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Würzburg
Psychotherapeutin sorgt sich um akut betroffene Gewaltopfer: Steht die Würzburger Trauma-Ambulanz vor dem Aus?
Die Trauma-Ambulanz ist auf akut-traumatisierte Menschen spezialisiert. Therapeutin Marion Schowalter erläutert, warum ein Ende der Einrichtung tragisch wäre.
Die Psychotherapeutin Dr. Marion Schowalter hofft, dass die Würzburger Trauma-Ambulanz weitergeführt werden kann.
Foto: Thomas Obermeier | Die Psychotherapeutin Dr. Marion Schowalter hofft, dass die Würzburger Trauma-Ambulanz weitergeführt werden kann.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:14 Uhr

Die psychotherapeutische Hochschulambulanz der Universität in Würzburg - und mir ihr die Trauma-Ambulanz - sollen geschlossen werden. Über diese Mitteilung ist Marion Schowalter sehr besorgt. "Der Vertrag läuft zum Jahresende aus", sagt die Psychologische Psychotherapeutin. Ob es eine Zukunft unter dem Dach des Uniklinikums Würzburg (UKW) geben wird, sei ungewiss. 

Professor Jürgen Deckert, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, sagt auf Nachfrage, dass er Interesse habe, die Trauma-Ambulanz fortzuführen. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Nach dem Würzburger Messerangriff konnten Betroffene zügig versorgt werden

Schowalter erläutert, warum es wichtig sei, dass diese Einrichtung, die auf akut-traumatisierte Menschen spezialisiert ist, weiter besteht. Die Trauma-Ambulanz gehört seit 2021 zur psychotherapeutischen Hochschulambulanz. Schowalter ist die psychologische Leiterin. Seit dort Betroffene nach dem Messerangriff in Würzburg am 25. Juni 2021 zügig versorgt werden konnten, habe sich die Einrichtung "fest etabliert", sagt sie.

Schowalter vermutet, dass Kostengründe für das voraussichtliche Ende der Trauma-Ambulanz eine Rolle spielen. "Überall muss gespart werden. Wir haben, finanziell gesehen, nicht effektiv genug gearbeitet", sagt sie. Therapeutisch gesehen spricht sie jedoch von einem Erfolg – und von einer wichtigen Anlaufstelle für Opfer von körperlicher und seelischer Gewalt.

Aktuell gibt es in Bayern 19 Trauma-Ambulanzen für Erwachsene

"Die Trauma-Ambulanzen wurden im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes geschaffen, damit Opfer, egal ob privat oder gesetzlich krankenversichert, unbürokratisch Erstgespräche, Beratung und schnell therapeutische Hilfe bekommen", sagt Schowalter. "Dies ist sehr wichtig für die Verarbeitung und Linderung der Traumatisierungen, deshalb wäre es auch sehr tragisch, wenn die Ambulanz wegfallen würde." Betroffene müssten andernfalls wieder lange nach Therapeutinnen und Therapeuten suchen und Wartezeiten in Kauf nehmen. "Das ist oft eine zweite Traumatisierung für Opfer von Gewalttaten", erklärt Schowalter. Wichtig sei die Akut-Traumatherapie.

Insgesamt stehen auf der Liste des Zentrums Bayern Familie und Soziales aktuell 19 Trauma-Ambulanzen für Erwachsene und 13 für Kinder- und Jugendliche (eine davon in Würzburg). Zur Disposition steht die Ambulanz für Erwachsene in Würzburg. Wenn nun die Hochschulambulanz aufgelöst wird, fällt laut Schowalter auch die Trauma-Ambulanz weg. Es gibt keine weitere derartige Einrichtung in Unterfranken. Die nächstgelegene befindet sich in Erlangen. Weitere beispielsweise in Eichstätt oder Bayreuth.

