Wo war der Angeklagte am 15. Dezember 1993 als in Wiesenfeld im Landkreis Main-Spessart die 13-jährige Sabine B. vermisst wurde? Auf diese Frage versuchte das Landgericht Würzburg an diesem Freitag, dem zwölften Verhandlungstag, mithilfe von Zeugenaussagen eine Antwort zu finden. Dem heute 47 Jahre alten Mann wird vorgeworfen, vor über 30 Jahren Sabine im Stall eines Reiterhofs in Wiesenfeld vergewaltigt und getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat ihn werden Mordes angeklagt.
Alibi für den Angeklagten von Mutter und älterer Schwester
Seine Mutter und die ältere der beiden Schwestern geben dem Angeklagten für den Abend, an dem das Mädchen verschwand, ein Alibi. Die Mutter sagt im Zeugenstand, dass die Familie zwischen 18 und 19 Uhr gemeinsam gegessen habe. Ihr Sohn habe das Haus danach nicht mehr verlassen. Sie hätten zusammen ferngesehen – "irgendwas über Griechenland".
Bei Vernehmungen in den 1990er-Jahren und auch 2021 hatte die Mutter andere zeitliche Abläufe geschildert: Mal aß ihr Sohn gemeinsam mit ihr zu Abend, mal kam er erst, als sie schon fertig war. Mal lief ein Krimi im Fernsehen, mal Fußball. Im Laufe der Ermittlungen hatten Zeugen jedoch angegeben, sie hätten den damals 17-jährigen Jugendlichen später am Abend noch auf dem Reiterhof gesehen.
Mutter im Zeugenstand: Nach dem Tod von Sabine in Wiesenfeld "gestalkt" worden
Vor dem Landgericht Würzburg sagt die Mutter jetzt, in den Monaten und Jahren nach der Tat mehrmals von Menschen aus Wiesenfeld "gestalkt" worden zu sein. Jemand habe versucht, sie zu überfahren, als sie mit ihrem Hund Gassi ging. Sie sei mit einer Krücke geschlagen worden und in das Haus der Familie sei eingebrochen worden.
Mehrmals fragen die Richter, ob sie mit ihrem Sohn je über die Vorwürfe gesprochen habe, die ihm gemacht werden. Die Mutter schüttelt den Kopf. "Wir hatten Hasen, und wenn die geschlachtet worden sind, ist er rein", erzählt sie. "Er konnte keiner Fliege was zuleide tun."
Sie selbst habe heute keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn, auch nicht zu ihren anderen drei erwachsenen Kindern. Als sie den Gerichtssaal an diesem Freitag verlässt, sagt sie im Gehen: "Ich hoffe, dass ich nicht mehr gestalkt werde. Ich traue mich nicht mehr allein auf die Straße."
Die ältere Schwester des Angeklagten gibt dem 47-Jährigen im Zeugenstand ebenfalls ein Alibi für den Abend. Als sie aus ihrer Erinnerung den Tattag schildern soll und mit Widersprüchen zu früheren Vernehmungen konfrontiert wird, sagt sie: "Ich bin völlig überrascht, was ich da ausgesagt habe. Das ist krass." Sie sei sich heute nicht mehr sicher, wann ihr Bruder an dem Abend zu Hause war.
Jüngere Schwester sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus
Weil der Angeklagte zur Tatzeit noch Jugendlicher war, wird die Verhandlung am Landgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Nur Vertreter von fünf Medienhäusern können zur Berichterstattung teilnehmen. Bei der Zeugenaussage der jüngeren Schwester des Angeklagten an diesem Freitag, war zum Schutz ihrer Privatsphäre jedoch keine Presse zugelassen.
Andere Zeuginnen und Zeugen hatten ausgesagt, die jüngere Schwester habe ihnen anvertraut, dass sich ihr Bruder als Jugendlicher ihr gegenüber sexuell übergriffig verhalten habe. Wie die Sprecherin des Landgerichts, Martina Pfister-Luz, am Freitag mitteilte, sagte die Zeugin dies nun auch selbst aus. Die Frau habe einen "länger andauernden sexuellen Missbrauch" durch ihren Bruder geschildert. Mehrfach habe ihre Befragung unterbrochen werden müssen, weil der Zeugin die Aussage sehr schwergefallen sei.
Der Prozess wird am 24. Oktober fortgesetzt.