Kurz vor neun Uhr erwacht Galeria Karstadt Kaufhof in der Würzburger Innenstadt zum Leben. Vor dem Gebäude warten bereits rund 20 Personen darauf, dass sich die großen Eingangstüren öffnen. Punkt neun Uhr ist es dann so weit: Ein Mitarbeiter kommt den Gang entlang gelaufen, schließt die großen Glastüren auf und die Wartenden laufen eilig in das Kaufhaus.
Einige, vor allem ältere Leute, versuchen schneller durch die Eingangstüren zu kommen, als andere. Ein Drängeln und Schubsen bleibt aber aus. Noch nicht ganz vergessen scheinen die Zeiten, in denen man an einem Prospekttag Sorge haben musste, dass jemand anderes einem den letzten Rabattartikel vor der Nase wegschnappt.
52 Filialen der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof sollen bis 2024 geschlossen werden, im Januar 2024 werden auch die Lichter in der Filiale in Schweinfurt ausgehen. Der Standort Würzburg bleibt erhalten. Was macht die Filiale so besonders?
Der Tag bei Galeria Kaufhof startet bereits in den frühen Morgenstunden
Im Inneren warten auf die Kundinnen und Kunden sechs Etagen voll mit Bekleidung, Elektro- und Haushaltsgeräten, Spielsachen, Lebensmittel und Dekorationsartikel. Immer mittendrin die Verkäuferinnen und Verkäufer. Sie begrüßen die Kundschaft und bieten ihnen ihre Hilfe an. Rund 50 bis 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an den verkaufsstarken Tagen im Einsatz. Einige davon sind für die Besucherinnen und Besucher beinahe unsichtbar. Sie arbeiten im Hintergrund des Kaufhauses, in den Lagerräumen, Personalbüro oder wie Heiko Kamperdicks in der Warenannahme.
Für ihn beginnt der Tag bei Galeria Kaufhof bereits um sieben Uhr morgens. Dann stehen die Lastwagen mit Kleidung, Süßigkeiten oder Gastronomieartikeln bereits Schlange vor dem großen Rolltor. Bis elf Uhr herrscht für Kamperdicks Hochbetrieb – zum Sprechen kommt er daher nicht. "Es ist wichtig, dass der Wareneingang schnell leergeräumt und alles verbucht wird, bevor schon die nächste Lieferung kommt", erklärt Filialgeschäftsführer Andre Tworowski. Denn: Die Stadt Würzburg erlaubt das Anliefern im Innenstadtbereich nach elf Uhr nicht mehr. Bis dahin müssen alle Kisten entladen sein. Kamperdicks Arbeitstag ist damit aber nicht vorbei. Bis 15.45 Uhr verräumt er die Waren ins Lager, wo sie später vom Verkaufsteam auf die Flächen verteilt werden.
Galeria Kaufhof ein Haus für die ältere Generation?
Dort warten die Kundinnen und Kunden, um sie zu begutachten, anzuprobieren und zu kaufen. Einige von ihnen kennt Andre Tworowski und grüßt sie freundlich bei seinen Streifzügen durch das Kaufhaus. Viele Stammkundinnen und Stammkunden gingen vor allem unter der Woche und mittwochs bei Galeria Karstadt Kaufhof einkaufen, erklärt der Filialgeschäftsführer. Dann ist bei dem Konzern Prospekttag und die Kundinnen und Kunden können die neuesten Angebote shoppen. An Wochenenden hingegen kämen viele Personen aus dem Umland in die Stadt. "Mittlerweile sind wir das einzige große Warenhaus im Umkreis von 100 Kilometern", erklärt Tworowski.
Ulla Linder und Uschi Kummer gehören zu denen, die regelmäßig im Kaufhaus vorbeischauen, wie sie selbst sagen. Für sie bietet Galeria Karstadt Kaufhof mit seinen sechs Etagen viele Vorteile: "Man bekommt hier alles: Schmuck, Haushaltswaren und sogar Bettsachen. Das macht Galeria ja aus", sagt Linder. Diesmal sucht sie Stricknadeln und wird im vierten Stock fündig. Auch ihre Begleitung Uschi Kummer kaufe regelmäßig in dem Warenhaus. Sie könne nicht verstehen, dass viele behaupten, dass die Kaufhäuser nicht mehr zeitgemäß seien.
"Einige der älteren Generation möchten nicht mehr so viel shoppen und sich umschauen, sondern die Sachen einfach finden", sagt sie. Für diese Menschen bräuchte es das Kaufhaus weiter, da sie unter dem Onlinehandel leiden. Ist Galeria Karstadt Kaufhof also ein Warenhaus für die ältere Generation? Das sieht Olga Berndt nicht so. Sie ist seit anderthalb Jahren Abteilungsleiterin bei Galeria Karstadt Kaufhof und verantwortlich für die Abteilungen Elektro, Home, Damen- und Herrenbekleidung.
Bei Galeria Karstadt Kaufhof wird die Kundschaft fachkundig beraten
"Die Leute sollten häufiger mal zu uns kommen und das Kaufhaus selbst entdecken", schlägt Berndt vor. Als Verantwortliche, unter anderem für die Herren- und Damenbekleidung, weiß sie: "Wir haben auch viele junge und coole Marken im Sortiment."
