
Inzidenzen, Todeszahlen und drohendes Firmensterben: Als Handwerksbetriebe im Corona-Jahr 2021 um ihre Existenz bangten, machte die Staatskasse ihr Säckel weit auf. Das nutzte eine unterfränkische Malerfirma und ergaunerte mit gefälschten Unterlagen Zahlungen in Höhe von 1,25 Millionen Euro.
Mit nicht weniger als drei Jahren Haft hätten die Männer rechnen müssen, sagte Boris Raufeisen, Vorsitzender Richter am Landgericht Würzburg. Dennoch kamen die Männer mit einem Deal davon: Bewährungsstrafen im Gegenzug für Geständnisse wurden den mehrheitlich einschlägig vorbestraften Männern angeboten – Konditionen, die selbst die Verteidiger erstaunte. "Sie haben das drei Pflöcken zu verdanken", sagte der Vorsitzende. Aber von vorn.
Subventionsbetrug, Urkundenfälschung und Bankrott beziehungsweise Beihilfe warf die Staatsanwaltschaft den fünf Angeklagten am vergangenen Dienstag vor. Im Fokus der Anklage standen ein Vater (57) und sein Sohn (27) mit ihrem Familienbetrieb aus dem Landkreis Miltenberg sowie deren drei Komplizen.
Landgericht Würzburg: Was es mit Boten, Übersetzer und Strohmann auf sich hat
Auf eigene Faust konnten die unterfränkischen Handwerker die professionell gefälschten Jahresbilanzen und Mitarbeiterdokumente, die für den staatlichen Kredit notwendig waren, nicht erstellt haben, sagte ein als Zeuge geladener Wirtschaftskriminologe.
Zwar seien Vater und Sohn laut Ermittlungen "die besten Maler in der Umgebung" gewesen. Für derartige Fälschungen hätte es jedoch Insiderwissen aus dem Bankensektor gebraucht. Um den ergaunerten Kredit beiseite zu schaffen, seien zudem weitere Akteure notwendig gewesen. Hier kommen die restlichen Angeklagten ins Spiel: ein Bote, ein "Übersetzer" und ein "Strohmann".
Der Bote, ein 58-jähriger türkischer Staatsbürger, hatte die Handwerker im Rahmen von Baustellengeschäften mit den restlichen Angeklagten vernetzt. Der "Übersetzer", ein 56-jähriger Import-Export-Händler mit belgischer Staatsbürgerschaft übernahm die Koordination und führte den "Strohmann" ein. Bei ihm handelt es sich um einen laut Ermittlungen kognitiv eingeschränkten 56-jährigen belgischen Arbeiter mit Geldsorgen. Der kaufte das Unternehmen der Handwerker für einen Spottpreis, nachdem diese den Kredit entnommen hatten, um es im Anschluss aufzulösen.
Handerker aus Region Miltenberg müssen mit Haus und Grundstück haften
Über fragwürdige Banktransaktionen waren die Ermittler den Handwerkern und schließlich deren Komplizen auf die Spur gekommen. Dank eines internationalen Haftbefehls landeten alle in fünfmonatiger Untersuchungshaft. Im Verfahren ging es nun darum, aufzuklären, wer welche Verantwortung zu tragen hat. Der Sohn hatte als vorgeschobener Geschäftsführer die gefälschten Dokumente unterzeichnet. In Wahrheit hatte jedoch der Vater alle Entscheidungen getroffen, wie sich in der Verhandlung zeigte.
Er hatte auch den Anteil der Familie in Höhe von 500.000 Euro zuvor auf ein Konto in der Türkei geschafft. Die restlichen 625.000 Euro waren offenbar unwiederbringlich bei nicht auffindbaren mutmaßlichen Hintermännern gelandet. Um seinen Sohn vor einer langjährigen Haftstrafe zu bewahren, gab der Vater den Anteil der Familie schließlich zurück. Außerdem haftet die Familie für den Restbetrag mit ihrem Wohnhaus und dem Grundstück im Raum Miltenberg.
Der finanzielle Schaden wurde also wieder gutgemacht, das war einer der von Richter Raufeisen angesprochenen "Pflöcke". Die einschneidende Erfahrung der fünfmonatigen Untersuchungshaft wertete er als weiteren Pflock. Und auch die umfassenden Geständnisse der Angeklagten rechnete das Gericht ihnen an. Wirtschaftskriminalität sei außerdem sehr komplex und die Verteidigung hätte die Verhandlung stark in die Länge ziehen können, merkte einer der Verteidiger an. Das sah auch die Staatsanwaltschaft so, die sich von Anfang offen für eine Verständigung gezeigt hatte.
Staatsanwaltschaft Würzburg: Sehen Sie das als Geschenk des Himmels an!
