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Wiesenfeld/Würzburg
Zeuge im Wiesenfeld-Prozess belastet den Angeklagten schwer: Gestand er den Mord vor 31 Jahren seinem Ausbilder?
Im Verfahren zum Mord an der 13-jährigen Sabine B. in Wiesenfeld vor 31 Jahren belastet ein ehemaliger Ausbilder den Angeklagten gleich mehrfach.
Wer hat Sabine B. ermordet und hier in einem Gülleschacht versteckt? Der Prozess am Landgericht Würzburg versucht, diese Frage zu beantworten.
Foto: Henry Urmann, MP Archiv, Collage | Wer hat Sabine B. ermordet und hier in einem Gülleschacht versteckt? Der Prozess am Landgericht Würzburg versucht, diese Frage zu beantworten.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 27.09.2024 02:37 Uhr

Zu Beginn des fünften Verhandlungstages mustert Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach den Angeklagten, der fünf Meter vor ihm sitzt. Der meidet die Blicke des Ermittlers, der ihm den Mord an der 13-jährigen Sabine B. vor 31 Jahren nachweisen möchte.

Der Oberstaatsanwalt präsentiert am Montag einen wichtigen Zeugen: Der ehemalige Arbeitgeber des Angeklagten hatte seinen Lehrling bereits kurz nach der Entdeckung der Leiche 1993 unter Verdacht. Auf einer Autofahrt soll er damals den 17-Jährigen bedrängt haben, das Verbrechen zuzugeben.

Hat der Angeklagte die Tat seinem damaligen Ausbilder im Auto gestanden?

Der heute 68 Jahre alte Zeuge erinnert sich nach eigenen Angaben nach 31 Jahren noch gut an die Autofahrt: Auf sein intensives Drängen hin habe der Angeklagte widerstrebend gestanden. "Na gut, dann war ich's halt!", soll der damals 17-Jährige gesagt haben. Er selbst sei wie vom Donner gerührt gewesen, sagt der Zeuge.

Doch Sekunden später soll der Angeklagte damals das Geständnis widerrufen haben: Die Bemerkung sei "nur im Spaß" gewesen.

Der Zeuge belastete den Angeklagten mit weiteren Erinnerungen: Sein Lehrling habe in den Tagen nach der Tat völlig verwirrt gewirkt und sich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren können.

Nur wenige Tage nach dem Fund der Leiche von Sabine B. habe er seinen Ausbilder aufgefordert, mit ihm zum Tatort zu fahren. Im Stall sei der Angeklagte über die Leiter hinaufgestiegen sein auf den Tennenboden, obwohl er angeblich nicht schwindelfrei war.

Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach (rechts) will dem Angeklagten den Mord in Wiesenfeld beweisen. Verteidiger Hanjo Schrepfer zweifelt an der glaubwürdigkeit einer Belastungszeugin.
Foto: Thomas Obermeier | Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach (rechts) will dem Angeklagten den Mord in Wiesenfeld beweisen. Verteidiger Hanjo Schrepfer zweifelt an der glaubwürdigkeit einer Belastungszeugin.

Auf dem Tennenboden war Sabine B. missbraucht und getötet worden: "Hier soll es passiert sein", soll der Angeklagte gesagt haben. Damit hätte er sehr früh Detailkenntnisse zum Tatablauf bewiesen.

Das Gericht und der Staatsanwalt nehmen die Zeugenaussage am Montag erstaunt zur Kenntnis. Der Vorsitzende fragt, ob der Angeklagte dazu eine Erklärung abgeben will. Doch der schweigt.

Früherer Ausbilder des Angeklagten erinnert sich an merkwürdige Situationen in Wiesenfeld

Dem Ausbilder ließ das Verhalten seines Lehrlings vor 31 Jahren keine Ruhe. Er befragte damals gezielt einen Freund des 17-Jährigen, berichtet er. Das habe seinen Lehrling so sehr beunruhigt, dass dieser um Mitternacht bei seinem Lehrherrn angerufen habe und sich mit weinerlicher Stimme erkundigte: "Was hat er gesagt?"

Unter diesem Betondeckel (unter dem Pflasterstein) entdeckten die Polizisten 1993 in einem Gülleschacht die Leiche des Mädchens. 
Foto: Patty Varasano | Unter diesem Betondeckel (unter dem Pflasterstein) entdeckten die Polizisten 1993 in einem Gülleschacht die Leiche des Mädchens. 

Der Ausbilder vertröstete seinen Lehrling nach eigener Aussage auf den nächsten Morgen und legte auf. Da aber war das Interesse des 17-Jährigen erloschen, er fragte nicht mehr nach.

Bei anderer Gelegenheit habe er den Verdächtigen erneut aufgefordert, die Wahrheit zu sagen, erzählt der Zeuge vor Gericht. In dem Moment sei ein Polizeiauto auf den Hof gefahren. Der 17-Jährige sei unaufgefordert in den Polizeiwagen gestiegen. Erklären konnte er sein Verhalten zwar nicht. Die Polizei ließ ihn aber kurz darauf wieder laufen.

Die Aussage einer weiteren Zeugin könnte den Angeklagten belasten

Eine weitere Zeugin aus dem Kreis der eigenen Familie belastet den Angeklagten. Ihrer Aussage bei der Polizei zufolge soll er im engsten Familienkreis gesagt haben: "Ich habe das nicht gewollt." Doch das Motiv der Zeugin könnte Rache sein. Sie hat bei der Polizei auch angegeben, dass der Angeklagte sie als junges Mädchen wiederholt sexuell missbraucht habe.

Verteidiger Hanjo Schrepfer hatte auf Nachfrage dazu erklärt: "Ich habe Anlass, am Wahrheitsgehalt der Aussagen zu zweifeln." Auch Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach ist vorsichtig. Die Zeugin soll Anfang Oktober aussagen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

 
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  • Barbara Fersch
    es ist schlimm genug, dass ein Mensch eine solche Tat über 30 Jahre mit sich herum trägt
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  • Helga Scherendorn
    Mitleid mit dem Täter?
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  • Johannes Metzger
    Was Zeugenaussagen nach 30 Jahren von einem Ausbilder, der schon damals überzeugt war, dass es sein Lehrbub war, wert sind, muss das Gericht bewerten. Für mich sind sie wenig glaubwürdig.
    Wer weiss, was sich im Lauf der Zeit der Lehrherr noch alles (natürlich aus purer Überzeugung) selbst dazu gedichtet hat und heute überzeugt ist, dass das alles wirklich so war.
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  • Steffen Cyran
    Was hier als große Schlagzeile präsentiert wird, ist ein alter Hut. Diese Aussagen hatte der Lehrherr damals auch schon getätigt. Aber wie er sagte, habe das damals die Ermittler nicht sonderlich interessiert.
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  • Manfred Schweidler
    Sie haben aber schon mitgekriegt, dass die Aussage des ehemaligen Ausbilders mit wichtigen Beispielen weit über das hinausgeht, was er bisher dazu bekannt war?
    Manfred Schweidler, der Autor
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  • Helga Scherendorn
    das war schon vor 30 Jahren in allen bunten Blättchen nachzulesen.
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  • Manfred Schweidler
    Dann wissen Sie wohl mehr als das Gericht, das sich bei einigen Details durchaus überrascht zeigte
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