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Würzburg
Social Media: Wie instagrammable ist Unterfranken?
Erst Hotspot bei Instagram, dann von Touristen überrannt. Immer wieder leiden Orte unter dem Ruhm im Netz – andere profitieren genau davon. Wie sieht es in der Region aus?
Instagram-Fotos können Orte berühmt machen und zahlreiche Touristen anlocken. Im Corona-Jahr spüren das auch ländliche Regionen wie Unterfranken.
Foto: Symbolbild: Patty Varasano | Instagram-Fotos können Orte berühmt machen und zahlreiche Touristen anlocken. Im Corona-Jahr spüren das auch ländliche Regionen wie Unterfranken.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:38 Uhr

Es sind diese Bilder mit dem blitzblauen Himmel. Ab und an auch mit spektakulären Wolkenformationen. Die Fotos, auf denen sich schroffe Felsen gestochen scharf im Bergsee spiegeln. Oder auf denen ein Wasserfall gischtspritzend in türkisfarbenes Wasser taucht. Aufnahmen etwa vom Pragser Wildsee in den Dolomiten oder dem Königsbach-Wasserfall im Nationalpark Berchtesgaden, bei denen dem Betrachter eines sofort klar ist: Genau da will ich auch hin!

In sozialen Netzwerken wie Instagram ergattern solche Bilder schnell Tausende Likes, besonders wenn sie von "Influencern", Meinungsmachern quasi, verbreitet werden. Sie machen Gegenden berühmt und sorgen oft für einen Ansturm von Urlaubern. Einerseits ist das willkommene Werbung für Touristiker. Andererseits leiden immer mehr Orte unter dem Rummel, unter Folgen wie Müllbergen, Staus, genervten Anwohnern. Und im Corona-Jahr spüren das auch ländliche Regionen wie Unterfranken.

Denn Instagram "wird definitiv lokaler", sagt der Würzburger Fotograf und Instagrammer Boris Albert. Er ist auf der Bilderplattform unter dem Namen "borisa82" bekannt, mehr als 11.100 Menschen folgen ihm dort. Was aber macht ein Foto instagrammable, also potenziell erfolgreich in dem sozialen Netzwerk?

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"Die abgebildeten Orte sollten eine gewisse Einzigartigkeit haben", sagt Albert. Zudem gelte die Faustformel: "Hübscher und bekannter Ort plus hübsche und bekannte Person – das läuft meist am besten". Solchen Fotos werde "nachgeeifert" – manchmal von unzähligen Menschen.

Beispiel Trettstein-Wasserfall. Eigentlich eher ein Geheimtipp für einheimische Ausflügler. Im Wald bei Gräfendorf (Lkr. Main-Spessart) springt der Fall über die Steine. Klares Wasser, umrahmt von Farnen und Moosen. Die sprichwörtliche Idylle. An Pfingsten aber wurde die plötzlich überrannt. Pro Tag kamen, angelockt auch durch Instagram, mehr als 2000 Besucher. Aus ganz Deutschland.

Zugeparkte Straßen und Müll auf den Wegen sorgten für Ärger

"Um Pfingsten hatten wir einen hohen Zulauf zum Naturdankmal Trettstein", bestätigt Gräfendorfs Bürgermeister Johannes Wagenpfahl. Die ausgewiesenen Parkplätze reichten nicht aus, Straßen wurden zugeparkt. Für Wagenpfahl liegt das vor allem daran, "dass Covid-19-bedingt die Bürger im Nahbereich ein Ausflugsziel suchten". Mittlerweile hätten sich die Besucherzahlen wieder reduziert, noch immer ziehe der Trettstein aber Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet an. Ein Grund: das Internet. "Gehypt" werde der Wasserfall zwar nirgends, so Wagenpfahl. Eine Auswertung des Naturparks Spessart habe jedoch gezeigt, dass der Trettstein in allen Medien zu finden und besonders bei Naturfotografen beliebt ist.

An Pfingsten kamen  mehr als 2000 Besucher pro Tag zum Trettstein bei Gräfendorf (Lkr. Main-Spessart) – angelockt auch durch Instagram.
Foto: Gemeinde Gräfendorf | An Pfingsten kamen  mehr als 2000 Besucher pro Tag zum Trettstein bei Gräfendorf (Lkr. Main-Spessart) – angelockt auch durch Instagram.

