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Würzburg/Schweinfurt
Samstagsbrief: Liebes Neujahrsbaby, lass Dich nicht vom Pessimismus anstecken, nimm Dein Leben in die Hand!
Toll ist das nicht, was wir nachkommenden Generationen vor die Füße kippen, meint unser Autor. Umso dringender sollten wir uns unserer Stärken bewusst werden.
Wie dieses Land 2040 wohl aussehen wird, wenn der erste Mensch, der im Jahr 2023 zur Welt kommt, 17 Jahre alt wird?
Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)  | Wie dieses Land 2040 wohl aussehen wird, wenn der erste Mensch, der im Jahr 2023 zur Welt kommt, 17 Jahre alt wird?
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:24 Uhr

Liebes Neujahrsbaby,

Du bist der erste Mensch, der im Jahr 2023 geboren werden wird. Wenn sich Deine Eltern an die Namenstrends des abgelaufenen Jahres halten, wirst Du Emilia oder Noah, Mia oder Ben, Sophia oder Fynn heißen.

Aber haken wir dieses 2022 lieber möglichst schnell ab. Es war für sehr viele Menschen kein gutes Jahr. Es herrscht wieder Krieg in Europa, täglich sterben in der Ukraine Menschen, weil ein russischer Diktator es so will. Wenn Du alt genug bist, diese Zeilen zu lesen, ist dieser Krieg hoffentlich seit langem vorbei, die Ukraine längst frei - und die Kriegsverbrecher sind bestraft.

So richtig kann ich mir das allerdings im Moment nicht vorstellen. Hier und heute empfinden die Menschen große Ungewissheit. Laut einer Umfrage blicken zwei Drittel der Deutschen mit großen Sorgen Deinem Geburtsjahr 2023 entgegen, liebes Neujahrsbaby. Grund zur Sorge gibt es reichlich: Die Preise explodieren, ständig gibt es neue Warnungen, wer oder was alles knapp werden könnte oder schon ist – Fachkräfte, besonders in der Pflege, Energie, Lebensmittel, Medikamente, Halbleiterchips, Intensivbetten, ja, auch Geburtsstationen.

Wir huldigen "Datenschutz" und "Stellplatzablöse" – und blockieren uns mit absurden bürokratischen Hürden selbst

Ich hoffe sehr, dass Deine Mutter keinen allzu langen und beschwerlichen Weg in den Kreißsaal vor sich hat. Dir nämlich kann das durchaus blühen, solltest Du einmal selbst Kinder bekommen. Denn immer mehr Kliniken schließen ihre Geburtsstationen – in einem durchökonomisierten Gesundheitssystem lohnen sich Geburten einfach nicht.

Und sonst? Wir haben das Klima des Planeten schon jetzt beinahe irreparabel ruiniert. In Deutschland bringen wir noch nicht mal mit grüner Regierungsbeteiligung ein Tempolimit zustande. Zudem haben wir die Bahn kaputtgespart und die Bundeswehr, Digitalisierung und Wohnungsbau schleppen sich dahin, der öffentliche Nahverkehr in der Fläche ist ein Witz.

Dunkle Wolken am Stimmungshorizont: Laut einer Umfrage blicken zwei Drittel der Deutschen mit großen Sorgen in die Zukunft.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Dunkle Wolken am Stimmungshorizont: Laut einer Umfrage blicken zwei Drittel der Deutschen mit großen Sorgen in die Zukunft.

Dafür huldigen wir "Datenschutz" und "Stellplatzablöse" und blockieren uns mit absurden bürokratischen Hürden, von der bis ins kleinste Detail vorgeschrieben Aufschrift auf einem Glas Honig bis hin zur verbohrten Weigerung, ausländische Bildungsabschlüsse anzuerkennen. Das aber wäre nötig, um dringend benötigte qualifizierte Zuwanderung zu erleichtern. Währenddessen geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander.

