
Mit zwei denkbar unterschiedlichen Ausstellungen startet das Würzburger Museum am Dom ins neue Jahr: hier die abstrakten Stahlskulpturen von Herbert Mehler und Sonja Edle von Hoeßle, dort vier Würzburger Domherren-Porträts des 18. Jahrhunderts. Die Skulpturen sind unter dem Motto "Intervention" effektvoll verteilt über die große Ausstellungsfläche, die Gemälde hängen, ergänzt durch aussagekräftige Objekte aus dem Domschatz, im "Labor", einem Kabinett, das diesmal ein wenig die Anmutung einer fürstlichen Wunderkammer bekommt.
Bei näherem Nachdenken ergibt sich aber doch eine Verbindung. Oder vielmehr: ein Gegensatzpaar. Die Stahlskulpturen stehen hier unter dem Titel "Unendlichkeit". Die Objekte im Labor könnte man hingegen unter das Motto "Endlichkeit" stellen, stammen sie doch mehrheitlich aus der Spätphase des Hochstifts Würzburg, das, ungeachtet des Ewigkeitsanspruchs allen kirchlichen Strebens, 1803 bei der Säkularisierung im Kielwasser der napoleonischen Eroberungen jäh aufhörte zu existieren.

Sechs Jahre lang war das Künstlerehepaar Sonja Edle von Hoeßle und Herbert Mehler, das auf dem Erbachshof in Eisingen (Lkr. Würzburg) lebt und arbeitet, fern der Heimat aktiv, zuletzt mit einer großen Ausstellung in China. Jetzt also eine Art Rückkehr, sieht man von den Arbeiten Mehlers ab, die dauerhaft an vielen Orten in und um Würzburg zu sehen sind, etwa im Domkreuzgang, in Neumünster, im Alten Hafen, auf dem Kiliansplatz, vor St. Adalbero oder der Kunsthalle Schweinfurt.
Die Nachbarschaft zu den umliegenden Kunstwerken schafft verblüffende Bezüge
Unendlich im wörtlichen Sinne sind die Endlosschleifen aus Vierkantstahl, die Sonja Edle von Hoeßle aus immer wieder neu kombinierten Kreissegmenten und Geraden fügt. Sie erheben sich in verspieltem Schwung vom Boden, um dann dank mehr oder weniger spitzer Winkel zurückzukehren in die Sphäre des Betrachters.

Die Arbeiten mit Fantasienamen wie "Gaburat" oder "Zilody" wirken schwerelos und strahlen dennoch irdische Stabilität aus. Je nach Betrachtungswinkel nehmen sie immer wieder neu Haltung an, wenn man so will. Wer aufmerksam um sie herumgeht, wird ein weiteres Phänomen erleben: Die Nachbarschaft zu den umliegenden Kunstwerken, etwa der monumentalen Altarwand von Michael Morgner oder dem kühn geschwungenen Lendenschurz eines heiligen Sebastian um 1500, schafft verblüffende Bezüge.
Wo Sonja Edle von Hoeßle mit leichter Hand Schwer- und Fliehkräfte bändigt, sucht Herbert Mehler Klarheit in serieller Strenge. Die beiden aus jeweils gleichartigen Modulen zusammengesetzten Säulen in der Ausstellung haben dennoch vollkommen unterschiedliche Charaktere: Die eckig rhythmisierte Arbeit "Dedicato Brancusi" ist dem rumänischen Bildhauer und seiner 30 Meter hohen "Säule der Unendlichkeit" gewidmet, "Fiamma" hingegen strebt mit kurvigen Kanten in die Höhe wie eine Pflanze.
Eine Neuanschaffung ist Anlass für den zweiten Teil der Ausstellung
Die Unendlichkeit gemäß dem Titel ist also vielfach thematisiert, für Herbert Mehler geht es immer wieder um den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen, Gebären und Sterben. Und: "Es geht ums Menschsein. Und darum, in meinen Werken eine Ordnung für mich selbst zu finden", sagt er.

Die in diesen Tagen eher selten gewordene Möglichkeit einer Neuanschaffung ist Anlass des zweiten Teils der Ausstellung: 2024 ist es gelungen, in Genua ein Porträt des Würzburger Domkapitulars Johann Philipp Karl Anton von Fechenbach (1708-1779) als 33-Jährigem zu ersteigern, Onkel des letzten Würzburger Fürstbischofs Georg Karl von Fechenbach.
Wolfgang Schneider, Diözesankonservator und Kurator der kleinen Zusammenstellung, hat das Gemälde im Labor neben ein weiteres Porträt aus dem Fundus gehängt, das ebendiesen Johann Philipp Karl Anton von Fechenbach im Alter von 60 Jahren zeigt. Die Kombination mit weiteren Gemälden und Objekten aus dem Domschatz wie dem silbernen Beschlag für ein Messbuch, dem Fragment einer Grabplatte aus der Werkstatt Tilman Riemenschneiders, kunstvoll ziselierten Domherrenabzeichen oder dem letzten Wappenkalender des Domstifts aus dem Jahr 1802, reißt höchst informative Aspekte der Institution Domkapitel an.

So war das 24-köpfige Domkapitel eher ein politisches, denn kirchliches Gremium, das nicht nur den Fürstbischof aus den eigenen Reihen wählte, sondern praktisch alle Geschäfte des Hochstifts lenkte. Ämter und Pfründe wurden in der Regel vom Onkel an den Neffen weitergegeben. Mitglied konnten nur Adlige werden, in der Regel jüngere Söhne adliger Familien. Und die brauchten auch nur die Weihe zum Subdiakon, was gegebenenfalls die Rückkehr ins weltliche Leben mit eventueller Heirat erleichterte.
Beide Ausstellungen finden bis 13. April statt. Öffnungszeiten: Di.-So. 12-17 Uhr.