
Claudia Stamm ist ein politischer Profi. Natürlich weiß die 47-Jährige, dass „mut“, die Partei, die sie vor einem Jahr nach dem Austritt bei den Grünen gegründet hat, kaum eine Chance hat, in den Bayerischen Landtag einzuziehen. In allen Umfragen landet sie maximal bei den „Sonstigen“. Über mögliche Prozente will die gebürtige Würzburgerin nicht spekulieren. „Die Hälfte der Wahlberechtigten ist schließlich noch unentschlossen“, so Stamm. „Schade, dass dies beim Veröffentlichen von Umfragen fast nie erwähnt wird.“
Dass mut die über 8000 Unterstützer-Unterschriften für die Zulassung zur Wahl in allen bayerischen Regierungsbezirken bekommen hat, nennt die Vorsitzende einen „Wahnsinnserfolg“, den der jungen Partei viele nicht zugetraut hätten. Mittlerweile haben sich die Bedingungen für eine erfolgreiche Wahlteilnahme weiter erschwert. Zwei der zwölf Gründungsmitglieder, zwei wahlkampferprobte Mitstreiter, sind im Sommer plötzlich gestorben, der Nürnberger Ralph Hoffmann und Hajü Staudt, der Ehemann von Claudia Stamm.
Nun kämpfen ihre Mitstreiter – gut 400 Mitglieder hat mut mittlerweile in Bayern – weiter. Es gebe viele Menschen quer durch alle Berufs- und Altersgruppen, die genug hätten von Politikern, die zwar in Sonntagsreden Haltung zeigten, aber mit Blick auf Regierungsposten diese arg schnell zur Disposition stellten – sei es beim Klimaschutz, bei Bürgerrechten und vor allem im Umgang mit geflüchteten Menschen. „Es geht um Glaubwürdigkeit“, sagt Claudia Stamm. Ein Seitenhieb gegen die Grünen? „Das ist zu kurz gedacht. Zu uns kommen auch Menschen, die vorher anderswo aktiv waren. Und vor allem sehr viele, die noch nie in einer Partei waren.“ Die Gründung von mut habe viele Leute erst motiviert, sich zu engagieren.
Erfolgreicher Radiomoderator
Matthias „Matuschke“ Matuschik gehört dazu. Erfolgreich als Radiomoderator („Bayern 3“) und Kabarettist, tritt der 53-Jährige erstmals für eine Partei in die Öffentlichkeit – als mut-Spitzenkandidat in Unterfranken. Matuschik sagt, er sei „Gerechtigkeitsfanatiker“ und habe schon immer den Mund aufgemacht, wenn ihn etwas gestört habe. Der Rechtsruck in Deutschland, „insbesondere in Bayern“, die fehlende Mitmenschlichkeit, wenn Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden, der „Überwachungswahn, der im neuen Polizeigesetz sichtbar wird“, aber auch der „Rückstand bei der Digitalisierung abseits der Großstädte“ hätten ihn, einen gebürtigen Oberpfälzer, nun so provoziert, dass er sich erstmals zur Wahl stelle.
Warum er nicht zu den Grünen, den Linken oder zur SPD gegangen ist? Dort hätte er überall Abstriche machen müssen, sagt Matuschik. „Zudem reizt mich das Neue, das ist schon immer auch beim Radio so.“ Er sei bekannt für seine Neuentdeckungen von Künstlern abseits des Mainstreams. „Da kommt mut mit der Möglichkeit, auch am Programm mitzuarbeiten, gerade recht.“ Im Wahlkampf tourt er nun gemeinsam mit dem Partei-Mitgründer und Münchner Soziologie-Professor Stephan Lessenich durch den Freistaat. Sie versprechen eine „kabarettistische Mut-Spur“. In drei Wochen Wahlkampf könne noch viel passieren, gibt sich der 53-Jährige, der mittlerweile in Gerbrunn (Lkr. Würzburg) wohnt, zuversichtlich. Das Wahlergebnis am 14. Oktober sei ihm gleichwohl „relativ egal“. Es gehe um „Herz und Haltung“, er, so Matuschik, wolle weiterhin „in den Spiegel schauen können“.
Claudia Stamm denkt derweil schon weiter. Für sie ist die Teilnahme von mut an der Landtagswahl, so sagt sie, eine „erste Etappe“. Der Erfolg beim Unterschriften-Sammeln zeige, aus der Idee könne auf Dauer mehr erwachsen. „Das macht uns Mut.“