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Würzburg
Urteil im Prozess um Schlägerei auf Mallorca: Die beiden Würzburger Studenten sind freigesprochen
Klare Worte der Vorsitzenden Richterin: "Wir glauben, dass die Angeklagten nicht die Täter sind." Wie es bereits am Donnerstag am Landgericht Würzburg zu Freisprüchen kam.
Das Berufungsverfahren um eine Schlägerei auf Mallorca endete am dritten Verhandlungstag schon: Das Landgericht Würzburg - hier bei Prozessbeginn am Dienstag - hat zwei Würzburger Studenten freigesprochen. 
Foto: Thomas Obermeier | Das Berufungsverfahren um eine Schlägerei auf Mallorca endete am dritten Verhandlungstag schon: Das Landgericht Würzburg - hier bei Prozessbeginn am Dienstag - hat zwei Würzburger Studenten freigesprochen. 
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 03.05.2023 02:37 Uhr

Wende im Prozess um eine Schlägerei auf Mallorca: Die zwei angeklagten Würzburger Studenten waren nicht die Täter, die 2019 am Ballermann grundlos einen jungen Polizisten und seinen Kumpel verprügelt haben. Das Landgericht Würzburg um die Vorsitzende Richterin Susanne Krischker sprach die beiden am Donnerstag nach nur drei von neun angesetzten Verhandlungstagen frei.

In erster Instanz: Haftstrafen von zwei Jahren ohne Bewährung

In erster Instanz im Jahr 2021 war das Amtsgericht Würzburg von der Schuld der beiden Angeklagten überzeugt. Es hatte die zwei Studenten zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. In zweiter Instanz zeigten sich Zeugen jetzt keineswegs mehr so sicher, ob es sich bei den Angeklagten um die mutmaßlichen Täter oder nur ähnlich aussehende Personen handelt. Auch die Aussagen der beiden Opfer hinterließen viele Zweifel.

Entscheidend waren vor allem die Auswertungen von Handys der Angeklagten und der Opfer, die die  Verteidigung beantragt hatte und die erst spät zur Sprache kamen. Sie machten eine wochenlange Unterbrechung des Prozesses nötig, erwiesen sich nun aber als effektiv. Sie habe zunächst mit dieser Verzögerung gehadert, gab die erfahrene Vorsitzende zu. "Aber im Nachhinein bin ich froh, dass wir sie so getroffen haben", sagt Krischker.

Nicht die Täter: Eindeutiges Votum von Gericht, Anklage und Verteidigung

So eindeutig wie selten bewerteten Staatsanwalt Peter Gerner, die drei Verteidiger und das Gericht an diesem Donnerstag jetzt Fall: Eindeutig war die Forderung nach Freispruch. Die betont lustlos wirkende Nebenklage-Anwältin der beiden Opfer konnte man am Donnerstag nicht mehr fragen. Sie war zur Verhandlung gar nicht mehr aus Hessen angereist.

Keiner bezweifelte in den Plädoyers, dass der geschädigte Polizist und sein Freund grundlos im Jahr 2019 am Ballermann zusammengeschlagen worden waren. Beide erlitten schmerzhafte Kieferbrüche. Aber man war sich einig: Als der Polizist durch Zufall drei Tage später beim Heimflug am Flughafen in Palma zwei den Tätern ähnlich aussehenden Männern begegnete, wollte er unbedingt glauben, sie seien es gewesen. "Jackpot, Jackpot!" jubelte er in einer Sprachnachricht an seinen Kumpel – und witterte Schmerzensgeld.

Illegal Ausweisdaten von Polizeikollegen beschafft

Auf seinen Hinweis hin kontrollierte nach der Landung in Frankfurt die Polizei dort die Verdächtigen. Wie deren Daten dann illegal von Kollege an Kollege weitergereicht wurden, ist inzwischen Gegenstand eigener Ermittlungen. Offenbar besorgte sich der Geschädigte illegal die Ausweisdaten samt Fotos der Würzburger. Daten auf seinem Handy zeigen, dass er Bilder weiterreichte an das zweite Opfer und an Zeugen, um sichere belastende Aussagen bei einer Identifizierung zu bekommen.

Später löschte er weitgehend Dialoge mit seinem Kumpel. Das alles machte aus Sicht der Prozessbeteiligten aus einem Opfer einen Täter, der das Gericht manipulieren wollte.

Experte vom LKA konnte gelöschte Handy-Daten wiederherstellen 

Verteidiger Martin Reitmaier hatte im Berufungsverfahren auf eine Untersuchung der Handys bestanden. Ein Fachmann des Landeskriminalamts konnte die gelöschten Daten weitgehend wiederherstellen. 

Die Opfer hätten nicht absichtlich die Falschen beschuldigt, bilanzierte Verteidiger Benjamin Hirsch. Sie hätten aber ihre eigenen Zweifel überhört und seien einer Verwechslung erlegen. Sein Kollege Christian Schubert ging weiter: Es sei sehr kränkend, dass sich die Opfer in die Sache so hineingesteigert hätten, um ihre Geschichte wasserdicht zu bekommen. Anwalt Reitmaier bekannte, er habe einer Berufung zunächst wenig Chancen eingeräumt. "Aber das Blatt wendete sich, als wir sahen, dass wir nach Strich und Faden angelogen wurden." 