Das gefällt nicht jedem. Der Trettstein sei auf einen solchen Ansturm nicht vorbereitet, kritisiert Stephan Schulze, Geschäftsführer des nahen Baumhaushotels Seemühle, über dessen Grund ein Teil der Wege zum Wasserfall führt. Besonders an Wochenenden sei das Naturdenkmal "total überlaufen". Für die Besucher, die auf der Jagd nach dem perfekten Schnappschuss ihren Müll auf seinen Wegen hinterlassen und die Wiesen platt trampeln, hat er wenig Verständnis. "Wir fürchten inzwischen, dass die Belästigung weiter zunimmt."Schulze warnt zudem vor der Absturzgefahr an den steilen Hängen rund um das Naturdenkmal und fordert von der Gemeinde eine wirksame Lösung der Probleme.

"Instagram wird definitiv lokaler."
Boris Albert, Würzburger Fotograf und Instagrammer

Die zwiespältigen Erfahrungen in Main-Spessart sind kein Einzelfall. Im Voralpenland etwa protestieren Anwohner seit Wochen gegen den Ansturm. Egal ob im Zugspitz-Dorf Grainau oder rund um den Königssee, bei schönem Wetter tummeln sich hier im Pandemie-Sommer Menschenmassen. "Overtourism", Übertourismus, nennt sich das Phänomen, das häufig durch soziale Netzwerke befeuert wird. Denn perfekt inszenierte Bilder auf Instagram, Facebook und Co. wirken heute effektiver als jede konventionelle Werbekampagne.

Die Tourismusbranche nutzt das. Reiseportale küren regelmäßig die beliebtesten Instagram-Städte, Strände und Foto-Spots. In Unterfranken dominieren auf den Hitlisten bekannte Sehenswürdigkeiten. Die Festung Marienberg etwa, das Kloster Kreuzberg, der Kurpark in Bad Kissingen oder die Mainbrücke in Kitzingen. Aber auch von den Fachwerkhäusern in Miltenberg oder Ochsenfurt gibt es auf der Fotoplattform zahlreiche Beiträge. Miltenberg wurde sogar zweimal mit dem Instagram-Star-Award der Onlineseite "Travelcircus" ausgezeichnet. Mehr als 52.500 Beiträge zählt der Hashtag #miltenberg, der Account der Stadt hat rund 3700 Abonnenten, wie die Tourismusgemeinschaft mitteilt.

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Immerhin knapp 10.000 Beiträge zählt der Hashtag #residenzwürzburg. Bei der Bayerischen Schlösserverwaltung sieht man Instagram daher als Vorteil. Genutzt werde das Portal vor allem, um in Kontakt mit jüngeren Besuchern zu kommen und zu informieren, so eine Sprecherin.

Auch auf dem Kreuzberg steht man Instagram und anderen Netzwerken positiv gegenüber. "Wir merken, dass die Follower-Zahlen steigen", sagt Christina Scheuring von den Franziskaner Klosterbetrieben. Beliebte Motive seien natürlich die drei Kreuze oder Selfies mit Bierkrug, Brezel und Haxen. Überrannt von den Foto-Touristen werde man bisher aber nicht.

Baumwipfelpfad bei Ebrach als klickbringende Kulisse

Ähnliches berichtet Barbara Ernwein, Leiterin des Baumwipfelpfades Steigerwald. Das hölzerne Bauwerk, das sich spiralförmig in den Himmel schraubt, ist für Reiseblogger und Fotografen klickbringende Kulisse. Instagram werde deshalb zunehmend interessanter, sagt Ernwein. Die Zahl der Follower steige, immer mehr Besucher posten Bilder von sich hoch über den Baumkronen. Allerdings gebe es auch vermehrt illegale Drohnenflüge über dem Naturschutzgebiet.

Dem Würzburger Fotografen Boris Albert sind solche Nachteile bewusst. Dennoch sieht er im Instagram-Ruhm eine Chance: Gemeinden und Regionen würden oft viel Geld für Marketing ausgegeben – durch Instagram bekämen sie das quasi kostenlos. "Ich denke Social Media wird hier oft negativ gesehen, obwohl es unglaublich viele Möglichkeiten bietet", sagt Albert. Wichtig sei, für Hotspots Konzepte zu erarbeiten, die den Strom der Besucher lenken. "Ich persönlich habe wundervolle Orte in Franken, Deutschland und der Welt über Instagram entdeckt, die ich sonst nie gesehen hätte."

"Man trifft vermehrt dort Leute an, wo vorher kaum jemand unterwegs war."
Anna-Lena Bieneck, Biosphärenreservat Rhön

Und wie sieht es in der Rhön aus? Auf den Wanderwegen ist der Trend zum Sommerurlaub in Deutschland deutlich erkennbar. "Der Druck in der Fläche nimmt zu", so Anna-Lena Bieneck vom Biosphärenreservat. "Man trifft vermehrt dort Leute an, wo vorher kaum jemand unterwegs war." Auch jüngere Wanderer.

