
Nach fünfjähriger Amtszeit wurden kürzlich 85 Schöffinnen und Schöffen des Würzburger Amts- und Landgerichts im Justizzentrum geehrt und verabschiedet. "Das, was Sie gemacht haben, ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe", sagte Gerichtspräsident Johannes Ebert in seiner Ansprache. Er wünsche sich, dass die nun verabschiedeten Laienrichter und -richterinnen ihre Erfahrungen jetzt in die Bevölkerung tragen würden.
Ehrenamtliche Laienrichter aus der Bevölkerung sind ein fester Teil des deutschen Justizsystems. Sie haben bei der Urteilsfindung dieselben Rechte wie ihre hauptberuflichen Kolleginnen und Kollegen. Wie blicken die Schöffen nach ihrer Amtszeit auf die Justiz? Sechs Männer und Frauen berichten.
1. Informatikstudent Daniel Janke urteilte im Würzburger Cannameleon-Verfahren

Daniel Janke studiert Luft- und Raumfahrtinformatik in Würzburg. Die vergangene Amtsperiode war seine erste als Schöffe und er hatte es direkt mit einem öffentlichkeitswirksamen Fall zu tun: Janke urteilte im Cannameleon-Verfahren. Dabei ging es unter anderem um die Strafbarkeit von quasi nicht berauschenden CBD-Cannabis-Produkten und um gemessene THC-Grenzwerte in Tees.
"Als ich im Beratungszimmer nach der Messungenauigkeit gefragt habe, wusste erstmal niemand wovon ich rede", sagt der Informatiker. Er habe sich jedoch mit seiner Expertise im Verfahren vom Vorsitzenden Richter ernst genommen gefühlt und sich auch aktiv in die Verhandlung eingebracht. "Gut fand ich, dass auch der zweite Schöffe mitdiskutiert hat", sagt Janke. "In anderen Verfahren hatte ich manchmal das Gefühl, dass Schöffen als Statisten wahrgenommen wurden."
2. Heilpraktikerin Yvonne K. kritisiert "Fahndungseifer" bei kleinen Drogendelikten

Yvonne K. blickt ambivalent auf ihre Zeit als Schöffin in Würzburg zurück. Kritisch sieht sie den Umgang mit kleineren Drogendelikten und berichtet von einer alleinerziehenden Mutter, die wegen Cannabis-Besitzes verurteilt worden sei. "Den Fahndungseifer, nur weil sich jemand am Abend eine Tüte reinzieht, fand ich zu krass", sagt die Heilpraktikerin. Sie habe einige solcher Verfahren erlebt und sei sich nun sicher: "Rechtsprechung und Recht sind nicht immer das Gleiche."
Auch wenn sie selbst bei der Urteilsfindung teilweise überstimmt worden sei, habe sie die Berufsrichterinnen und Berufsrichter als kompetent erlebt: "Die Richter haben im Verfahren immer alle wichtigen Fragen gestellt." Eine grundlegende Veränderung wünsche Sie sich jedoch im Bereich der Wirtschaftskriminalität: Verfahren in dem Bereich seien teils zu oberflächlich gewesen, sagt K. "Wenn ich das hinterfragt habe, hieß es 'das wurde nicht ausermittelt'."
3. Zauberer Joachim Schug erinnert sich an emotionales Tötungsdelikt aus Volkach

Privat zaubert er Kaninchen aus einem Hut, auf der Richterbank musste sich Joachim Schug mit einem emotionalen Tötungsdelikt befassen: Im Jahr 2021 hatte er eine Pflegerin aus Volkach mitverurteilt, die dementen Seniorinnen aus Überforderung Insulin gespritzt hatte. "Es war schnell klar, dass das kein doppelter Mord ist", sagt Schug. Die Angeklagte habe keinen Vorsatz gehabt, er habe sich gut in sie hineinversetzen können.
"Wie geht es der Angeklagten", habe er sich gefragt, als er von der Richterbank auf sie herabgeblickt habe. Das Verfahren habe ihn auch danach noch beschäftigt: "Wenn man raus ist, konnte man nicht abschalten", sagt er. Bei seinen Verfahren haben er sich auf sein Bauchgefühl verlassen und habe damit gute Erfahrungen gemacht. "Das Schöffenamt ist eine gute Einrichtung", ist Schug überzeugt. "Die Gerichtsbarkeit kommt aus dem Volk."
4. Ehemalige SPD-Kreisrätin Sonja Ries hat sich auf ihr "Bauchgefühl" verlassen

