Ob Handwerk, Pflege oder IT: Fast überall in Deutschland fehlt es an Fachkräften. Die Bundesregierung will nun den Zugang auf den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern und für Migrantinnen und Migranten Anreize setzen.
So soll den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zufolge eine Einbürgerung schon nach fünf statt bisher acht Jahren möglich sein – bei besonders guter Integration auch schon nach drei Jahren. Erleichtert werden sollen doppelte Staatsbürgerschaften. Während die Union die Pläne teils heftig kritisiert, kommt aus der Wirtschaft Unterstützung für eine solche Reform des Staatsbürgerschaftsrechts.
Frühere Einbürgerung: Unterstützung aus der Wirtschaft
"Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels ist das unbedingt zu begrüßen", sagte die Vorsitzende der "Wirtschaftsweisen" Monika Schnitzer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft befürwortet die Pläne. Der Abbau bürokratischer Hürden bei der Einbürgerung von Softwareingenieuren und Pflegekräften könne sich langfristig als wichtiger Standortvorteil für Deutschland erweisen, sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
An diesem Mittwoch will die Bundesregierung außerdem ein Eckpunktepapier zur "Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten" beschließen. Über ein Punktesystem sollen Menschen "mit gutem Potenzial" ins Land kommen können, auch wenn sie noch keinen Arbeitsplatz haben. "Wir werden auf Grundlage eines transparenten unbürokratischen Punktesystems eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche einführen", heißt es in dem Papier. Als Auswahlkriterien werden Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter genannt.
Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, betonte die Bedeutung von Zuwanderung für den Arbeitsmarkt. "Es gibt wegen des demografischen Wandels kein Szenario, wo wir ohne größere Einwanderung auskommen", sagte Nahles der Süddeutschen Zeitung. Es brauche im Saldo 400.000 zusätzliche Arbeits- und Fachkräfte im Jahr. Sie forderte unter anderem einen Abbau von Bürokratie. "Der Arbeitsmarkt ist so aufnahmefähig wie seit 30 Jahren nicht mehr, und die Leute wollen arbeiten, egal aus welchem Land sie kommen."
Und doch tun sich Geflüchtete in Deutschland oft schwer, einen Job oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Warum das so ist, hat die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Christina Felfe von der Universität Würzburg mit weiteren Autoren in einer Studie untersucht. Größte Hindernisse sind demnach mangelnde Deutschkenntnisse sowie ein unsicherer Aufenthaltsstatus. Beides hält Unternehmen davon ab, Migrantinnen und Migranten einzustellen.
Insofern befürwortet Felfe die Perspektive einer früheren Einbürgerung: "Die Staatsbürgerschaft ist die ultimative Sicherheit, die man hier jemandem geben kann", sagt die Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre und Spezialistin für Arbeitsmarktökonomik. Gleichwohl müssten die Betreffenden ihre Integration belegen, "dafür braucht es harte Kriterien".
Würzburger Wirtschaftsprofessorin: Ja zur Zuwanderung, aber mit klaren Kriterien
Deutschkenntnisse seien wesentlich überall dort, wo man mit Menschen arbeitet: "Sprache ist der Türöffner." Laut Studie wären viele Arbeitgeber sogar bereit, ein zusätzliches Lehrjahr zu finanzieren – wenn es berufsbegleitend für Sprachkurse genutzt wird. Die Politik, so Felfe, müsse hier gut abgestimmte Angebote schaffen. "Nicht unbedingt offene Deutschkurse für alle, sondern besser dezentral für Azubis in einem bestimmten Beruf."
Gleichzeitig verweist die Wissenschaftlerin auf Jobs, die auch ohne Deutschkenntnisse gut machbar sind – zum Beispiel im IT-Bereich. "Sprache", sagt Felfe, "darf nicht das allein entscheidende Kriterium sein." Die Ökonomin sieht die Pläne für ein Punktesystem zur Zuwanderung zwar positiv: "Das klappt in anderen Ländern wie Kanada oder Australien auch."
Allerdings hält Felfe das vorhandene Potenzial an Arbeitskräften in Deutschland – unabhängig vom Migrationshintergrund – noch nicht für hinreichend aktiviert. "Darüber müssen wir intensiv nachdenken." In der Vergangenheit, so die kritische Analyse der Arbeitsmarkt-Expertin, seien zu viele Menschen in das Sozialsystem eingewandert oder darin hängengeblieben. "Da ist etwas schiefgelaufen."
Und schließlich seien unter Migrantinnen und Migranten auch "Subkulturen" verbreitet, die eine gute Integration behindern – selbst wenn ihre Kinder in Deutschland geboren sind und den deutschen Pass haben. So würden Töchter in traditionell-konservativen Familien häufig in ihrer schulischen und beruflichen Entwicklung zurückgehalten. "Da ist noch viel zu tun", sagt Christina Felfe, "hier braucht es Bildung, soziale Integration und Gespräche zwischen Schule und Eltern."
Studie: Mindestens 260.000 Menschen müssten jährlich nach Deutschland zuwandern
Dass der deutsche Arbeitsmarkt eine starke Zuwanderung braucht, das bestätigt eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung aus dem Frühjahr 2019. Danach müssten mittel- und langfristig jedes Jahr mindestens 260.000 Menschen nach Deutschland kommen, um den Arbeitskräfteschwund angesichts einer alternden Gesellschaft auszugleichen. Weil sich die Lebensverhältnisse innerhalb der EU weiter annähern, spielt die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten eine zunehmend wichtigere Rolle.
