Es ist schon ein bemerkenswerter Ort, dieser Erbachshof. Und ein entdeckenswerter dazu. Das finden nicht nur die neuen Besitzer, das Künstlerehepaar Herbert Mehler und Sonja Edle von Hoeßle, sondern auch Verantwortliche der Landesgartenschau Würzburg. Sie kürten den Skulpturenpark zu einem von elf entdeckenswerten Orten in Stadt und Landkreis Würzburg.
Hochherrschaftlich, fast wie ein kleines Schloss, thront das Gebäude, der alte Erbachshof, am Rand des 1,3 Hektar großen Parks. Die einzigartigen Stahl-Skulpturen von Herbert Mehler und seiner Frau Sonja fügen sich hier wie selbstverständlich ein in den alten Baumbestand aus roten und weißen Kastanien, Apfelbäumen und Birken. Ein schwerer Duft von Flieder und Rindenmulch liegt in der Luft. Es ist ruhig, kein Straßenlärm dringt in den Garten durch. Nur das Zwitschern der Vögel ist zu hören.
Auch Bundespräsident Heus war Gast im Erbachshof
Weit zurück reicht die Geschichte der ehemaligen Landwirtschaftsschule. Glanzvolle Zeiten erlebte das Haus von 1955 bis 1972. Da baute es der belgische Adlige Baron Theo Ernst Adalbert von Guérard zu einem exklusiven Fünfsterne-Hotel mit Restaurant um. Sein Vater Baron Theodor hatte den Erbachshof 1931 gekauft.
„Die Belgier hatten Plantagen in Indonesien und brachten exotische Einflüsse sowohl in die Küche als auch in die Möbel mit“, weiß Sonja Edle von Hoeßle. Schnell wurde es überregional bekannt und zog illustre Gäste aus Politik und Wirtschaft an. Es sei damals eines der besten Hotelrestaurants in Deutschland gewesen. Noble Autos parkten vor dem Gebäude und die Bediensteten empfingen die Gäste in Frack und Zylinder, weiß man von Zeitzeugen. Auch der erste deutsche Bundespräsident Theodor Heuss weilte eine Woche lang in Eisingen.
Die Eisinger trafen sich in der Bierstube
Und auch für die wohlhabende Würzburger Bevölkerung war das Restaurant ein Begriff. Goldene Hochzeiten und Geburtstage wurden gefeiert. Nur die Eisinger trauten sich nicht hin. „Die haben unten eine Bierstube bekommen“, weiß Mehler.
Der Baron hatte nämlich den Kartoffelkeller in einen großen Gastraum umbauen lassen – die Jagdschänke, die vor allem für Wanderer, Ausflugsgäste und Vereinszusammenkünfte gedacht war. Daneben war noch ein kleinerer Raum, die Jägerstube, vor allem für die ländliche Bevölkerung. Heute erinnern daran nur noch ein altes Blechschild und zwei steinerne, leicht verwitterte Keilerköpfe.
Der Erbachshof wurde der Kirche abgekauft
Eine wechselvolle Geschichte hat der Erbachshof erlebt. Ein Altersheim und eine Herberge für die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg waren hier untergebracht. Im Jahr 2008 schließlich zogen dort das Künstlerehepaar Motron A. Havelka und Elke Ungerbühler-Havelka ein. Vor eineinhalb Jahren erwarben die Malerin und Bildhauerin Sonja Edle von Hoeßle und der Bildhauer Herbert Mehler das alte Anwesen von der Katholischen Kirche und riefen dort das Erbachshof Art Project ins Leben.
Seitdem ist auf dem Gelände und im Haus viel passiert. Wasser- und Elektroleitungen wurden erneuert, zwei neue Bäder und eine neue Küche eingebaut. Es gab viel zu tun. „Mit dem Restaurieren sind wir ziemlich durch“, sagt Mehler stolz. Einzig auf dem Dach passiert noch ein „letzter Atemzug“ mit dem Einbau eines Dachliegefensters: „Dann sind wir fertig.“
Erbachshof soll ein Zentrum der Kultur werden
Wunderschöne Atelierräume sind entstanden und kleinere Wohnungen, die man mieten kann. Und Gästewohnungen für befreundete Künstler, die dort eine „art ?n residence“ (Kunst und Wohnen) machen können. Zwei Wohnungen sind bereits vermietet an „Menschen aus dem Würzburger Kulturleben“.
Ein Zentrum für Kultur in jeder Weise soll es werden, sagt Mehler. Erbachshof Art Project eben. Breitgefächert, mit Musik, Lesungen und „multimedialen Geschichten“. Und anderen Künstlern. „Wir beide brennen für die Kunst und sind mit Feuereifer dabei“, sagt Mehler. Klein, aber fein, und auf „hohem Level“ muss es nach den Vorstellungen der Beiden sein. Und fließend. Nicht starr. „Wir sind offen für Qualität und menschliche Begegnungen“, betont Mehler.
Für den Erbachshof schlug ihr Herz höher
Auch mit der Eisinger Bevölkerung. Zwar sei der Park nicht öffentlich, aber nach Absprache könne man hinein. „Das ist ein Angebot, um sich mal entspannen zu können und um weg zu kommen von diesem funktionalen Stress“, sagt der Künstler. Sich Zeit und Muße nehmen für die Kunstbetrachtung in einem wunderbar gewachsenen natürlichen Ambiente, ergänzt von Hoeßle. Und ins Gespräch kommen. „Kunst ist ein Kontaktmittel und verbindet unabhängig von Weltanschauungen und Bildungsstand“, meint Mehler.
Aber warum fiel ihre Wahl ausgerechnet auf Eisingen? Fünf Jahre haben sie in Berlin gelebt und gearbeitet, waren zweimal in Korea, zweimal in Miami, immer wieder in Griechenland. Sind international bekannt und anerkannt. „Wir haben jahrelang in ganz Deutschland gesucht und haben nichts gefunden, was das Herz hätte höher schlagen lassen“, erklärt er.
Am 13. Mai platzt die kulturelle Bombe
Sie waren schon kurz davor, die Zelte in Deutschland abzubrechen und nach Griechenland zu ziehen, da entdeckten sie den Erbachshof. Jetzt sind sie angekommen, aber zuhause fühlt er sich dennoch nicht, sagt der gebürtige Rhöner. Kunst schafft er nach eigenen Aussagen seit 66 Jahren, also von Geburt an. „Ich konnt noch net laufen, da hab ich schon in der Werkstatt meines Vaters, der Holzschnitzer war, mit den Spänen gespielt“, schmunzelt er.
Eine „kulturelle Bombe“, wie sie die Würzburger Kulturszene noch nicht erlebt hat, kündigt Mehler für Sonntag, 13. Mai, an. Denn da wird das Erbachshof Art Project um 11 Uhr offiziell eröffnet. Zusammen mit der Ausstellung „Toccare“ des Italieners Mimmo Roselli, mit dem Mehler seit 30 Jahren zusammenarbeitet.
Zu sehen ist die Ausstellung vom 13. Mai bis 22. Juli und vom 15. bis 30. September jeweils samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Führungen sonntags um 15 Uhr oder nach Vereinbarung unter 0170 28 31 640.