Enge Kooperationen mit dem Weißen Ring und der Kriminalpolizei

"Wir haben seit dem vergangenen Jahr weitere Gewaltopfer psychotherapeutisch unterstützt", sagt die Psychotherapeutin. Menschen, die sich im Zeugenschutzprogramm befinden, gehörten ebenfalls zum Kreis der Klientel der Trauma-Ambulanz. "Inzwischen haben wir enge Kooperationen mit den Opferverbänden, mit dem Weißen Ring und der Kriminalpolizei." Und es sei ein Netzwerk aufgebaut worden mit rund 30 Kolleginnen und Kollegen, zu denen die Opfer zur weiteren Therapie vermittelt werden könnten.

Schowalter ist auf die EMDR-Methode spezialisiert und führt in der Hochschulambulanz Schulungen für Therapeutinnen und Therapeuten durch. Die Buchstaben stehen für die englische Bezeichnung "Eye Movement Desensitization and Reprocessing" - Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen. Die wissenschaftliche anerkannte Methode sei das Mittel der Wahl bei einer Akuttherapie, sagt Schowalter. Mit hoher Erfolgsquote.

Opfer des Messerangriffs bestätigen den Erfolg der Akut-Traumatherapie

Dies haben Opfer der Messer-Attacke in Gesprächen mit dieser Redaktion bestätigt. Etwa eine Augenzeugin des Messerangriffs, die nach dem schrecklichen Ereignis, bei dem drei Frauen getötet und mehrere Personen schwer verletzt wurden, unter Albträumen und Panikattacken litt. Auch ein Notarzt, der auf dem Nachhausweg war und Opfern helfen wollte, kämpfte hinterher mit Angstzuständen.

Künftig sollte die Würzburger Trauma-Ambulanz auch eine Anlaufstelle für komplex traumatisierte Menschen sein. Dazu hat Schowalter bereits Kontakt mit Wildwasser Würzburg, Verein gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen, aufgenommen. "Mono-Traumatisierte können wir mittlerweile gut versorgen", sagt sie. Bei Menschen, die zum Beispiel jahrelang sexueller oder organisierter sexueller Gewalt durch mehrere Personen ausgesetzt waren, liege die Versorgung meist noch im Argen. Denn, so Schowalter, "sie brauchen eine längere Therapie".

Deshalb hofft die Würzburger Trauma-Therapeutin, dass trotz Sparmaßnahmen die vier halben Stellen weiter finanziert werden, der Hochschulambulanz-Status mit der "unkomplizierten Abrechnung" erhalten bleibt und die Räume weiterhin in der Stadt liegen und weiterhin gut erreichbar sind. Doch wie es weitergehe, sei offen.

 
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  • katein18071402
    Ich finde es vollkommen unangemessen, da alle ganz genau wissen, wie wichtig und manchmal sogar essenziell es den Traumapatienten im Akutfall, Hilfe zu leisten, wie schnell sich die Symptome manifestiert und pathologisch werden. Die Öffenheit von Betroffenen eine Ambulanz aufzusuchen ist wesentlich höher, als stationär sich behandeln zu lassen, aus Zeitmangel, Familie und so weiter. Hat man die Hilfestellung der Ambulanz bei Attentaten einfach so vergessen, wieviel Menschen dabei traumatisiert worden waren. Ich empfehle dringend auch wissenschaftliche Ausgabe vom Paper vom Opfer zum Täter- über die Perpetuirung der Trauma zu lesen von M. Hirsch. Wo soll das hin führen? Z.Katharina.
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  • KarinStratmann66@web.de
    So geht's nicht weiter, dass für Menschen in schwierigen Situationen kein Geld mehr da ist. Streicht die Ausgaben für die Täter!
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  • Bezirksrat Gerhard Müller
    Welche Ausgaben?
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  • Bezirksrat Gerhard Müller
    Eine schlechte Nachricht in schwierigen Zeiten - die Universität hat eine Verantwortung gerade für spezielle Angebote! Angesichts monatelanger Wartezeiten für eine ambulante Psychotherapie ist das ein nicht nachvollziehbarer Schritt. Gerhard Müller, Bezirksrat und Psychoherapeut
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