Mit einem komplexen Prozess hatte es Schöffin Sonja Ries zu tun. Die ehemalige SPD-Kreisrätin aus Höchberg musste über die Schuld beziehungsweise Unschuld zweier Studenten entscheiden. Die Männer waren im Hauptverfahren fälscherlicherweise verurteilt worden, weil sie zwei Polizisten auf Mallorca verprügelt haben sollen. Erst die Auswertung der Handys der Opfer brachte Aufklärung.
"Neue Medien sind als Beweise Gold wert", sagt Ries. Vor ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Richterin habe sie nicht gewusst, wie viele Informationen sich aus den Geräten auslesen ließen. Das habe sie jedoch nicht davon abgehalten, im Verfahren Fragen zu stellen – etwa nach konkreten Abläufen und Örtlichkeiten der Tat. "Ich konnte mich auf mein Bauchgefühl verlassen", sagt Sonja Ries.
5. Soldat Nils-Alexander Simon kritisiert das Berufungssystem

"Es gibt einen Grund, warum wir da sind", sagt Berufssoldat Nils-Alexander Simon über das Schöffenamt. Der Menschenverstand der Leute aus dem Volke sei wichtig für das Justizsystem. Etwa beim Fall eines niederländischen Studenten, der in Würzburg mit einem persönlichen Drogenvorrat aus einen Flixbus gezogen worden sei. War es internationaler Drogenschmuggel? Nein, ist Simon überzeugt und konnte diese Ansicht auch in die Urteilsfindung einbringen.
"Unser System in den Verfahren ist sehr gut", ist der Soldat überzeugt. Nur die Gesetzgebung rund um das Justizsystem sehe er teilweise kritisch: "Das Berufungssystem bindet zu viele Kapazitäten", sagt Simon. Wenn nur die Verteidigung und nicht gleichzeitig auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlege, sei ein höheres anschließendes Strafmaß per Gesetz nicht möglich. Das schaffe unnötige Anreize für die Verteidigung, in Berufung zu gehen. Er würde daher begrüßen, wenn auch ein höheres Strafmaß in einer Berufungsverhandlung möglich sei.
6. Hausfrau Hedwig Kleiner lobt guten zwischenmenschlichen Umgang

Vier Amtsperioden als Schöffin hat Hausfrau Hedwig Kleiner bereits hinter sich. Am meisten in Erinnerung ist ihr der Fall eines älteren Mannes geblieben, der aus Verzweiflung seine demente und pflegebedürftige Frau getötet und anschließend versucht hat, sich selbst umzubringen. "Er liebte seine Frau und kommt nicht klar. Das war schlimm", sagt Kleiner.
Der Umgang der Berufsrichter mit dem Fall habe sie beeindruckt: "Sie haben es gut mit ihm gemeint und wir waren uns alle einig", sagt die Laienrichterin. Vom guten zwischenmenschlichen Umgang mit Straftäterinnen und Straftätern an Würzburger Gerichten habe sie viel gelernt: "Man denkt da auch privat drüber nach. Das nützt mir auch für meine anderen Ehrenämter."
Schöffen sind im Idealfall ein wichtiges rechtsstaatliches Korrektiv und ein Bollwerk gegen Hybris, Strafwut und den Autismus von Kader-Juristen und kalten Bürokraten, die zum Teil längst den Bezug zu den Menschen und deren Lebensrealität verloren haben oder diesen nie hatten.
Leider sind auch manche Schöffen nicht ganz unempfänglich für Machtverhältnisse und Hierarchiedenken - obwohl sie die gleiche Stimme haben wie Berufsrichter, oft mehr Sozialkompetenz und gelegentlich sogar mehr Fachwissen lassen sich manche Schöffen immer noch übertölpeln und mit Blingbling beeindrucken.
Selbst erlebt wie ein Schöffe sehr konsequent und konstruktiv zielführend einen Zeugen befragte - und die Fragen von der Vorsitzenden Richterin unterbunden wurden, indem sie die Befragung unterbrach und "ihre" Schöffen zur "Beratung" ins Richterzimmer bat....
Als ehemaliger Polizeibeamter möchte ich Ihnen, Frau K., für die deutliche Aussage hier einmal klar danken!
Insbesondere in Bayern kann man eine Kluft und zum Teilen ein Fehlen jeglicher Verhältnismäßigkeit feststellen zwischen dem was objektiv Recht ist und der faktischen Rechtsprechung bzw. Strafverfolgung.
Die Justiz, insbesondere Staatsanwaltschaften, sind in Bayern seit Jahrzehnten parteipolitisch dominiert und entsprechend mit Leuten zersetzt, die genau wissen, was "erwartet" wird, um weiterzukommen. Beim Thema Cannabis braucht man sich nur die jüngsten öffentlichen Äußerungen von Söder anzuschauen.
In anderen Bereichen der Strafverfolgung sieht es nicht anders aus.