Ja, so richtig toll ist das alles nicht, was wir Dir da vor die Füße kippen, liebes Neujahrsbaby. Ich bin ganz froh, dass es ein paar Jahre dauern wird, bis Du das alles begreifen wirst. Und vielleicht hat sich bis dahin ja tatsächlich etwas zum Positiven entwickelt. Wie also könnte die Welt, sagen wir, im Jahre 2040 aussehen, wenn Du 17 wirst?

Vielleicht darfst Du schon wählen? Und zum Ausgleich hat man Eurem Jahrgang gerade eröffnet, dass Ihr mit 80 abschlagsfrei in den Ruhestand gehen dürft, vorausgesetzt, Ihr habt 60 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt?

Vielleicht gibt es anno 2040 Wörter wie "Funkloch", "Legebatterie" oder "Verbrennungsmotor" nur noch im Geschichtsunterricht

Aber ich male schon wieder schwarz. Seien wir also optimistisch: Vielleicht kommen im Jahr 2040 Wörter wie "Funkloch", "Legebatterie" oder "Verbrennungsmotor" nur noch im Geschichtsunterricht vor. Vielleicht gibt es dann tatsächlich einen unterfränkischen Verkehrsverbund. Vielleicht werden in den Schulen wieder Kunst und Musik unterrichtet und nicht nur "nützliche Fächer". Vielleicht gibt es sogar genügend Lehrerinnen und Lehrer dafür.

Vielleicht ist die AfD nur noch eine böse Erinnerung an eine Zeit, in der beunruhigend viele Menschen ihrer Unsicherheit und ihrem Verdruss mit Hass und Hetze Luft machten. Vielleicht hast Du als Emilia, Mia oder Sophia die gleichen Chancen und bekommst das gleiche Gehalt wie Noah, Ben und Fynn. Und vielleicht kann Du auch einfach ein Emilio sein, auch wenn Du bei der Geburt als Emilia einsortiert wurdest.

Du musst das verstehen, liebes Neujahrsbaby. Das sind alles Themen, die uns hier und heute beschäftigen. Am Ende des dunklen Jahres 2022. Vielleicht habt Ihr im Jahr 2040 längst andere Themen. Das würde mich von Herzen freuen. Vielleicht erkennt Deine Generation ja, wie viele Möglichkeiten wir Menschen hätten, würden wir uns nur unserer Stärken besinnen. Wir haben in Deutschland eine wunderbare Verfassung und – anders als etwa die USA – stabile Verfassungsorgane. Wir haben eine lange Tradition humanistischer Werte und immer noch großen Wohlstand und gute Bildungsmöglichkeiten.

Also, liebes Neujahrsbaby, lass Dich nicht vom Pessimismus anstecken, sondern nimm Dein Leben und die Welt in die Hand. Wir Alten können dringend neue Ideen gebrauchen.

Mit aufmunternden Grüßen

Mathias Wiedemann, Redakteur

Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung. 
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Kommentare
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  • marianne@schloesi.de
    Eure Panikmache liebe Reporter und einiger Kommentatoren ist fast nicht mehr zu ertragen. Macht den jungen Leuten mehr Mut mit der Situation umzugehen. Wir haben doch alles im Überfluss .Unsere Anfänge waren viel schwerer und wir haben auch das positive daraus gemacht.
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  • klafie
    Werter Herr Liebemann, ein toller Samstagsbrief Denke sie haben hier viele Punkte angesprochen, die für jedes neue Baby das auf die Welt kommt ab dem 1.1.2023 aktuell sein.
    Was man jedem neugeborenen Kind wünschen könnte: "im Schosse seines Elternhauses" ein
    glückliches und unbeschwertes Leben führen zu können. Das Elternhaus ist ja die Wiege für die Zukunft, wie das Kind einmal später sein wird. Wenn dort alles richtig gemacht wird, kann man sicher sein, dass es seinen guten Weg geht. Wollen wir hoffen, dass die Zukunft auch nach 2023 für die jungen Leute von heute noch lebenswert ist. Ein frohes neues Jahr und viel Gesundheit!
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  • gowell70@yahoo.de
    Da bin ich ja echt neugierig auf die Antwort des Neujahrsbabys(m/w/d).
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  • Eos123456
    Auf jeden Fall wird das Neujahrsbaby sein Leben lang damit zu tun haben, die Schulden und Lasten abzutragen, die seine Eltern ihm aufgeladen haben.