Der Sohn (nicht vorbestraft) kam als Geschäftsführer schließlich mit zwei Jahren auf Bewährung davon. Der Vater (vorbestraft) erhielt ebenfalls zwei Jahre auf Bewährung und muss 5000 Euro Strafe zahlen. Der vorbestrafte Bote erhielt eine Freiheitstrafe von zwei Jahren, der ebenfalls vorbestrafte "Übersetzer" eine Freiheitstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und der nicht einschlägig vorbestrafte "Strohmann" eine Freiheitstrafe von einem Jahr und einem Monat.
"Sie sollten diese Verständigung als ein Geschenk des Himmels ansehen", sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer am Ende des Verfahrens. Dem pflichtete einer der Verteidiger im Gespräch mit der Redaktion dann auch bei. Und auch die Angeklagten, die während der Verhandlung mit scheinbar gequälter Mine dagessen waren, verließen schließlich mit erleichterten Gesichtern das Gericht. Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich.
Personen, in deren "Fällen" Mutmaßungen im Raum standen und keine Gesetzesverstöße vorlagen, wurden durch diese Zeitung mit Bild und Personalien angeprangert.
Auch über der Geschäftsführer eines regionalen Freizeitparks wurde hier in der MP mit Namensnennung berichtet.
Deshalb meine Anfrage, werte Redakteure, berichten Sie hier n a m en l o s ?
das öffentliche Interesse ist stets mit dem Persönlichkeitsrecht abzuwägen. Diese Abwägung kann im einen Fall so und im anderen Fall anders verlaufen. Der Betreiber eines Freizeitparks, den regelmäßig Tausende besuchen und dort auf Sicherheit und Seriösität vertrauen, hat in der öffentlichen Sphäre eine andere Rolle als eine Firma, die Maler- und Verputzerarbeiten ausführt.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer
Und wenn die Staatsanwaltschaften nicht mehr in der Lage sind, komplexe Wirtschaftsstrafverfahren zu führen, dann sollte die bayerische Staatsregierung das mitteilen.
Was hier abläuft ist skandalös und eine weitere Bankrotterklärung dieses Justizsystems, da gebe ich Ihnen völlig recht.
Ich sehe hier mehr das "Bauernopfer" der kleinen Betriebe, während sich die Großindustrie, auch die der Region, mit äußerst zweifelhaften Methoden (z.B. Durcharbeiten an den Weihnachtstagen 2022, aber Freistellung bzw. Kurzarbeit nach den Feiertagen) in den nicht zurückzuzahlenden??? Besitz staatlicher Gelder gebracht hat.
Hier bei einem "fast Freispruch" keine Namen zu nennen finde ich gut - sehr gut sogar.
Die "Ächtung" in Dorfgemeinschaften funktioniert nur, wenn der Betreffende "zugereist" war, kein Mitglied beim Fußballverein, der Feuerwehr oder dem Gemeinderat/Kirchengemeinderat ist und auch kein Kumpel von Bürchermester oder Großbauern aus dem Dorf.
--Man beachte...alle kleinen Täter..."Bote, Übersetzer, Strohmann" kriegen Knast ohne Bewährung und die Haupttäter Bewährung!-- 5000 EUR Strafe, bei 1,25 Mio! Wahnsinn-Liebe Leut - setzt euch mal ins Amtsgericht nach Würzburg - und ihr könnt sehen, was bei den kleinen Fischen gemacht wird. Wahnsinn! - liebe Richter am Amtsgericht Würzburg- schaut euch mal in Eueren Nebensälen um, was die Kollegen so richten! Schade - und da heißt es immer mit unserer Wirtschaft gehts bergab - mit der Justiz wohl anscheinend auch.
Läge den Angeklagten statt Subventionsbetrug, Urkundenfälschung etc. eine simple Steuerhinterziehung in dieser Höhe zur Last, wäre eine "Bewährung" laut BGH und BFH ausgeschlossen....!
Untersuchungshaft ist also nach Ansicht Würzburger Richter ein erheblicher Strafmilderungsgrund und Anlass, selbst einen mit hoher krimineller Energie begangenen logistisch ausgefeilten Betrug in Millionenhöhe mit Bewährungsstrafe zu "belohnen".
Nur um das nochmals klar zu benennen: Untersuchugshaft ist also eine "einschneidende Erfahrung"....?
Zu Ihrer Frage: ja, aber:
viele Menschen werden in "Untersuchungshaft" genommen ohne dass jemals eine Verurteilung zu einer Haftstrafe folgt. Es kommt immer wieder auch zu Freisprüchen nach (langer) "Untersuchungshaft", das Opfer bekommt in der Regel 75 Euro/pro Tag (zum Vergleich: Streikgeld GDL 100 Euro/Tag), bis vor kurzem waren es noch 25 Euro.
...."Das nutzte eine unterfränkische Malerfirma und ergaunerte mit gefälschten Unterlagen Zahlungen in Höhe von 1,25 Millionen Euro."...
"Ergaunert"....? Wenn jemand beim Discounter eine Semmel klaut, nennt man das Diebstahl!