
Der pro familia Landesverband Bayern hat auf die jüngsten Äußerungen des Betroffenenbeirats im Bistum Würzburg reagiert: In einer Pressemitteilung weist er den Vorwurf der Intransparenz und fehlenden Abgrenzung zu pädosexuellen Positionen "aufs Schärfste" zurück.
In der vergangenen Woche hatte das Bistum Würzburg bekanntgegeben, "baldmöglichst" die Zusammenarbeit mit der Würzburger pro familia Fachberatungsstelle beenden zu wollen. Das Bistum bezog sich dabei auf ein Votum des Betroffenenbeirats, der sich gegen diese Kooperation ausgesprochen habe. Laut Matthias Wimmer, Sprecher des Betroffenenbeirats, hat sich der Bundesverband von pro familia nicht klar genug gegen Pädophilie-Vorwürfe aus den 1970er und 1990er Jahren abgegrenzt.
Der bayerische Landesverband entgegnet Wimmer in seiner Mitteilung, pro familia habe mehrfach durch öffentliche Erklärungen des Bundesvorstands eine klare Abgrenzung "zu derartigen Positionen" formuliert. Zudem sei den Vorwürfen zu vermeintlich pädophilen oder pädosexuellen Handlungen in einer Studie nachgegangen worden.
Martina Schneider von der Geschäftsführung des pro familia-Bezirksverbands Unterfranken sowie der Sozial- und Sexualpädagoge Hans-Peter Breuner von der Würzburger Beratungsstelle betonen: "Wir sind für Betroffene von sexualisierter Gewalt und deren Angehörigen da und bieten weiterhin Beratungen an." Somit auch Betroffenen, die Gewalt durch Mitarbeitende der katholischen Kirche erfahren haben.
Pro familia habe mit der Diözese Würzburg, finanziert durch den Bischöflichen Stuhl, einen Vertrag geschlossen, sagt Breuner: "Dieser Vertrag hat Bestand und läuft formal bis 31. Januar 2023." Auf das Angebot hätten er und Schneider bislang "qualitativ gute Rückmeldungen" erhalten. "Das hat gut getan", so Breuner.
Auf die Frage, ob der Vertrag vorzeitig gekündigt werden kann, teilt der Sprecher des Bistums, Bernhard Schweßinger, mit: "Hierzu werden Gespräche mit 'pro familia' geführt."
Würzburger Betroffenenbeirat will Alternativen zu pro familia finden
Der Würzburger Betroffenenbeirat will sich laut Sprecher Matthias Wimmer nun auf die Suche machen, wer anstelle von pro familia Missbrauchsbetroffene beraten könnte. Bistumssprecher Schweßinger sagt auf Nachfrage dazu: In den kommenden Wochen werde in Absprache mit dem Betroffenenbeirat geklärt, wer künftig für die kirchenunabhängige Beratung in Frage komme.
Offener Brief von "Wir sind Kirche" an den Würzburger Bischof
Zwei Vertreter der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" haben indes an den Würzburger Bischof Franz Jung einen Offenen Brief geschrieben, der dieser Redaktion vorliegt. Darin heißt es von Magnus Lux aus Schonungen (Lkr. Schweinfurt) sowie Edgar Büttner, verheirateter Würzburger Priester und Mitglied des Forums "Priesterliche Existenz heute" beim Synodalen Weg: "Wenn die Kirchenleitung an die Kirche denselben Maßstab wie an pro familia anlegen würde, dann müsste sie all ihre Beratungsstellen schließen, weil sie sich nicht genügend von den Verbrechen und der Vertuschung distanziert hat und teils immer noch nicht distanziert." Die moralische Überheblichkeit der in der Kirche Verantwortlichen habe die sexualisierte Gewalt in diesem Ausmaß ermöglicht, so Lux und Büttner: "Jetzt mit Fingern auf andere zu zeigen, ist der Versuch, von eigenen Verbrechen, die auch heute noch in der Kirche stattfinden, abzulenken."
Ex-Betroffenenbeiratsmitglied Bernhard Rasche unterstützt pro familia
Bernhard Rasche, ehemaliges Mitglied des Würzburger Betroffenenbeirats, bezeichnete in seinem Offenen Brief die Arbeit von pro familia generell als "hervorragend" und insbesondere "was Kindesmissbrauch angeht". Dies habe pro familia auch bei dem bundesweit bekanntgewordenen "Kinderpornografie-Fall" von 2019 deutlich unter Beweis gestellt.

Auch Rasche, der zum Vorstand der Betroffeneninitiative Süddeutschland gehört, weist die Vorwürfe durch den Würzburger Beirat zurück: "Ich tue dies auch als Betroffener, als Opfer von Missbrauch dieser Kirche, als Opfer von Verleumdung durch diese Kirche."
Ein weiteres ehemaliges Mitglied des Würzburger Betroffenenbeirats, das anonym bleiben möchte, kann das Votum der Beiräte ebenfalls nicht verstehen: "Damit handeln sie nicht im Sinne der Betroffenen."
Ehemaliger Sozialrichter Burkhard Löffler: Vertragsende nicht schlüssig nachvollziehbar
Burkhard Löffler, Würzburger Sozialrichter im Ruhestand, findet das vom Bischof angekündigte Vertragsende mit pro familia "nicht schlüssig nachvollziehbar, enttäuschend und bedauerlich". Löffler ist Mitglied des Beraterstabs von 13 Ordensgemeinschaften, die im Bistum Würzburg tätig sind und gemeinsam die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle voranbringen möchten.