    Die sind auch heute vielfach immer noch der Meinung: "Geld wächst auf den Bäumen - der Staat kann für alles aufkommen".

    Das könnte ein bitteres Erwachen geben.
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  • Albatros
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • stefan.behringer@web.de
    Liebes Baby, das in Deutschland geboren wird.
    So ganz schlecht hast du es nicht erwischt.
    Und ohne größere Gegenleistung stehen deinen Eltern monatlich 250 Euro Kindergeld zu. Zusammen mit Deinen 2 Geschwistern bekommt Ihr mehr Kindergeld als in den meisten Teilen der Welt ein Vollzeitarbeiter erarbeiten kann.
    Dein Krippenplatz steht dir schon jetzt zu, sonst können Deine Eltern die Stadt verklagen.
    Tendenziell wirst du mit Spielsachen und Liebe überschüttet, wie es Kinder bis vor wenigen Jahren nicht bekommen haben.
    Und du lebst in einem Rechtsstaat. Deine Politiker sind jetzt auch nicht unbedingt perfekt, aber sie sind solider als in anderen Ländern. Deine Eltern sollen Dir später mal erklären, wer Trump und Putin, Erdogan und Orban waren.
    Dann einen guten Start und denke an alle U-Untersuchungen und Impfungen, die Du gratis bekommst.
    Herzlichen Glückwunsch zur Geburt.
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  • j-hollenbach@t-online.de
    Richtig, so sieht’s aus!!
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  • al-holler@t-online.de
    Es freut mich seeeeehr, dass dieser post die mit großem Abstand meisten likes bekommen hat.
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  • gowell70@yahoo.de
    Das Neujahrserstgeborene in Somalia oder Madagaskar hat dann im Vergleich zum Deutschen Erstgeborenen wohl die A..... Karte gezogen!

    Selber Planet, ebenfalls ein Mensch, aber von frei und gleich an Rechten geboren kann man wirklich nicht reden!

    Und genau da kann man die Perversion des Denkens von uns ach so zivilisierten Menschen festmachen 🤔.

    Wir im christlichen Abendland kümmern uns dann doch lieber um die eigenen Nachkommen, und diese sollen doch weiterhin auf Kosten der Anderen gut behütet in die Wohlstandsblase hinein gerutschet werden , so will es das Denken der von Gott auserkorenen Rassen.

    Oder ist dieser Kommentar eimfach nur Unfug?
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  • al-holler@t-online.de
    Nein, SUPER!
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  • tommy33
    „ Wir im christlichen Abendland kümmern uns dann doch lieber um die eigenen Nachkommen“

    Nunja GWM, wir kümmern uns doch auch um die Nachkommen anderer Länder:

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/165836/umfrage/empfaengerlaender-deutscher-entwicklungshilfe/
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  • gowell70@yahoo.de
    Passt doch...eine Erde, eine Bevölkerung!
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  • jebusara@web.de
    Wie kommen Sie auf diese Namen? Die machen lediglich 34% aus. Das sind gerade ein Drittel. Wie heisst denn der grosse Rest?

    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/beliebteste-vornamen-2022-emilia-noah-101.html
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  • MedDeeg@web.de
    Vielleicht einfach mal aufhören, die eigene Gedankenblasen und Schubladen auf andere zu projizieren!

    Wie das geht, was dem Autor hier wohl vorschwebte, hat Thomas Fischer im Spiegel geliefert: „Schämen Sie sich? -

    Gern wird behauptet, die Weltlage lasse sich mit einem Höchstmaß an Emotion ertragen. Das ist falsch und überfordert uns.“…
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Sie haben recht, Emotionen werden total überbewertet.. Nächstes Jahr laufen wir alle gefühlskalt durch die Welt.
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  • Eos123456
    Allzu zart besaitet darf man nicht sein, wenn man die kommenden Zeiten halbwegs unbeschadet überstehen will.
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