Mit Informationen von dpa
Wer wirtschaftlich denken und rechnen kann, muss dafür Verständnis haben.
Steuer- und sozialabgabenpflichtige Tätigkeit wird sich da wohl in den wenigsten Fällen lohnen. Aber glücklicherweise gibt es ja immer noch Bürgergeld.
Es gibt aber auch eine Fachkräfte-Abwanderung in den vorgezogenen Ruhestand, weil immer mehr Menschen erkennen, dass es sich zu den heutigen Bedingungen und beim gegenwärtigen Steuer- und Sozialabgabensystem nicht lohnt bis zuletzt am Arbeitsplatz auszuharren.
Die rotgrüne Regierung unter Schröder/Fischer wollte den Deutschen schon vor vielen Jahren "die Flucht in die Rente" verbauen, aber das gelang nur bedingt. Es gibt immer noch genug Schlupflöcher für kreative Arbeitsplatz-"Flüchtlinge" die vorgesorgt haben.
Die Frage ist nur ob dieser Braindrain und dieser Schwund an fähigen Mitarbeitern vollständig durch die Einwanderung von Menschen, die oft keine Ausbildung, keine Sprachkenntnisse und bisweilen auch keine Lesekompetenz haben aufgefangen werden kann oder ob die Sozialsysteme zusätzlich belastet werden.
Diese Reserve kann Mann sicher nutzen.Dazu müssen die Arbeitsplätze aber altersgerecht gestaltet werden.
Das alleine reicht aber nicht aus. Wir brauchen ZUwanderung und da sind die Vorschläge der Ampel zu begrüssen.
Aber was wirklich lockt ist die Chance auf fitte und gesunde Jahre, die man statt am Arbeitsplatz mit Hobbies, Reisen und Chillen verbringen kann. Gottseidank ist die überkommene "Arbeitsmoral", die es als verpflichtend ansah, solange zu buckeln, bis man alt, krank, grau und kaputt war Schnee von gestern.
Dank Übergangs- und Sonderregelungen und der nützlichen Mithilfe meines Arbeitgebers konnte ich schon mit 58 den Hammer fallen lassen. Die Quality-Time, die mir dadurch geschenkt wurde ist nicht mit Gold aufzuwiegen und meiner Gesundheit hat das auch sehr gut getan.
Wenn ich mir Leute meines Jahrgangs anschaue, die bis zuletzt in der Heldenschlacht fürs Bruttosozialprodukt ausharrten, sehe ich schon einen gewaltigen Unterschied, was den physischen Allgemeinzustand und die seelische Ausgeglichenheit angeht.
Dass wir Zuwanderung brauchen, steht außer Frage. Nur müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit gut ausgebildete Leute, welche zu uns wollen, hier auch das entsprechende Umfeld finden. Hier tut sich Deutschland extrem schwer. So schwer, dass selbst manche Abschlüsse innerhalb der Bundesländer unterschiedlich bewertet werden.
Schlimmer noch: viele hochqualifizierte Deutsche verlassen das Land, gehen z.B. in die USA, weil sie dort viel bessere Arbeitsbedingungen vorfinden.
Wie bei allem, steht hier in erster Linie unser Bürokratieapparat im Weg. Dieser Apparat ist die eigentliche Bedrohung unseres Wohlstands, nicht die Regierung. Die kommt und geht wieder. Die Behörden und hohen Beamten aber bleiben die selben.
...den Nagel auf den Kopf!
("...Regierung. Die kommt und geht wieder. Die Behörden und hohen Beamten aber bleiben die selben.") 😒
Asyl ist zeitlich begrenzt, wenn kein Asylgrund vorliegt, dann gibt es kein Asyl. Wenn der Asylgrund wegfällt, dann gibt es auch keinen Grund mehr für Asyl.
Bei gewollter Migration müssen wir uns die Leute hierher holen, die wir brauchen, die sich selbst versorgen können, die sich an unsere Gesetze halten und sich integrieren wollen. Analog anderer Einwanderungsländer.
Was hindert Deutschland andererseits daran, denjenigen die bereits hier sind eine Arbeit oder eine Ausbildung anzubieten?
Viele davon können bereits Deutsch und haben einen Teil ihrer Schullaufbahn hier durchgemacht. Sie haben sich (in Vereinen) integriert und Freundschaften geschlossen.
Warum zum Teufel setzen unsere Ausländerbehörden solche Menschen, die Teil unserer Gesellschaft sein wollen, vor die Tür, auch wenn sie bereits Steuern und Sozialversicherung zahlen?
Und warum tut Deutschland nichts, um die Anzahl der positiven Beispiele zu erhöhen?
Warum werden sogar die Engagierten mit befristeten Aufenthaltsberechtigungen demotiviert, wenn doch bekannt ist, dass wir Arbeitskräfte in mehreren Hunderttausenden pro Jahr brauchen?
Wenn man wollte könnte man vermutlich die Statistik drehen, auf die Sie sich berufen. Aber bislang ist in unseren Ausländerbehörden der Fremde immer noch der Feind nicht die Chance für Deutschland. Dieses Vorurteil wird heftig gepflegt.
Wer über Asyl ins Land kommt, der muss bei nicht vorliegen eines Asylgrunds das Land verlassen. Deshalb brauchen wir ja die Trennung zwischen Asyl und gewollter Einwanderung und wir brauchen ein Einwanderungsgesetz.