
In Unterfranken haben die zuständigen Ämter keinen Überblick darüber, wie viel Wasser tatsächlich aus Gewässern und dem Grundwasser entnommen wird. Das hat eine gemeinsame sechsmonatige Daten-Recherche von Main-Post und Bayerischem Rundfunk ergeben. Der Tenor aus unterfränkischen Behördenkreisen lautet: Das sei in ganz Deutschland so.
Ganz Deutschland? Nein! Ein Landrat in Niedersachsen hört nicht auf, die Wasserentnahme-Praxis zu hinterfragen, die er angesichts des Klimawandels nicht mehr für tragbar hält. Cord Bockhop (CDU) hat im Landkreis Diepholz eine kleine Revolution angezettelt. Sie könnte, wie ebenfalls aus Behördenkreisen in Unterfranken zu vernehmen ist, auch ein Vorbild für unsere trockene Mainregion werden.
Der Landkreis Diepholz hat etwa 220.000 Einwohner und ist mit 2000 Quadratkilometern fast so groß wie das Saarland. Die Region versorgt die eigene Bevölkerung und dazu Nachbarlandkreise und die Stadt Bremen mit Trinkwasser. Im Landkreis Diepholz herrscht Goldgräberstimmung: Große Mineralwasserhersteller bohren nach Tiefengrundwasser. Und die Nachfrage nach landwirtschaftlicher Bewässerung ist in den vergangenen Jahren nahezu explodiert: Gab es zwischen 1988 und 1998 noch 19 Brunnen für die Feldberegnung, sind es heute bereits 600 Brunnen. 14,4 Millionen Kubikmeter Grundwasser werden pro Jahr für die Lebensmittelproduktion an die Erdoberfläche gepumpt. Gleichzeitig steigt seit dem Trockenjahr 2018 die öffentliche Aufmerksamkeit für das immer knapper werdende Gut Wasser.
Grund genug für den Landrat, das Thema Wasserverteilung und Wasserverbrauch anzugehen. Im Interview berichtet Cord Bockhop, warum in seinem Landkreis die Wasser-Entnahmen der Landwirte seit 2022 digital überwacht werden und wie er jetzt gegen alte Wasserrechtsbescheide vorgeht.
Cord Bockhop: Wenn wir über Wassermengen und Wasserqualität sprechen, müssen wir wissen, wie viel Wasser an welcher Stelle tatsächlich verbraucht wird. Bei den Mineralwasserbrunnen und der Trinkwasserversorgung ist das selbstverständlich. Nur in der Landwirtschaft nicht. Wir wollen wissen, wie viel Wasser am Tag aus jedem Brunnen gezogen wird. Es gibt 600 Brunnen für die Feldberegnung im Landkreis Diepholz. Ich müsste einen Behördenmitarbeiter tagelang mit dem Fahrrad durch die Gegend schicken, damit er alle Zähler abliest. Oder ich müsste viele Mitarbeiter beschäftigen. Das kann doch nicht sein! Die Lösung liegt in der Digitalisierung.
Bockhop: Nein. Die mechanischen Wasseruhren der Landwirte bleiben. Sie geben einen Impuls, sobald ein Kubikmeter Wasser entnommen wird. Auf diese analogen Zähler setzen wir die digitalen Zähler der Telekom. Sie schicken den Impuls in eine Cloud im Internet. Dort werden die Wassermengen in einer sich ständig aktualisierenden Tabelle zusammengefasst. Jetzt können wir permanent sehen, wieviel Wasser tage- und sogar wie viel stundenweise entnommen wird.

Bockhop: Im Sommer, wenn am wenigsten Wasser in der Natur vorhanden ist, brauchen Menschen am meisten Wasser. In dieser Zeit haben auch die Pflanzen den größten Bewässerungsbedarf. Genau dann müssen wir stundenweise steuern können, wann bewässert wird. Im Sommer 2022 haben wir per Verordnung die Bewässerung in der Landwirtschaft zwischen 11 und 18 Uhr verboten. Weil in dieser Zeit zu viel Wasser verdunstet. Dadurch, dass wir jetzt wissen, wann welcher Landwirt bewässert, können wir Maßnahmen anpassen, wenn das Wasser mal knapp wird. Und wir könnten Bußgelder verhängen, wenn sich jemand nicht an die Auflagen hält.
Bockhop: Wir haben die digitale Netzabdeckung hinbekommen – und das in einem Landkreis mit vielen Funklöchern. Wir haben drei verschiedene Zähler getestet und uns auf einen festgelegt, der so robust ist, dass ihm Staub und eindringendes Wasser nichts ausmachen. Die Technik funktioniert schon bei den ersten 30 Brunnen. Jetzt wollen wir das System auf alle 600 Brunnen ausweiten.
