
Lieber André Tworowski,
vor knapp zwei Wochen saßen wir gemeinsam bei Ihnen im Büro, und ich habe Sie auf die Schließungsgerüchte von Galeria Karstadt Kaufhof angesprochen. An Ihre Antwort kann ich mich noch genau erinnern: "Ich lasse mich von Spekulationen nicht verunsichern, sondern fokussiere mich auf das, was wir am Ende beeinflussen können – die Umsatzzahlen." Ihr Optimismus hat mich in diesem Moment wirklich beeindruckt. Er wirkte echt.
Auch deshalb hat mich die Nachricht über die offizielle Schließung von Galeria Karstadt Kaufhof in Würzburg am vergangenen Samstag getroffen. Nicht, weil ich eine so treue Galeria-Kundin wäre – im Gegenteil. Ich bin wohl selbst Teil des Problems, denn in den vergangenen zwei Jahren war ich nur drei Mal bei Ihnen einkaufen. Das Schicksal Ihrer Filiale bewegt dennoch - weil es so ungerecht ist.
Mietverhandlungen waren am Ende der Genickbruch für den Standort Würzburg
Sie haben mir bei unseren Interviews immer den Eindruck vermittelt, dass Sie hundertprozentig an den Erfolg des Standortes Würzburg glaubten: Ob vor einem Jahr, kurz nach der Rettung der Filiale. Oder in diesem April, als das Ende schon besiegelt schien.
Ihr Glaube an das Unternehmen konnte nichts erschüttern. Bis zuletzt gaben Sie sich davon überzeugt, dass die Umsatzzahlen entscheiden, welche Filiale erhalten bleibt.
Aber hier beginnt die Ungerechtigkeit, denn vor einer Woche hat sich herausgestellt, dass all Ihre Mühe umsonst war. Galeria Karstadt Kaufhof wird auch in Würzburg schließen. Nicht wegen schlechter Umsatzzahlen. Denn der Standort zählt zu den umsatzstärksten, sagen auch Verdi und Handelsverband. Nein, geschlossen wird Galeria Karstadt Kaufhof, weil die insolvente Signa-Holding, der das Galeria Gebäude in der Innenstadt gehört, nicht mit dem Mietpreis nach unten gehen wollte.
Nachdem Galeria Anfang April vom Investorenkonsortium NRDC Equity Partners und BB Kapital SA übernommen wurde, standen neue Mietverhandlungen mit dem Eigentümer der einzelnen Kaufhof-Gebäude an. Das Ziel war es, die Mieten zu senken. In Würzburg gab es offenbar kein Entgegenkommen der Signa-Holding.
Zahlt sich harte Arbeit am Ende also doch nicht aus?
Und das macht es so wahnsinnig ungerecht. Trotz all Ihrer Mühe und Energie waren Sie den Entscheidungen von Investoren und Konzernchefs ausgeliefert. Am Ende werden die Entscheidungen dort gefällt, wo das Geld ist. Wie viel bleibt da noch übrig vom gesellschaftlichen "Harte Arbeit zahlt sich am Ende aus"-Mantra? Wozu all das Durchhalten in den vergangenen zwei Insolvenzen, wenn am Ende davon nichts übrig bleibt?
Ich erinnere mich noch, als ich Sie im Juli 2023 für eine Reportage einen Tag durch Ihr Geschäft begleitet habe. Dort habe ich einen Filialleiter kennengelernt, der seine Kundschaft morgens noch selbst begrüßt und mit viel Tatendrang und Optimismus an seine Arbeit geht. Selbst wenn es nur um die Frage eines Kunden geht, wo die Mülleimer stehen. Für Sie war es selbstverständlich, eine Beratung kurzerhand selbst zu übernehmen. Der Kunde und die Kundin stehen an erster Stelle.
Doch Ihr Glaube galt nicht nur dem Konzept Warenhaus - sondern auch Ihrem Team. Noch im Sommer haben Sie sich dafür eingesetzt, dass Ihr Azubi nach der Ausbildung fest übernommen werden kann. Ein Zeichen dafür, dass Ihr Blick auf die Zukunft des Warenhauses gerichtet war – bis zuletzt.
Als Chef Verantwortung den Angestellten gegenüber - trotz der Schließung
Ich habe mich in den vergangenen Tagen oft gefragt, wie schwer es wohl für Sie gewesen sein muss, am Samstag vor Ihr Team zu treten und Ihnen die Entscheidung über die Schließung mitzuteilen. Wie schwer es gewesen sein muss, vor sich selbst und der Belegschaft einzugestehen, dass aller Glaube und alle Anstrengung am Ende umsonst waren.
Wie überbringt man so eine Botschaft an Kolleginnen und Kollegen, für die man als Chef verantwortlich ist?
Sicher saßen vor Ihnen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich nach der letzten Insolvenzwelle nicht wegbeworben hatten. Sondern Ihnen vertraut haben und sich von Ihrem Enthusiasmus haben mitreißen lassen. Wie bringt man denen bei, dass nun doch alles aus ist? Wie vermitteln Sie Ihrem Team, dass sich die harte Arbeit nicht ausgezahlt hat, wenn Sie die Nachricht selbst erst begreifen müssen?
Halten Sie weiter durch und verlieren Sie Ihren Optimismus nicht!
Lieber André Tworowski, ich möchte Ihnen meinen Respekt aussprechen. Sie haben Ihr Geschäft die vergangenen Jahre durch die Krise geführt. Manch einer mag Ihnen Naivität vorwerfen für Ihren Glauben an das Warenhaus. Aber Ihre Kennzahlen haben das Gegenteil bewiesen. Am Ende lag das Schicksal der Filiale außerhalb Ihres Einflusses.
Halten Sie weiter durch und verlieren Sie Ihren Optimismus nicht, Herr Tworowski. Bitte, glauben Sie auch weiter an die Dinge, die Ihnen wichtig sind. Und lassen Sie sich von den Ungerechtigkeiten dieser Welt nicht kleinkriegen.
Viele Grüße,
Gina Thiel, Redakteurin