So zählt der Hashtag #rhön mehr als 123.000 Beiträge, Bilder von Hütten im Sonnenaufgang, verliebte Jugendliche beim Gipfelkuss, knorrige Bäume unterm Sternenhimmel. Dabei lägen die Zahlen von Übernachtungsgästen noch hinter denen des Vorjahres, sagt Jennifer Rother, Geschäftsführerin der Rhön GmbH. Das Interesse in der einheimischen Bevölkerung aber steige, viele Rhöner hätten sich für Urlaub zuhause entschieden. Auch der Instagram-Account der Gesellschaft für Tourismus werde verstärkt genutzt. Mehr und jüngere Besucher würden aber nicht zwangsläufig zu mehr Regelverstößen führen, so Rother.

In der Rhön sind in diesem Corona-Sommer mehr Wanderer als sonst unterwegs.
Foto: Jürgen Hüfner | In der Rhön sind in diesem Corona-Sommer mehr Wanderer als sonst unterwegs.

Vom Biosphärenreservat heißt es hingegen, an Park-, Rastplätzen und in den Schutzgebieten sei in den vergangenen Wochen deutlich mehr Müll wie Flaschen und Bierdosen liegen geblieben. "Eine Folge davon, dass es momentan verstärkt auch junge Leute in die Rhön zieht, die sich zum Beispiel zum Picknicken treffen", so Bieneck. Anders als die Rhön GmbH betreibt das Biosphärenreservat noch keinen Instagram-Account.

Die meisten Landkreise und Gemeinden Unterfrankens aber sind mittlerweile auf der Foto-Plattform vertreten – und dort unterschiedlich aktiv. Ganz neu dabei ist seit Februar Bad Kissingen. Um ein jüngeres Publikum zu erreichen und die Kurstadt attraktiv zu machen, so die Bayerische Staatsbad Bad Kissingen GmbH. Wie erfolgreich der Account werde? Noch nicht abzusehen.

Was passiert, wenn künftig noch mehr Touristen nach Bayern kommen?

Andernorts in Bayern will man die Instagram-Touristen am liebsten wieder loswerden. Im Nationalpark Berchtesgaden etwa tummeln sich schlicht zu viele Foto-Urlauber in den natürlichen Pools des Königsbach-Wasserfalls – auf den Spuren von "Influencern", die Bilder vom Baden hoch über dem Königssee gepostet haben. Da der Zustieg aber gefährlich ist und sich Unfälle häufen, planen Behörden eine Sperrung.

Denn vielleicht kommen im nächsten Jahr noch mehr Touristen nach Bayern. Vielleicht schränkt die Corona-Pandemie Fernreisen auch 2021 massiv ein. Und vielleicht finden sich dann in den Instagram-Timelines noch mehr Urlaubsbilder aus den Alpen, der Rhön, dem Würzburger Residenzgarten oder vom Trettstein-Wasserfall.

Instagram bei der Main-Post

Neben professionellen Fotos, die bei der journalistischen Recherche in Mainfranken entstehen, zeigt die Main-Post auf ihrem Instagram-Kanal viele Bilder von Hobby-Fotografen aus der Region. Dabei kann sich jeder beteiligen: Dazu einfach das Instagram-Profil @mainpost.de in einem selbst geschossenem und bemerkenswertem Bild aus der Region markieren.
Die Redaktion wählt die besten Einsendungen aus und veröffentlicht sie unter Angabe des Urhebers im Main-Post-Account. Auch wer auf seinem Profil selbst nur wenige Abonnenten hat, kann so sehr viele Menschen erreichen und Aufmerksamkeit für seine Bilder schaffen.
Quelle: lw
 
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  • H. A.
    Den Hype kann verstehen wer mag, ich jedenfalls nicht denn nur weil ich ein Bild sehe das mir gefällt, fahre ich noch lange nicht dorthin. Aber hieran sieht man das viele einfach nur einfallslos sind und andere kopieren um schnell die Klickzahlen zu erhöhen um vermeintlich berühmt zu werden und sich einbilden dann nichts mehr arbeiten zu müssen. Da kann man nur sagen, im Internet ein Star, aber in der realen Welt unbedeutend und verloren gegangen. Würde man denen das Internet abschalten, würden die Morgen nicht mehr zurecht kommen. Traurig aber wahr.
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