Bockhop: Als Pilotprojekt ist es preiswert für uns. Wir haben einen geringen fünfstelligen Betrag bezahlt. Wir haben 35.000 Euro an Fördermitteln vom Landwirtschaftsministerium in Niedersachsen erhalten. Den Rest hat unser Partner, die Telekom, dazugegeben. Für sie ist es ein neues Geschäftsmodell. Pro Gerät zahlen wir jetzt noch etwa 300 Euro im Jahr. Diese Kosten übernimmt der Landkreis Diepholz für die Landwirte.
Bockhop: Der Betrag ist gerechtfertigt, wenn es darum geht, Wasserverbrauch und Wasserverwendung in den Griff zu bekommen. Die Landwirte können nicht überall Schläuche verlegen und auf Tropfbewässerung umstellen. Das funktioniert nicht überall. Die Bewässerung einstellen können sie auch nicht. Wenn kein Wasser da ist, wächst nichts. Dann werden wir ein Problem bei der Ernährung bekommen oder beim Tierfutter. Wir brauchen im Klimawandel leider immer mehr Bewässerung. Aber genau deshalb müssen wir sie besser steuern. Wir müssen den Landwirten offen sagen: In Zukunft haben wir weniger Wasser, das wir verteilen können.

Bockhop: Die industriellen Entnahmen werden bereits digital überwacht. Das funktioniert. Bei den landwirtschaftlichen Brunnen ist das anders. Da müssen die Kontrolleure auf dem Feld erst mal das richtige Flurstück finden, auf dem sie die Zähler ablesen. Bei Privatpersonen machen digitale Zähler im Augenblick noch keinen Sinn, weil sie nur geringe Wassermengen für ihre Gartengrundstücke entnehmen. Wenn die Technik aber mal ausgereift ist, wäre das der nächste Schritt.
Bockhop: Wir haben mit vielen Landwirten gesprochen, ob sie ihre Wasserrechte in dem Umfang, in dem sie einst genehmigt wurden, noch brauchen. Die meisten haben uns gesagt: Ja, wir brauchen sie. Wenn wir ihnen dann sagten: Du hast doch in den letzten 20 Jahren die Wassermengen nie vollständig gebraucht, kam die Antwort: "Haben ist besser als brauchen." Wir sind daraufhin mit jedem Einzelnen ins Gespräch gegangen und haben die Wasserrechte gekürzt. Manche Bescheide haben wir sogar ganz aufgehoben. Wir sparen dadurch vier Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr. Nur eine Handvoll Landwirte klagt jetzt vor Gericht.
Bockhop: Die Landwirte haben rechtlich gesehen gute Karten. Oft handelt es sich um Bescheide, die 30, 40 Jahre alt oder älter sind. Die kann man eigentlich nicht aufheben. Manche dieser Wasserrechte sind ohne Befristung. Und ohne Bedingungen. Es sind begünstigende, rechtliche Verwaltungsakte ohne Kündigungsmöglichkeit und ohne Einschränkungen. Sie gelten bis in alle Ewigkeit. Aber mal im Ernst: Das kann doch angesichts der Klimaveränderungen nicht sein! Wir haben jetzt schon Grundwasserkörper, die am Limit sind.
Bockhop: Ich bin völlig entspannt. Ich möchte keinen Streit mit unseren Landwirten. Was ich möchte, ist eine Klärung. Aus meiner Sicht muss die Rechtssprechung bestätigen, dass man solche begünstigenden Verwaltungsakte angesichts des Klimawandels aufheben kann. Es geht mir nicht darum, die Bewässerung zu verbieten. Es geht mir darum, Wassermengen zu kürzen und an Auflagen zu knüpfen. Wenn das nicht möglich ist, verliere ich gerne vor Gericht. Denn dann wäre klar, dass die Politik in Berlin endlich handeln muss!
Dem Würzburger CSU Landrat empfehle ich möglichst zügig nach Niedersachsen zu reisen und sich dort schlau zu machen.
Mal sehen ob es vor der Wahl noch eine Aktion gibt?
Ich erwarte vom Landrat einen ausführlichen Reisebericht und Handlungsempfehlungen für Verwaltung und Kreisrat.
Von der bay. Staatsregierung w#r eine Auskunft über von ihre geplante Gesetzesänderungen bzgl. Wasserrechtvergabe wünschenswert.
Vor der Wahl gibts bestimmt einen Plan…
nach der Wahl gibst eine Ausrede!
Siehe 365 € Ticket für ganz Bayern - vor 6 Jahren von Herrn Söder versprochen und nach der Wahl ist nix passiert….
Erst die Ampel hat es dann erledigt-sogar deutschlandweit!