
Erst taucht ein totgeglaubter Zeuge wieder auf, dann kränkelt der Angeklagte: Der elfte Verhandlungstag im Mordprozess von Wiesenfeld am Landgericht Würzburg lief an diesem Dienstag gänzlich anders als geplant.
Einem heute 47 Jahre alten Mann aus dem Landkreis Main-Spessart wird vorgeworfen, im Dezember 1993 die damals 13-jährige Sabine B. im Stall eines Reiterhofs in Wiesenfeld vergewaltigt und getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat ihn werden Mordes angeklagt, rund 240 Zeuginnen und Zeugen waren im Laufe der Ermittlungen vernommen worden.
Einer von ihnen saß am Dienstagmorgen im Gerichtssaal. Als er seinen Namen nannte, wurde es für einen Moment unruhig auf der Richterbank. Die Richter sprachen hinter vorgehaltenen Händen miteinander.
Richter zu totgeglaubtem Zeugen: "Bleiben Sie am Leben – möglichst lange"
"Uns wurde mitgeteilt, dass Sie verstorben seien", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Schuster, sichtlich irritiert, zu dem Zeugen. Der Mann, ebenso irritiert über das Missverständnis, konnte schließlich aufklären: Er habe den gleichen Vor- und Nachnamen wie ein anderer Mann aus Wiesenfeld.
"So hat man mich selten auf dem falschen Fuß erwischt", meinte Schuster und bat um Entschuldigung. Nach der Aussage des totgeglaubten Zeugen verabschiedet sich der Vorsitzende mit den Worten: "Bleiben Sie am Leben – möglichst lange."
Sabine B. wird als kontaktfreudige und lebensfrohe Person beschrieben
Drei weiteren Zeuginnen und Zeugen stellte das Gericht am Vormittag ähnliche Fragen. Sie zielten darauf ab, den Angeklagten, frühere Verdächtige, aber auch Sabine zu charakterisieren. Das Mädchen soll hilfsbereit, kontaktfreudig und lebensfroh gewesen sein. Sie sei "eher burschikos" gewesen und habe "zupacken" können. Eine Zeugin fasst ihre Erinnerungen an die 13-Jährige zusammen: "Ein toller Mensch, schon damals. Ich denke, sie wäre ein toller Mensch geworden."
Über den Angeklagten konnten die Zeugen nur wenig sagen. In ihrer Erinnerung handle es sich um einen "ruhigen Typ", der zurückhaltend war. Eine Zeugin nennt ihn einen "Einzelgänger".
Um zu vermeiden, dass sich der Prozess durch das Verlesen von Akten in die Länge zieht, hat das Gericht nun ein sogenanntes Selbstleseverfahren angeordnet. Alle Prozessbeteiligte bekamen einen Ordner mit Vernehmungsprotokollen, Gutachten, ausgedruckten E-Mails und anderen Dokumenten ausgehändigt, um diese in den kommenden Wochen lesen zu können.
Prozesstag endet abrupt: Angeklagter meldet sich krank
Gegen Mittag teilte Verteidiger Hanjo Schrepfer dem Gericht mit, dass sich sein Mandant krank fühle. Der 47-Jährige leide unter Kopfschmerzen, Schwindel und höre nicht gut, sei aber verhandlungsfähig. Der Anwalt bat deshalb darum, am Nachmittag nicht alle der geladenen Zeuginnen und Zeugen zu hören. Der Angeklagte selbst ergänzte: "Ich bin normalerweise nicht empfindlich, aber heute geht es mir echt dreckig."
Das Gericht erklärte den Prozesstag darauf unmittelbar für beendet: "Ich zwinge niemanden zu einer Verhandlung", sagte Schuster, "es geht um Ihre Zukunft, nicht um meine."
Der Prozess wird voraussichtlich am Freitag, 18. Oktober, fortgesetzt.