Die Vorsitzende Richterin: "Wir glauben, dass die Angeklagten nicht die Täter sind"

Richterin Susanne Krischker betonte in ihrem Urteil ausdrücklich ihre Überzeugung: Der Freispruch sei nicht deshalb angebracht, weil die Beweise nicht gereicht hätten: "Wir glauben, dass es zu einer Verwechslung kam und die Angeklagten nicht die Täter sind."

Ob die Nebenklägerin aus der Ferne gegen das Urteil Rechtsmittel einlegt, ist ungewiss.  Aber "dem können Sie mit Ruhe entgegen sehen", sagte die Vorsitzende zu den Freigesprochenen.

In einem emotionalen letzten Wort dankten beide Angeklagten für einen fairen Prozess. Der eine, der bei einer Verurteilung um seine Zulassung als angehender Arzt hätte fürchten müssen, betonte nach der dreieinhalbjährigen Unsicherheit: "Ich bin unglaublich froh, dass ich jetzt mein Leben wiederhabe." 

 
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    Soviel sind Zeugenaussagen wert. Erst Recht, oder auch dann, wenn sie von Polizisten kommen.
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  • A. M.
    Das ist bei der Polizei sicher kein Einzelfall.
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  • J. F.
    Auf ein entdecktes Vergehen kommt regelmäßig eine Mehrzahl an Vergehen, die unentdeckt geblieben sind. --- Das gesamte dienstliche Gebahren dieser Polizisten gehört deshalb durchleuchtet.
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  • J. F.
    "Wie die Daten der Verdächtigen illegal von Polizist an Polizist weitergereicht wurden, ist inzwischen Gegenstand eigener Ermittlungen." --- Derartige Manipulationen der Rechtspflege disqualifiziert die beteiligten Polizisten. - Die anvertraute Staatsgewalt so grob zu missbrauchen, offenbart schwerwiegende Defizite. - Bitte aus dem Polizeidienst entfernen, bevor ein solcher Machtmissbrauch und ein vollendeter Justizirrtum das Leben von Bürgern zerstört.
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  • E. W.
    Sowas gibt es nicht nur bei der Polizei. Halbseidene Netzwerke und Mauscheleien sind ein gesamtgesellschaftliches Problem.

    Wer heut noch mit Begriffen wie "Ehrlichkeit", "Anstand" oder gar "Ehre" daherkommt, wird von der Masse doch nur ausgelacht und als weltfremd nicht für voll genommen.
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  • N. S.
    Ich stelle mir die Frage, wie es nun dienstrechtlich für den »Geschädigten« weitergehen soll. Ein Vertreter der Exekutive, der Daten manipuliert hat, sollte nicht im Staatsdienst bleiben.
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  • J. F.
    @alnotalk: Die gleiche Frage stellt sich bezüglich des "Informanten", der die Daten illegal an den "Kollegen" weitergegeben hat. Derartiger "Corpsgeist" ist die Wurzel für mancherlei Übel.
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  • M. S.
    Dieser Fall zeigt wie schnell man in Deutschland im Knast landen kann wenn es dumm läuft!
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  • S. I.
    Genau, dass zeigt eben, dass der Rechtsstaat funktioniert!
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  • G. K.
    @SIK

    Diesmal, leider nicht immer...
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  • H. A.
    Mag sein das der geschädigte zu nicht ganz astreinen Mitteln gegriffen hat, aber was ist mit den Handyauswertungen der Angeklagten, spielen die keine Rolle? Ein glatter Freispruch der mehr Fragen aufwirft denn der geschädigte hatte ja schon am Flughafen die beiden als Täter identifiziert. Was danach kam ist einfach eine schlampige Ermittlungsarbeit die so nicht hätte sein dürfen.
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  • P. K.
    Na dann, viel Glück, sollten Sie mal „identifiziert „ werden und das Gegenüber zu „nicht ganz astreinen“ Mitteln greift
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  • P. K.
    *greifen
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  • A. W.
    Laut Artikel wurden die Handys der Tatverdächtigen doch ausgewertet.
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  • M. S.
    Ich wurde auch schon mal von 2 Polizisten "identifiziert" als ich bei Rot über die Ampel gefahren bin. In einer Gerichtsverhandlung wurde dann geklärt, dass meine Frau die Fahrerin war und ich krank daheim im Bett gelegen hatte.
    Das Sonderbare daran war, dass zur Gerichtsverhandlung nur noch 1 Polizist als Zeuge angeführt war und bei der Gerichtsverhandlung war dann kein Polizist mehr als Zeuge da.
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  • H. A.
    Sonderbar ist das es überhaupt erst zu einer Verhandlung kommen muss oder wollte Ihr Anwalt einen Freispruch für ihre Frau? Wer bei Rot über die Ampel fährt weis das nämlich genau.
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  • M. R.
    Jup, der Fall war tatsächlich sehr seltsam.
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