Mitten im Gespräch wird sie unterbrochen. Kundin Petra Karlein ist auf der Suche nach Turnschuhen und spricht Berndt an. Sie interessiert sich für die Sneaker, Größe 39 und Berndt empfiehlt ihr: "Probieren Sie mal die 39 1/3. Bei dieser Marke fallen die Schuhe immer etwas kleiner aus." Die 28 Jahre Erfahrung als Verkäuferin bei Galeria Karstadt Kaufhof zahlen sich aus. Karlein läuft Probe und freut sich: "Die passen und ich schlappe auch nicht heraus." Beflügelt vom Kauferfolg erkundigt sich Karlein direkt noch nach den passenden Sandalen für den Sommer und auch da hat Berndt einige Tipps parat.
Zwei Etagen weiter oben in der Sportabteilung hingegen herrscht Kauffrust. Laura Ullrich ist leidenschaftliche Tennisspielerin, doch die Bälle, derentwegen sie zu Galeria Karstadt Kaufhof gekommen ist, gibt es nicht. "Die Sportabteilung wurde in den vergangenen Jahren stark verkleinert. Das finde ich schon schade", erklärt sie. Sie komme ohnehin nicht oft in das Kaufhaus, doch auf die Tennisbälle habe sie gehofft, auch weil es in der Innenstadt ihrer Meinung nach sonst keine gute Alternative für Sportartikel gäbe.
Warenhaus muss sich auch optisch verändern, um zukunftsfähig zu sein
Filialgeschäftsführer Tworowski kennt die Thematik. Er sagt: "Wir sind heute sehr viel mehr auf die lokalen Bedürfnisse ausgerichtet." Durch das Internet wüssten die Kundinnen und Kunden heute viel genauer als vor 20 Jahren, was sie suchen. "Deshalb ist unser Sortiment auch kleiner", erklärt er.
Für Holger Haderlein, gelernter Dekorateur bei Galeria Karstadt Kaufhof, könnten es sogar noch weniger Produkte sein. "Wir sind aktuell sogar zu voll. Heute legt man Wert auf Übersichtlichkeit." Er arbeitet seit 1986 in der Filiale in Würzburg und weiß: Kaufhäuser müssen heute auch optisch überzeugen, um mit der Online-Konkurrenz mithalten zu können. Ein vollgestopftes Kaufhaus sei einfach nicht mehr zeitgemäß.
Zu seinen Aufgaben gehören das Dekorieren der Ausstellungspuppen, der Schaufenster, der Tischflächen, aber auch die Inneneinrichtung des Hauses insgesamt. Letzteres bereitet ihm besonders viel Spaß, auch weil sich sein Job über die Jahre stark verändert hat. Anders als früher, geben die Marken heute selbst vor, wie und in welcher Form ihre Produkte präsentiert werden sollen. Haderlein baut die zugeschickten Bilder an den Dekopuppen dann nur noch nach. Und trotzdem beschreibt er seine Arbeit als 'Visual Merchandiser', wie der Dekorateur sich heute nennt, als kreativen Job. "Es ist nur kleinteiliger geworden." Langweilig werde ihm bei seiner Arbeit nie. Bei sechs Etagen Gestaltungsfläche fände sich immer etwas zu tun.
Täglicher Besuch im Galeria Karstadt Kaufhof Restaurant – seit 23 Jahren
Optisch soll sich bei Galeria Karstadt Kaufhof in den kommenden Jahren einiges verändern. Nachdem das Unternehmen Ende Oktober 2022 zum zweiten Mal Insolvenz angemeldet hatte, mussten 52 der 129 Filialen schließen. Die übrigen Kaufhäuser sollen nun einer kompletten Sanierung unterzogen werden – darunter auch die seit 1951 bestehende Filiale in Würzburg. Bis 2026 sollen die einzelnen Standorte modernisiert und optisch aufgewertet werden. Mehr Fläche, mehr Licht, mehr Dekoration und Einrichtungsartikel.
Ob das beliebte Restaurant im obersten Stock, das für viele Würzburgerinnen und Würzburger fest zu Galeria Karstadt Kaufhof dazu gehört, bestehen bleibt, gilt abzuwarten. Gertrud Tast würde es sich in jedem Fall wünschen. Die Rentnerin arbeitete selbst 46 Jahre in dem Kaufhaus. "Angefangen habe ich damals als Azubine am Hähnchengrill im Untergeschoss", erinnert sie sich. Das ist lange her, die Grillstation längst Geschichte. Dennoch kommt Tast seit 23 Jahren fast jeden Tag ins Restaurant. "Das Essen schmeckt, ich kenne alle Mitarbeiter und fühle mich hier zu Hause."
Ähnlich beschreibt es auch Olga Berndt. Das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Galeria Karstadt Kaufhof Belegschaft sei stärker, als bei vielen anderen Einzelhandelsketten. Manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten schon seit über 20 Jahren in dem Kaufhaus. Sie kennen einander und können sich auf den anderen verlassen. "Ich arbeite hier, ich kaufe hier ein und ich kenne jede Ecke", sagt Berndt.
Für sie und alle Beschäftigten sei die Rettung des Kaufhofes eine enorme Erleichterung gewesen. Wenn auch das Mitgefühl mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Filialen wie Schweinfurt groß gewesen sei: "Die kennt man natürlich auch und das tut schon weh zu sehen, dass die gehen müssen", sagt Berndt. Über eins seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Galeria Karstadt Kaufhof jedoch besonders gerührt gewesen: In schweren Zeiten konnten sie auf ihre Kundschaft zählen. "Viele kamen vorbei, haben uns angesprochen und unterstützt." Das sei bis heute so geblieben.
Auch und vor allem wegen der treuen Kundinnen und Kunden, können Tworowski und seine Belegschaft auch in den kommenden Jahren jeden Tag aufs Neue die Kundschaft morgens begrüßen, beraten und gut gesättigt verabschieden.