krankheit solange zu überstehen, bis die excellenten Wissenschaftler von BionTec und CureVac, die eigentlich Medikamente gegen den Krebs entwickeln, und nur der Dringlichkeit wegen, kurzfristig Impfstoffe gegen die aktuellen Viren erforscht haben und nun produzieren lassen,
die gleiche Wirksamkeit gegen diese teuflische Krankheit erzeugen können.
Alles Gute für Sie und alle anderen Betroffenen, die zwar nicht so bekannt, aber genauso
wertvoll sind, wie Sie!
Jüngere Menschen MÜSSEN oft mit einer Krebsdiagnose ganz anders umgehen als ältere.
Sie haben noch kleine oder jüngere Kinder, haben vielleicht finanzielle Sorgen und jetzt in Corona-Zeiten fehlen auch noch freundschaftliche Kontakte.
nach capanossa, wenn die jährliche untersuchung bevorsteht, ob alles gut verläuft.
alles gute und liebe
liebe barbara stamm mit deinen "blauen kläd!"
Eine der wenigen positiven Aushängeschilder der CSU und eine Politikerin von der sich einige Führungspersonen etwas abschneiden können.
Ich bin immer nur wieder verwendet, dass man mit solchen Krankheiten in die Öffentlichkeit geht. Was verspricht man sich davon? Anteilnahme? Aufmerksamkeit? Ich tu mir da schwer, ich würde hier auch nicht über eine Probleme und Sorgen reden.
vielleicht weil es (anderen) Betroffenen Mut macht wenn jemand so offen darüber spricht! Eine schwere Krankheit ist immer ein schwerer Einschnitt ins Leben mit einem unsicheren Ausgang. Früher hat man solche Erkrankte und Behinderte bestenfalls verschämt versteckt und hat nicht über sie gesprochen. So müssen viele neben der Krankheit noch Einsamkeit und Unverständnis ertragen.
Es ist gut wenn den Betroffenen Mut gemacht gemacht wird - und nichts anderes macht Frau Stamm hier (anlässlich des Weltkrebstags).
Man kann Personen darüber sprechen lassen die so etwas nie erleben mussten und nur aus der Theorie oder vom hohen Ross berichten oder man wendet sich an diejenigen die erlebt haben wie sich so eine Krankheit auswirken kann, verbunden mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach der Krankheit.
" Im Sommer 2008 war klar, dass Alois Glück nicht mehr als Landtagspräsident kandidieren würde. Und ich habe intern mein Interesse an diesem Amt kundgetan – mitten in meiner Erkrankung, bei der letzten Landtagssitzung. Danach kam ein Journalist der "Bild"-Zeitung auf mich zu und meinte: Er habe von Bedenken gehört, eine schwer krebskranke Frau zur Präsidentin zu machen. Ich habe abgewehrt, wollte das als persönliche Angelegenheit behalten. Doch der Journalist wollte mit Hinweis auf das öffentliche Interesse unbedingt berichten. Da habe ich sehr schnell den Schritt nach vorne gemacht und von mir aus die Medien informiert."
Frau Stamm steht in der Öffentlichkeit, da ist ein mögliches Gerede noch viel größer. Jetzt ist sie seit 2 Jahren wieder neu erkrankt und macht es erst jetzt öffentlich, ich glaube nicht, dass sie dies tut um Aufmerksamkeit zu erregen.
Ich wünsche Frau Stamm alles Gute und viel Kraft!
Jutta T.
Frau Stamm steht in der Öffentlichkeit, da ist ein mögliches Gerede noch viel größer. Jetzt ist sie seit 2 Jahren wieder neu erkrankt und macht es erst jetzt öffentlich, ich glaube nicht, dass sie dies tut um Aufmerksamkeit zu erregen.
Ich wünsche Frau Stamm alles Gute und viel Kraft!
Jutta T.